Schweiz
Energie

Naturschützer von Albert Röstis Wasserkraftplänen überrumpelt

«Powerplay von Rösti ist der falsche Weg»: Naturschützer von Wasserkraftplänen überrumpelt

Energieminister Albert Rösti bringt umstrittene Stauseeprojekte neu ins Spiel. WWF und Grüne reagieren mit Kritik – und schlagen vor: Notfalls soll der Bund den Geldbeutel öffnen.
30.09.2025, 10:0230.09.2025, 10:07
Julian Spörri / ch media

Stauseen sind die Lebensversicherung der Schweiz: Fast 60 Prozent des produzierten Stroms stammt aus der Wasserkraft. Diesen Anteil weiter zu steigern, ist jedoch alles andere als einfach. Von den angepeilten, zusätzlichen 2 Terawattstunden Strom bis 2040 könne nur rund die Hälfte realisiert werden, sagte Energieminister Albert Rösti im Interview mit der «Schweiz am Wochenende». Grund dafür seien nicht Einsprachen, sondern «technische und wirtschaftliche Hürden».

Für Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone sind solche Aussagen ungewohnt: «Sonst wird immer das Narrativ bemüht, dass Naturschützerinnen und Naturschützer schuld am stockenden Ausbau seien.» Nun liegt der schwarze Peter bei den Stromunternehmen.

Darüber freuen mag sich Mazzone nicht. Sie befürchtet, dass der Naturschutz nun unter die Räder kommt. Hintergrund ist eine Liste von Wasserkraftprojekten. 2021 wählte der runde Tisch Wasserkraft von 33 Projekten deren 15 mit einem guten Verhältnis zwischen Naturverträglichkeit und Stromproduktion aus. Eines kam später in der parlamentarischen Beratung dazu. Die Liste soll nun mit neuen Vorhaben ergänzt werden. So will Bundesrat Rösti das Ausbauziel doch noch erreichen. In seinem Fokus stehen Projekte, die es 2021 nicht auf die 15er-Liste schafften. Anders gesagt: Vorhaben mit schlechterer Umweltbilanz.

Eines von 16 prioritären Wasserkraftprojekten: Die Erhöhung des Damms auf der Göscheneralp – doch das Projekt ist laut Axpo «wirtschaftlich äusserst herausfordernd».
Eines von 16 prioritären Wasserkraftprojekten: Die Erhöhung des Damms auf der Göscheneralp – doch das Projekt ist laut Axpo «wirtschaftlich äusserst herausfordernd».Bild: Alessandro Della Bella/Keystone

Finanzielle Unterstützung als Ausweg

Pro Natura und WWF waren mit Bund, Kantonen und der Stromwirtschaft Teil des runden Tischs. Die Naturschutzorganisationen hielten sich an den Kompromiss, bei den ausgewählten Wasserkraftwerkprojekten keine Beschwerden einzulegen. Über die Ankündigung von Albert Rösti zeigen sie sich «überrascht». Umso mehr, als das Stromgesetz erst Anfang Jahr in Kraft trat. Es wurde vom Stimmvolk letzten Sommer angenommen und führt im Anhang die 16 Wasserkraftwerke namentlich auf.

«Die Halbwertszeit dieses Gesetzes wirkt irritierend kurz», sagt WWF-Sprecher Jonas Schmid. Für die Naturschutzorganisation sei klar, dass nicht einfach andere Projekte bevorzugt werden dürften, nur weil die ausgewählten weniger Gewinn versprächen oder weil es bei den Konzessionen zwischen Betreibern und Kantonen hapere.

Tatsächlich dürften widerständige Standortgemeinden und gesunkene Wirtschaftlichkeit zu einem Teil erklären, weshalb Projekte ins Stocken gerieten – wie jenes am Bündner Marmorera-Stausee. Die Stromkonzerne kommunizieren zuhanden der Öffentlichkeit jedoch zurückhaltend.

Lisa Mazzone wirft Bundesrat Albert Rösti mangelnde Transparenz vor. «Das Stimmvolk hat das Recht, zu wissen, welche Projekte nicht realisiert werden und wieso», sagt die Grünen-Präsidentin.

«Sollten tatsächlich finanzielle Überlegungen der Stromkonzerne für das Aufschieben von Projekten ausschlaggebend sein, könnten wir Fördermittel ins Auge fassen.»
Lisa Mazzone
Lisa Mazzone, presidente des Vert-e-s Suisse, parle lors de l'assemblee des delegues du parti ecologiste Suisse, "Les Vert-e-s" ce samedi, 25 janvier 2025 a Peseux, Neuchatel. (KEYSTONE ...
Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone.Bild: keystone

Auch der WWF und Pro Natura zeigen sich offen für eine gezielte finanzielle Unterstützung, sofern sich einige Projekte als wirtschaftlich nicht tragfähig erweisen.

Absichtserklärung wirft Fragen auf

Gleichzeitig pochen die Naturschutzorganisationen darauf, dass der runde Tisch wieder einberufen wird – so wie es die Absichtserklärung vorsieht. Darin heisst es: Wenn Projekte nicht realisiert werden können, trifft sich der runde Tisch erneut, «um die Frage der Notwendigkeit zusätzlicher Wasserkraftprojekte zu beurteilen und allenfalls weitere Projekte zu empfehlen».

Das Dokument hat rechtlich keine bindende Wirkung. Und unterzeichnet wurde es im Namen des Bundesrates noch von der früheren Energieministerin Simonetta Sommaruga – nicht von Albert Rösti. Dieser setzte seine Unterschrift damals als Präsident des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands.

Jetzt will der SVP-Bundesrat darauf verzichten, die Akteure an den runden Tisch zu bestellen. Vielmehr beabsichtigt er, die interessierten Kreise im Rahmen einer Vernehmlassung zu seinen Vorschlägen für neue Wasserkraftwerkprojekte anzuhören.

Lisa Mazzone sieht darin einen «Vertrauensbruch». «Das Powerplay von Albert Rösti ist der falsche Weg: Dass die Umweltverbände vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ist etwas ganz anderes, als wenn sie im Rahmen des runden Tischs aktiv mitdiskutieren können.» Jonas Schmid vom WWF ergänzt: «Weitere Projekte einfach ins Gesetz zu schreiben, entspricht nicht unserem Verständnis der Abmachung – und auch nicht dem Geist der konstruktiven Zusammenarbeit am runden Tisch.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Längste Staumauer der Schweiz in Linthal GL eingeweiht
1 / 11
Längste Staumauer der Schweiz in Linthal GL eingeweiht
Blick von einer Drohne auf die Staumauer Muttsee während der Segnungszeremonie anlässlich der Einsegnung der Staumauer Muttsee des Pumpspeicherwerks Limmern der Axpo am Freitag, 9. September 2016, in Linthal.
quelle: axpo
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Bundesrat Albert Rösti: «Ich habe nicht erwartet, dass Trump einen Zollstreit entfacht»
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
40 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
40
SVP laut Umfrage auf über 30 Prozent – nun spricht Blocher vom 3. Sitz im Bundesrat
Was Exponenten der SVP intern schon seit einiger Zeit erörtern, darüber redet Parteivater Christoph Blocher nun offen.
Wären am Sonntag nationale Wahlen, würde die SVP einen Anteil von 30,4 Prozent erreichen. Das ist das Resultat des neuen Wahlbarometers der SRG. Die Volkspartei gewänne damit 2,5 Wählerprozente hinzu verglichen mit den Wahlen von 2023.
Zur Story