Eine bittere Woche
liegt hinter Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Ihre Partei, die
BDP, gehörte zu den Wahlverlierern, sie büsste
zwei Sitze im Nationalrat ein. Besonders heftig fiel die Niederlage
im Gründerkanton Graubünden aus, der Heimat von Widmer-Schlumpf.
Die BDP verlor massiv, kam noch auf einen Wähleranteil von 14,5
Prozent. Die SVP, die sich 2008 im Bündnerland völlig neu formieren
musste, ist mehr als doppelt so stark.
Selbst in Felsberg,
der Heimat- und Wohngemeinde der Bundesrätin, schnitt die SVP besser
ab als die BDP. Das Bündner Resultat soll Widmer-Schlumpf laut
Medienberichten sehr zu schaffen gemacht haben. Ein Blick auf die
Mehrheitsverhältnisse in der neuen Bundesversammlung hat sie kaum
fröhlicher gestimmt. Ihre Wiederwahl am 9. Dezember steht auf der
Kippe. Noch schweigt die Bundesrätin über ihre Zukunft, die meisten
Medien aber gehen von einem Rücktritt aus.
Am Sonntag folgte
ein weiterer Tiefschlag, diesmal von CVP-Präsident Christophe
Darbellay. Er gehörte zu den Drahtziehern der Blocher-Abwahl 2007
und hat Eveline Widmer-Schlumpf seither loyal unterstützt. Nun
rühmte er in einem Interview mit «Le Matin Dimanche» ihre «exzellente Arbeit», er betonte aber auch, dass «die CVP den
Anspruch der SVP auf einen zweiten Sitz im Bundesrat anerkennt».
Die SVP müsse nun einen wählbaren Kandidaten präsentieren.
Darbellays Aussage
überrascht. Am letzten Mittwoch hatte die CVP in einer Mitteilung
betont, sie werde sich zum Thema Bundesratswahl «aktuell nicht
weiter äussern». Der Parteichef, der wegen der
Amtszeitbeschränkung seiner Walliser Kantonalpartei nicht mehr als
Nationalrat kandidieren konnte, ging nicht vollständig auf Distanz
zu Widmer-Schlumpf. Falls sie erneut antrete, werde die CVP-Fraktion
am 21. und 22. November darüber entscheiden.
Dennoch spricht
einiges dafür, dass die Bundesrätin nicht mehr auf den vollen
Support der CVP setzen kann:
Seit dem Wahltag
wird über eine Allianz oder sogar Fusion der Mitteparteien CVP, BDP,
GLP und EVP spekuliert. Auf ein solches Signal habe die Bundesrätin bis zum letzten Donnerstag gehofft, hiess es in der
Sonntagspresse. Die Hoffnungen erlitten jedoch einen herben
Dämpfer. Am letzten Mittwoch kam es zu einem Treffen der
Parteichefs von CVP, BDP und Grünliberalen, berichtete die «NZZ am Sonntag».
Zu einer echten Annäherung kam es anscheinend nicht, darauf lassen
die Aussagen von Christophe Darbellay im Interview mit «Le Matin
Dimanche» schliessen.
Die BDP habe in den
letzten Tagen nicht den Eindruck hinterlassen, sie suche
Unterstützung oder sei zu einem «grossen Kampf» bereit, sagte
der CVP-Präsident. Zu einer Allianz äusserte sich der
Walliser skeptisch: Die CVP sei «weder an einem One Night Stand
noch an einem Konkubinat interessiert». Die letztjährige Weigerung
der BDP, ein Fraktion mit der CVP zu bilden, habe «Spuren
hinterlassen». Gleiches gelte für das Verhalten der Grünliberalen,
die nach den Wahlen 2011 die Fraktionsgemeinschaft mit der CVP
platzen liessen.
In der CVP-Fraktion
bröckelt der Rückhalt für die BDP-Bundesrätin. Einflussreiche
Parlamentarier wie Fraktionschef Filippo Lombardi und der Zuger
Nationalrat Gerhard Pfister haben ihr bereits vor den Wahlen die
Unterstützung entzogen. Eine Umfrage der «Neuen Luzerner Zeitung» von letzter Woche ergab, dass mindestens neun Mitglieder der
CVP-Fraktion Widmer-Schlumpf nicht mehr wählen wollen, darunter die
beiden Tessiner Marco Romano und Fabio Regazzi.
Am 9. Dezember wird
auch ein neuer Bundeskanzler gewählt. Die CVP erhebt als bislang
einzige Partei Anspruch auf das Amt des «achten Bundesrats», sie
hat Walter Thurnherr nominiert, den Generalsekretär im Departement
Uvek. Die SVP ist an diesem Job nicht interessiert, und die FDP wäre
in der Landesregierung übervertreten. Ein «Kuhhandel» liegt auf
der Hand: Die CVP wählt einen zweiten SVP-Bundesrat und erhält
dafür den Bundeskanzler. Falls sie Widmer-Schlumpf beisteht, könnte es zu einer Retourkutsche der Rechtsbürgerlichen
kommen.
Sollte es zu einer
Mitte-Allianz kommen, wäre die FDP das schwächste Glied in der
Bundesratskette. Gemäss der «NZZ am Sonntag» existieren
Planspiele für einen Angriff auf einen FDP-Sitz, nicht am 9. Dezember, sondern beim nächsten Rücktritt eines freisinnigen
Bundesrats. Dies lässt darauf schliessen, dass man sich beim Treffen
vom letzten Mittwoch in diesem Punkt angenähert hat. Darbellay allerdings betonte, die «tief gespaltene» Mitte müsse
dazu erst «an ihrem Profil, ihrem inneren Zusammenhalt und ihrer
Einigkeit» arbeiten.
Bis zum 9. Dezember
kann einiges geschehen. Aber die Vorzeichen für Eveline
Widmer-Schlumpf sind schlecht. Vielleicht wird sie kämpfen, nach dem
Motto «Jetzt erst recht». Trotzdem ist ein Rücktritt nochmals wahrscheinlicher geworden. Am nächsten Samstag
findet in Bern die Delegiertenversammlung der BDP statt. Es wäre
keine Überraschung, wenn sie bis dann für klare Verhältnisse
sorgen würde.