Gross war im Herbst 2022 die Sorge vor einem harten Winter. Der Ausfall der russischen Gaslieferungen nach Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine hatte eine Energiekrise in Europa zur Folge. Werner Luginbühl, der Präsident der Elektrizitätskommission (ElCom), riet der Bevölkerung in einem Interview, sich mit Brennholz und Kerzen einzudecken.
Die drohende Strommangellage machte der Politik Beine. In der Herbstsession beschloss das Parlament im Eiltempo den sogenannten Solarexpress. Er strebte einen beschleunigten Bau alpiner Solarkraftwerke zur Produktion von Winterstrom an, mit straffen Verfahren und Beiträgen an die Investitionskosten, falls die Anlage bis Ende 2025 teilweise am Netz ist.
Der Winter verging, ohne dass es zu den befürchteten Blackouts kam. Europa hatte es in Rekordzeit geschafft, sich von der Abhängigkeit von Russland zu lösen. Weshalb die Lage in der jetzigen kalten Jahreszeit wesentlich entspannter ist. Wegen der fehlenden Dringlichkeit hat auch der Solarexpress spürbar an Tempo eingebüsst. Vielmehr gab es Rückschläge.
Zuletzt scheiterte am Montag das Projekt des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich (EWZ) für ein hochalpines Gross-Solarkraftwerk in der Bündner Gemeinde Surses. Das Stimmvolk erteilte der Nandro-Solar genannten Anlage an der Gemeindeversammlung eine überaus deutliche Abfuhr. Im Vorfeld war man von einem knappen Ergebnis ausgegangen.
Das EWZ bedauerte die Ablehnung, auch weil man im Vorfeld viele Kompromisse gemacht habe. Nun werde das Projekt, mit dem Strom für rund 20’000 Haushalte erzeugt worden wäre, nicht weiterverfolgt. Es war nicht das erste Scheitern. Im letzten September hatte das Walliser Stimmvolk die kantonale Vorlage zur Umsetzung des Solarexpress abgelehnt.
Zuvor war im Wallis so etwas wie Goldgräberstimmung entstanden, ausgelöst durch das Projekt Gondosolar und vor allem die oberhalb von Grengiols geplante Mega-Anlage. Sie war vom früheren SP-Präsidenten Peter Bodenmann propagiert worden. Dann zeigte sich, dass die Anlage zu gross war, um für Bundessubventionen infrage zu kommen.
Das Projekt wurde deutlich redimensioniert. Immerhin sagte das Stimmvolk im Dezember Ja. Abgelehnt wurden hingegen zwei Axpo-Alpinanlagen auf dem Gebiet von Ilanz (GR) und das Projekt Solsarine im Saanenland (BE), obwohl die beiden Standortgemeinden dafür waren. Ein Projekt beim Mattmarkstausee im Saastal (VS) scheiterte an vier Nein-Stimmen.
Für die Ablehnung gibt es verschiedene Gründe: der fehlende Leidensdruck wegen der ausgebliebenen Stromknappheit, die Sorge um intakte Landschaften, die Umweltschützer und Touristiker antreibt, oder die Hoffnung auf eine höhere Abgeltung. Oft heisst es, das «Unterland» solle beim Solarausbau vorangehen, obwohl gerade dort zuletzt viel passiert ist.
Die Rückschläge zeigen sich in der Planung des Bundesamts für Energie (BFE). Dort sind erst sieben Photovoltaik-Grossanlagen aufgeführt, die den Kriterien des Solarexpress entsprechen. Sie haben die Hürde des Stimmvolks genommen und wurden öffentlich aufgelegt. Sechs befinden sich in Graubünden, eine weitere im Berner Oberland.
Andere dürften hinzukommen, etwa Grengiols und Gondosolar. Einsprachen von Umweltorganisationen sind in diesen und anderen Fällen angekündigt. Hinzu kommen diverse kleinere Projekte (für Grossanlagen hat das BFE eine Produktion von mindestens zehn Gigawattstunden pro Jahr definiert), die nicht vom Solarexpress profitieren.
Die sieben erwähnten Projekte sollen rund 140 GWh Strom pro Jahr liefern. Das ist weit weg vom Zielwert von zwei Terawattstunden (2000 GWh). Und die Zeit drängt. Um vom abgekürzten Verfahren zu profitieren, muss das Baugesuch bis zum 31.12.2025 öffentlich aufliegen. Und für Subventionen muss zu diesem Zeitpunkt schon der erste Strom fliessen.
Es erstaunt nicht, dass aus der Politik eine Verlängerung der Fristen etwa bis 2028 gefordert wird. Energieminister Albert Rösti, der als SVP-Nationalrat eine wichtige Rolle bei der Realisierung des Solarexpress gespielt hatte, bezeichnete dies gegenüber Tamedia als «falsch». Er deutete aber Flexibilität bei der Gewährung von Fördermitteln an.
Der Solarexpress ist nicht entgleist. Aber er kommt langsamer voran, als bei der Verabschiedung vor bald eineinhalb Jahren erhofft. Bald könnten jedoch weitere Projekte hinzukommen. Bereits am Mittwoch entscheidet das Walliser Dorf Albinen über den Bau einer Grossanlage am Schafberg. Auch in diesem Fall könnte es knapp werden.
Windpark: nein, macht Lärm und tötet Vögel.
Wasserkraf: nein, weil irgend ne Föhre da wächst.
Solar: nur auf Dächern unter Oltens Nebeldecke
Was ist denn die Lösung? Kerzen anzünden? Biogas? Wie wollen wir denn die Energiewende packen?
Nicht vergessen: Marie-Louis und Nino brauchen ihre Flugferien nach dem Kunsstudium. :)