Es ist kurz vor 16 Uhr, als sich gestern die Tür des Kommissionszimmers 301 im Bundeshaus öffnet. Heraus kommt Verteidigungsminister Guy Parmelin, der sich soeben den Fragen einer parlamentarischen Geschäftsprüfungskommission stellen musste. Vor dem Sitzungszimmer erwarten ihn Kameras, Mikrofone und viele kritische Fragen.
Lange hält es der Westschweizer Magistrat aber nicht aus. Er sagt zwei, drei Sätze auf Französisch, dann flüchtet er über die Wendeltreppe aus dem Bundeshaus. Weg von den Fragen, weg von der Kritik, raus in die Sonne. Nachdem Parmelin vergleichsweise fulminant in sein Amt gestartet ist, brennt es in seinem Departement mittlerweile an mehreren Fronten. Wenig ist übrig geblieben vom Macherimage, das er in den ersten Wochen nach seinem Antritt ausstrahlte. Eine Übersicht der wichtigsten Pleiten und Pannen.
Guy Parmelins zurzeit grösstes Problem ist er selbst. Im Raum steht der Verdacht, dass er im Bundesrat Politik fürs eigene Portemonnaie gemacht hat. Wie der «Blick» enthüllte, hat sich der ehemalige Weinbauer diesen Frühling in einem Mitbericht dafür eingesetzt, dass Landwirte beim Verkauf von Bauland steuerlich privilegiert werden.
Dabei vergass er zu erwähnen, dass er zu diesem Zeitpunkt formell immer noch Besitzer einer 1366 Quadratmeter grossen Bauland-Parzelle in seiner Heimatgemeinde Bursins war. Geschätzter Wert: über eine Million Franken.
Bei einer Pressekonferenz am Freitag zeigte sich Parmelin uneinsichtig und betonte unablässig, das Grundstück sei rückwirkend per Anfang Jahr auf seinen Bruder überschrieben worden – doch der fahle Nachgeschmack bleibt. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK) will heute entscheiden, welche Konsequenzen sie aus der Affäre zieht.
Parmelin selber räumte gestern nach der Befragung durch die GPK in einer kurzen Stellungnahme ein, dass er einen «politischen Fehler» begangen habe. Im Nachhinein sei man immer schlauer. Juristisch jedoch hält er seinen Entscheid, im Bundesrat nicht in den Ausstand zu treten, weiterhin für vertretbar.
Die Cyberspione schlugen im Winter 2014 zu, und niemand bemerkte es. Die russischen Hacker infiltrierten die IT-Systeme des bundeseigenen Rüstungskonzerns Ruag, die wiederum eng mit dem Verteidigungsdepartement (VBS) verzahnt sind. Sie luden Daten mit den streng geheimen Namen der Elite-Einheit AAD10 herunter, sammelten Informationen über Zehntausende Bundesangestellte und Parlamentarier. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Alarm schlug.
Besonders peinlich: Die Schweizer Geheimdienstler hätten es selber nicht gemerkt. Auch die Ruag, die mit Cyber-Security-Lösungen Geld verdient, hatte keine Ahnung von den Eindringlingen im eigenen System. Der Hinweis auf den Angriff kam von einem europäischen Partnerdienst.
Dennoch will das VBS gegenüber der «Nordwestschweiz» keine Fehler einräumen. Dass der Hinweis aus dem Ausland kam, sieht das Departement nicht als Zeichen der Schwäche, sondern als Bestätigung. «Wie der aktuell mediatisierte Fall eindrucksvoll zeigt, können heute sicherheitspolitisch bedeutsame Cyberattacken nur im internationalen und nationalen Verbund erfolgreich erkannt und bekämpft werden», heisst es auf Anfrage. Das wirkt wenig überzeugend: Punkto Cyber-Sicherheit herrscht im Departement Parmelin offensichtlich massiver Nachholbedarf.
Der Ende Jahr scheidende Armeechef André Blattmann wird langsam aber sicher zur Hypothek für den Verteidigungsminister. Bei einem Auftritt in Brugg liess der Korpskommandant letzte Woche seinem Frust über die mediale Kritik an der Armee freien Lauf. Vor mehr als 150 Generalstabsoffizieren verunglimpfte er den Moderator der SRF-Sendung «Rundschau» als «Sandro Kotz, äh Brotz» und schimpfte über den Whistleblower in der Armee, der geheime Dokumente zum problembehafteten Fliegerabwehr-System Bodluv 2020 an die Medien weitergegeben hatte.
«Ich freue mich, wenn man den Missetäter, den Verräter, findet, und ich freue mich, wenn wir diesen im übertragenen Sinne auf die Schlachtbank führen können», sagte Blattmann laut der «Zentralschweiz am Sonntag». Gestern Mittag sah er sich zu einer öffentlichen Entschuldigung gegenüber Moderator Brotz gezwungen. Das VBS distanzierte sich auf Anfrage von der Wortwahl des Armeechefs.
Anfänglich erhielt Guy Parmelin viel Lob für seinen Entscheid, die Beschaffung des Fliegerabwehrsystems Bodluv 2020 zu sistieren und eine Untersuchung einzuleiten. Er stand als Mann der Tat, als Macher da. Wie über die Medien bekannt geworden war, hätte Luftwaffenchef Aldo C. Schellenberg zwei Lenkwaffensysteme kaufen wollen, welche die Auflagen an Allwettertauglichkeit und Reichweite nicht erfüllten. Parmelin, so der Eindruck, hatte mit der Sistierung am 22. März ein weiteres Rüstungsdebakel verhindert.
Mittlerweile mehren sich jedoch die kritischen Stimmen, auch aus der eigenen Partei. Nur wenige Sicherheitspolitiker nehmen dem VBS-Chef ab, dass es ihm darum geht, zuerst eine Gesamtschau über die ganze Luftwaffe zu erstellen, bevor es mit der Beschaffung von Bodluv 2020 weitergeht. Denn ein solcher Bericht existiert schon seit 2014.
Sympathien hat er sich vor allem in der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats verspielt, deren Fragen Parmelin Mitte April mit Verweis auf die laufende Untersuchung unbeantwortet liess. Etliche Kritiker glauben, der Verteidigungsminister und seine Mitstreiter wollten die Fliegerabwehr opfern, um möglichst bald ein neues Kampfflugzeug zu kaufen.
Nach langem Hin und Her stimmte das Parlament der Weiterentwicklung der Armee (WEA) in der Frühlingssession zu. Doch damit ist die Armeereform nicht über den Berg. Ein Referendumskomitee um die rechtsbürgerliche Offiziersgruppierung Giardino sammelt derzeit Unterschriften, um das Projekt an der Urne zu bodigen. Selbst die SVP des Kantons Aargau unterstützt den Angriff auf die Reform, obwohl die nationale SVP diese befürwortet.
Auf Anfrage der «Nordwestschweiz» nennt das Bürgerkomitee «Nein zur Halbierung der Armee» keine Zahlen zum Stand der Sammlung, betont jedoch, die meisten Unterschriften würden im letzten Drittel der 100-tägigen Frist erwartet. Für Verteidigungsminister Parmelin heisst das: Auch dieser potenzielle Brand ist vorerst nicht gelöscht.