Heute Dienstag reicht die Nagra beim Bundesamt für Energie das Gesuch für den Bau des Endlagers in Stadel ZH und die Brennelement-Verpackungsanlage in Würenlingen AG ein. Die Gesuche umfassen rund 30'000 Seiten. Bis im Frühling 2025 prüfen die Behörden, ob alle nötigen Unterlagen eingereicht wurden. Dann werden die Gesuche veröffentlicht.
Ja. Ein Komitee fordert, dass die Vorlage zwingend vors Volk kommt. Ein Parlamentsbeschluss reiche für einen Entscheid von einer Million Jahren Tragweite nicht aus. Bis es eine Abstimmung gibt, dürfte es aber noch Jahre dauern. Erst ab 2029 entscheiden Bundesrat und Parlament über den Standort.
Unabhängige Experten kritisieren das aus ihrer Sicht veraltete Entsorgungskonzept. Der hochradioaktive Abfall, der ohne weitere Behandlung noch Hunderttausende Jahre gefährlich bleibt, solle wegen der Umweltrisiken nicht tief im Boden vergraben werden.
Ja, die betroffenen Gemeinden in den Kantonen Zürich, Aargau, Schaffhausen sowie Deutschland sollen entschädigt werden. Aktuell laufen die Verhandlungsgespräche an, bei denen geklärt werden soll, wer wie viele Millionen Franken erhält.
Um wie viel Geld es geht, ist offen. Am Verhandlungstisch sitzen die Gemeinden, der Bund, die Kantone und auch die Kernkraftwerkbetreiber, die den grössten Teil der Abgeltungen zahlen müssen.
Tatsächlich haben die Standortgemeinden – neben Stadel ist auch Glattfelden direkt betroffen – und die ganze Region ein immenses Risiko zu tragen.
Die Gesamtkosten der Schweizer Atomkraftwerke, inklusive der sicheren Entsorgung des gefährlichsten Atommülls aus den Reaktoren, sind offen.
Zwar tätigen die AKW-Betreiber Rückstellungen in Milliardenhöhe. Ob dieses Geld reicht, ist fraglich. Sonst werden die Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Nach dem Standortentscheid war in Stadel kurzzeitig ein kleiner Immobilien-Knick zu beobachten. Vor allem Einfamilienhäuser kamen vermehrt auf dem Markt. Die Situation stabilisierte sich rasch. Immobilienexperten rechneten nach dem Standortentscheid jedoch mit einer längerfristigen Wertminderung von bis zu zehn Prozent.
Das geplante Endlager könnte in der Region angeblich auch zu einer positiven Entwicklung führen. Dies nicht nur wegen der Abgeltungen in Millionenhöhe. Für mehrere Jahre dürfte das Endlager auch die grösste Baustelle des Landes werden, mit entsprechend vielen Arbeitsplätzen.
Fast 50 Jahre suchte die Nagra erfolgos nach einem geeigneten Standort für die langfristige Entsorgung radioaktiver Abfälle. Dabei gab es zuletzt drei potenzielle Standorte: Nördlich Lägern, die Region Zürcher Weinland und die Region Jura Ost im Aargau (Bözberg). Nördlich Lägern war vorübergehend aus dem Rennen gefallen, wurde dann aber wieder als möglicher Standort ins Auge gefasst und schliesslich ausgewählt.
Der bisher angefallene Atommüll liegt derzeit noch in speziell gesicherten Behältnissen in Hallen an der Erdoberfläche – bei den Kernkraftwerken selbst und in zwei Zwischenlagern im Kanton Aargau.
Weil es derzeit keine technische Lösung gibt, um den gefährlichsten Atommüll zu entschärfen.
Atommüll entsteht bei der Stromproduktion in Atomkraftwerken, aber auch in Medizin, Forschung und Industrie. An der Erdoberfläche sollten hochradioaktive Abfälle nicht gelagert werden, weil niemand weiss, wie sich Gesellschaft und Erdoberfläche in den kommenden Jahrtausenden verändern werden, etwa was Kriege oder die Klimaerwärmung betrifft. Als sicherste Lösung gilt das Einlagern in mehreren hundert Metern Tiefe. In der Schweiz eignen sich dafür Gesteinsschichten aus Opalinuston, einem grauschwarzen Schieferton.
Eingelagert werden sollen vor allem hochradioaktive Brennelemente aus AKWs. Dazu kommen schwach- und mittelradioaktive Abfälle wie kontaminierte Schutzkleidung, Rohre und Isolationsmaterial der AKW, sowie Abfälle aus Forschung, Medizin und Industrie. Der Bund rechnet damit, dass bis 2075 ein Volumen von rund 90'000 Kubikmetern anfällt.
Ein Tiefenlager muss die Abfälle für Zehntausende bis Hunderttausende von Jahren einschliessen, bis sie zur Unschädlichkeit zerfallen. Plutonium-239 beispielsweise, das auch für den Bau von Atomwaffen genutzt wird, braucht mehr als 24'000 Jahre, bis die Hälfte der Atomkerne zerfallen ist (Halbwertszeit).
Eine schnellere Lösung strebt das Schweizer Unternehmen Transmutex an. Durch Transmutation sollen die hoch radioaktiven, langlebigen Substanzen zu Substanzen geringerer Radioaktivität und kürzerer Lebensdauer (Halbwertszeit) umgewandelt werden. Gemäss den Verantwortlichen könnte in weniger als 20 Jahren die entsprechende Technologie verfügbar sein. Eine Pilotanlage ist im Atomstrom-Land Frankreich geplant.
Di Gemeinde selbst hat nüchtern und gefasst reagiert. Man wolle die Interessen der Gemeinde im demokratischen Prozess wahren und die Bevölkerung aktiv und kontinuierlich miteinbeziehen.
Gerade für Stadel als Standortgemeinde werde dieser Entscheidfindungsprozess sehr anspruchsvoll, teilte die Gemeinde am Dienstag mit. Mit der Einreichung des Rahmenbewilligungsgesuchs zur Errichtung eines geologischen Tiefenlagers für radioaktive Abfälle erlebe die Schweiz eine Premiere.
Dieter Schaltegger, Gemeindepräsident von Stadel, sagte dazu: «Stadel ist eine sehr kleine, ländliche Gemeinde. Wir sind es, die das Tiefenlager zu dulden haben.» Zum Glück habe man aber früh erkannt, dass ein solches Vorhaben grundsätzlich eine Überforderung darstelle für ein so kleines Dorf und einen Gemeinderat ohne zusätzliche Mittel.
Der Gemeinderat von Stadel habe sich deshalb vorbereitet und stelle seit Anfang 2024 sicher, dass die Bevölkerung zeitgerecht und transparent informiert werde, sei es über Veranstaltungen oder die zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle. So könnten die Einwohnerinnen und Einwohner besser nachvollziehen, warum ihre Wohngemeinde in den nächsten Jahren im nationalen Fokus stehen werde.
(sda)
WIE bitte, nur "den grössten Teil"?
Ich bin sprachlos.
Die Milliarden für den Bau, Unterhalt und Entsorgung sollten in die nachhaltige Förderung von regenerativen Energien investiert werden.
Wir könnten damit die Energieherstellung als auch die Speicherung ujd Verteilung zum Ausgleich der witterungsbedingten Schwankungen bis in 10 Jahren optimiert haben.
Aber das würde ua bedeuten, die Lobbyisten gingen leer aus.