Schweiz
EU

SVP zur Schutzklausel: «Es kann nicht sein, dass wir uns von der EU Lösungen diktieren lassen»

SVP zur Schutzklausel: «Es kann nicht sein, dass wir uns von der EU Lösungen diktieren lassen»

04.03.2016, 17:2204.03.2016, 17:56
Mehr «Schweiz»

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Schutzklausel zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative stösst auf Kritik. Nur FDP und CVP stehen dahinter. Die SVP droht gar mit einer Initiative gegen das Personenfreizügigkeitsabkommen. Die EU kommentierte den Entscheid nicht.

Für die SVP ist es unverständlich und nicht akzeptabel, dass der Bundesrat die von ihm vorgeschlagene Idee einer Schutzklausel nicht weiter vertieft und konkretisiert. Die SVP werde sich nun im Parlament darauf konzentrieren, dass der Verfassungsartikel zur Begrenzung der Zuwanderung umgesetzt werde und damit Höchstzahlen, Kontingente, der Inländervorrang, die Einschränkung des Familiennachzugs sowie des Zugangs zu den Sozialwerken darin festgeschrieben würden.

Eine «einvernehmliche Lösung» mit der EU wäre zwar sicher zu begrüssen, klinge aber für ihn etwas eigenartig, sagte SVP-Präsident Toni Brunner. «Es kann nicht sein, dass wir uns von der EU eine Lösung diktieren lassen. Das würde ja bedeuten, dass die EU faktisch ein Veto-Recht hätte gegenüber innenpolitischen Lösungen», sagte er. Auch deshalb behält die Partei die angedrohte Initiative gegen die Personenfreizügigkeit im Köcher.

Toni Brunner kündigte Widerstand an.
Toni Brunner kündigte Widerstand an.
Bild: KEYSTONE

SP: Lösung nur mit der EU

Die SP lehnt die einseitige Schutzklausel ab, weil damit aus ihrer Sicht die gesamten bilateralen Beziehungen und der Wohlstand der Schweiz aufs Spiel gesetzt würden. Die Schutzklausel sei auch kein Ausweg aus der Sackgasse.

Roger Nordmann will mit Brüssel reden.
Roger Nordmann will mit Brüssel reden.
Bild: RUBEN SPRICH/REUTERS

«Die Schweiz kann ihr Dilemma nur mit und nicht gegen Europa lösen», sagte SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Die Zuwanderung müsse mit innenpolitischen Reformen abgefedert werden. Die Schweiz müsse ihre Löhne und Arbeitsbedingungen schützen und ihr einheimisches Potenzial besser ausschöpfen.

Für die CVP stellt Vorschlag einzige Option dar

Die CVP befürwortet demgegenüber die Schutzklausel. Jetzt könne das Parlament endlich an die Arbeit. Für die Partei sei klar, dass eine korrekt ausgestaltete Schutzklausel konform mit dem Freizügigkeitsabkommen sei, den Volkswillen umsetze und die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz berücksichtige. Der vorgeschlagene Weg sei die einzige Option.

Weiter unzufrieden ist die Partei aber mit der Ausnutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. «Man könnte beispielsweise die Frauen oder Menschen ab 50 besser in den Arbeitsmarkt integrieren», sagte CVP-Präsident Christoph Darbellay. Auch die bessere Nutzung des Arbeitspotenzials von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen durch den Abbau bürokratischer Hürden sowie die vorgeschlagenen flankierenden Massnahmen werden unterstützt.

FDP pro Klausel

Die FDP stellt sich hinter die Schutzklausel. Sie sei ein gangbarer Weg. Es sei aber völlig unverständlich, warum der Bundesrat in diesem so zentralen Dossier so lange gezögert habe. Ein Lichtblick sei, dass der Bundesrat versuche, sich mit der EU auf die Einführung einer Schutzklausel zu einigen.

Leider habe die Landesregierung den FDP-Vorschlag, wonach im Fall der Verweigerung von Integration Niederlassungsbewilligungen widerrufen und durch eine Jahresaufenthaltsbewilligung ersetzt werden könnten, ignoriert. Abgelehnt werden von der Partei zusätzliche flankierende Massnahmen.

Für die Grünliberalen hat der Fortbestand der bilateralen Verträge gegenüber einer strikten Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative klar Priorität. Eine einseitige Schutzklausel wird zurückgewiesen. Oberstes Ziel müsse eine einvernehmliche Lösung mit der EU sein. Alles andere führe zu zusätzlicher Rechtsunsicherheit und sei Gift für den Wirtschaftsstandort Schweiz.

RASA sieht eigene Initiative als Lösung

Für die Gruppe Raus aus der Sackgasse (RASA) stellt die vorgeschlagene Schutzklausel keine Lösung dar, weil sie den bilateralen Verträgen widerspreche. Die RASA fordert eine rasche Behandlung ihrer Volksinitiative, mit der der Text der Masseneinwanderungs-Initiative wieder aus der Verfassung gestrichen werden soll.

Die Neue europäische Bewegung (Nebs) äussert Bedauern darüber, dass der Bundesrat an der einseitigen Schutzklausel festhält. Diese Ankündigung des Vertragsbruchs bringe die Umsetzung nicht weiter, kompliziere jedoch unmittelbar die Beziehungen zur EU. Der Bruch mit der EU werde nicht verhindert, sondern herausgeschoben.

Die Aktion für eine unabhängige Schweiz (Auns) schreibt von einem «Buebetrickli aus dem Bundeshaus», mit dem nur eine weitere Annäherung an die EU verschleiert werden solle. Der Bundesrat begebe sich auf dünnes Eis, zumal die EU klar gemacht habe, dass die Personenfreizügigkeit nicht verhandelbar sei. Mit der vorgeschlagenen Umsetzung werde der Volkswille umgangen und der Verfassungsartikel ausgehebelt.

(sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Das könnte dich auch noch interessieren:
63 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Señor Ding Dong
04.03.2016 15:24registriert Dezember 2014
Ich glaube, viele haben eine illusorische Vorstellung der direkten Demokratie. Es war und ist noch nie der Sinn von Initiativen gewesen, dass eine demokratische Mehrheit nach Gutdünken die Verfassung ändert und unreflektiert in hochkomplexe, internationale Prozesse eingreift. Mit Annahme der Initiative beginnt ein langer Prozess, wo der Initiativtext in das existierende, bindende Rechtsgefüge eingesetzt wird. Es müssen bei jeder Initiative Kompromisse eingegangen und Kanten abgeschliffen werden. Und das ist gut so.
5315
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sapere Aude
04.03.2016 17:42registriert April 2015
Die SVP ist erstaunt, dass die Regierung eine einvernehmliche Lösung mit unserem Handelspartner anstrebt? Hat doch nichts mit sich diktieren lassen zu tun, sondern dass eine Lösung ausgehandelt wird, die beiden passt. Man hätte von Anfang an der SVP die Verhandlungen übergeben müssen, dann müsste sie jetzt erklären, weshalb die EU jetzt doch nicht verhandeln will und weshalb die Bilateralen in Gefahr sind.
459
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tepesch
04.03.2016 16:33registriert Oktober 2015
Solche Themen ziehen wieder übermässig Wutbürger in die Kommentarspalte, klingt hier schon fast wie auf 20min.
4812
Melden
Zum Kommentar
63
Blick auf aktuelle Gesundheitskosten zeigt: Krankenkassenprämien steigen 2025 wohl erneut
Kaum ist der Krankenkassenschock aus dem letzten Jahr verdaut, kommt schon die nächste Hiobsbotschaft: Auch 2025 werden die Prämien wohl wieder steigen. Das zeigt eine Gesundheitskosten-Übersicht für das laufende Jahr.

Die hohen Krankenkassenprämien machen gemäss dem neusten Sorgenbarometer den Schweizerinnen und Schweizer derzeit am meisten zu schaffen. Im letzten Jahr stiegen sie im landesweiten Durchschnitt um 8,7 Prozent auf 359 Franken pro Monat an.

Zur Story