Blocher krebst zurück: Die «Störmanöver» vor der Bundesratswahl verpuffen
Die Bundesratswahl befindet sich auf der Zielgeraden. Am Dienstagnachmittag finden letzte Hearings statt, gefolgt von der «Nacht der langen Messer». Eine Überraschung bei der Ersatzwahl für SP-Bundesrat Alain Berset wird immer unwahrscheinlicher. Die «Geheimpläne», die in den letzten Wochen aufploppten, sind kaum noch ein Thema.
Das erstaunt nicht, denn ein öffentlicher Geheimplan ist ein Widerspruch in sich. Was nicht heisst, dass es keine Versuche gibt, bis zuletzt Unruhe zu stiften und das Ticket der SP mit Beat Jans und Jon Pult infrage zu stellen. Dazu gehört Kritik an den beiden Kandidaten, obwohl sie verglichen mit früheren «Schlammschlachten» dezent daherkommt.
Der «Arena»-Knall
Für Wirbel sorgte am Wochenende ein Statement des Solothurner Mitte-Ständerats Pirmin Bischof in der SRF-«Arena» vom Freitagabend. Er stellte das seit der Abwahl von Christoph Blocher 2007 geltende ungeschriebene Gesetz infrage, sich an die offiziellen Partei-Tickets zu halten. Ob er am Mittwoch das SP-Ticket respektieren werde, liess Bischof offen.
Entscheiden werde er am Dienstag nach dem Auftritt von Jans und Pult in der Fraktion, so der Solothurner. Er erwähnte seine «Landsleute» Willi Ritschard und Otto Stich, die gegen den Willen der SP gewählt worden und «hervorragende Bundesräte» gewesen seien. Ob es Pirmin Bischof ernst meint, bleibt offen. Es gefiel ihm sichtlich, ein wenig zu zündeln.
Der Blocher-Rückzug
Bischof bezog sich bei seinem «Arena»-Auftritt auf Christoph Blocher. Der SVP-Doyen hatte eine Woche zuvor auf Teleblocher zur Wahl eines «wilden» SP-Kandidaten aufgerufen, etwa Daniel Jositsch, und damit für noch mehr Wirbel gesorgt als Pirmin Bischof. Nur von wenigen Medien aufgegriffen wurde hingegen die jüngste Ausgabe von Teleblocher.
Kein Wunder, denn statt nachzulegen, krebste der Alt-Bundesrat zurück. Das Parlament werde sich wohl an das offizielle SP-Ticket halten, auch weil die Bürgerlichen «zu wenig stark» seien, meinte Blocher. Wenn es normal laufe, werde die Fraktion wohl «den weniger Schlimmen wählen», also Beat Jans, «weil der ist älter und bleibt weniger lang».
Faktisch beugt sich Christoph Blocher der Tatsache, dass führende SVP-Köpfe sich gegen Machtspiele ausgesprochen haben, etwa Fraktionschef Thomas Aeschi oder Ständerätin Esther Friedli. Ein wenig provozieren musste Blocher trotzdem: Falls Gerhard Pfister anstelle von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis gewählt werde, nehme der Mitte-Präsident die Wahl an.
Der Skandalfaktor
Ganz ohne «Schlammschlacht» geht es nicht, und eine spezielle Rolle spielt die «NZZ am Sonntag». Vor einer Woche berichtete sie über eine Kampagne der Kommunikationsagentur Feinheit gegen die Agrarlobby. Jon Pult sitzt im Verwaltungsrat und bekam tags darauf bei der Anhörung vor der «Bauernfraktion» im Parlament prompt eine Kopfwäsche verpasst.
Am Sonntag folgte die «Retourkutsche». Nun berichtete die «NZZaS» über die Verbandelung von Beat Jans mit einem Nachhaltigkeits-Unternehmer. Und dem Rückzug des Baslers aus einer Stiftung, kurz nachdem Alain Berset im Juni seinen Abgang angekündigt hatte. Doch während die Pult-Story Wellen schlug, blieben Reaktionen in diesem Fall weitgehend aus.
Das Verhalten von Jans mag nicht ganz «astrein» gewesen sein, doch der Skandalfaktor hält sich in Grenzen. Letztlich geht es um die Grauzone zwischen Politik und Lobbyismus, von der kaum ein Politiker nicht betroffen sind. Und von Bundesratskandidaten ist man sich ganz anderes gewohnt. Oder erinnert sich noch jemand an den «Kranken-Cassis»?
Die «wilde» Kandidatur
Daniel Jositsch steht nicht nur bei Christoph Blocher nicht mehr allzu hoch im Kurs. Der Name des Zürcher Ständerats ist zuletzt in den Hintergrund gerückt. Manche Bürgerliche würden ihn gerne wählen, doch selbst ihnen dürfte klar geworden sein, dass man Jositsch einer SP, die ihn so jämmerlich «durchfallen» liess, kaum aufzwingen kann.
Ganz vom Tisch ist eine «wilde» Wahl aber nicht. So wurde die Basler Ständerätin Eva Herzog ins Spiel gebracht, und in der «Arena» tauchte der Name Roger Nordmann auf. Beides hat seinen Reiz. Herzog war letztes Jahr auf dem Ticket, und der Waadtländer Ex-Fraktionschef unterlag bei der Nomination erst im letzten Wahlgang gegen Jon Pult.
Und da wäre noch Gerhard Andrey, der für die Grünen einen FDP-Sitz erobern soll. Er tritt am Dienstag zum Hearing bei der SP an. Dann wird sich zeigen, wie sich die Partei zum Anspruch der Grünen positionieren wird. Die Waadtländer FDP-Nationalrätin Jacqueline De Quattro warnte die SP in der «Arena» vor Konsequenzen bei der Berset-Nachfolge.
Also doch eine Überraschung? Es bleibt möglich, ist aber wenig wahrscheinlich.