Geleitet wird die Verhandlung, die volle vier Tage von Dienstag bis Freitag dauern soll, vom Bezirksgerichtspräsidenten Daniel Aeschbach. Er wird den Ablauf bestimmen und die meisten Fragen stellen, schreibt die «Schweiz am Wochenende». Vor seiner Richterkarriere arbeitete das SVP-Mitglied auf dem kantonalen Steueramt und als Anwalt mit eigenem Büro.
Die Anklage wird von der fallführenden Staatsanwältin Barbara Loppacher vertreten. Die Juristin übernahm die Leitung der Ermittlungen als sich die Tragweite des Falles abzeichnete und gab an den vielbeachteten Pressekonferenzen Auskunft.
Thomas N. hat keine Verteidigung genannt, von der er vertreten werden möchte. Verteidigt wird er nun von der Pflichtverteidigerin Renate Senn. Senn ist Partnerin bei der Kanzlei Küng Metzler in Baden.
Die Opferseite wird von Markus Leimbacher und Roland Miotti vertreten, zwei Rechtsanwälte aus der Region, so die «Schweiz am Wochenende». Leimbacher ist für die Angehörigen von Carla, Davin und Dion S. zuständig, Miotti hält das Mandat der Familie F., deren Tochter Simona die Freundin von Dion S. war.
Befragt werden neben dem Beschuldigten auch zwei Gerichtspsychiater, die N. im Vorfeld forensisch begutachtet haben.
Die Strafantrag ist noch nicht bestimmt. Die Staatsanwaltschaft wird wohl auf lebenslange Verwahrung pochen. Ob Thomas N. verwahrt wird, hängt stark von den beiden Gutachtern ab, die seine Persönlichkeit in den letzten Monaten analysiert haben: Josef Sachs und Elmar Habermeyer. Für eine lebenslange Verwahrung bräuchte es unter anderem zwei Gutachten, die zum Schluss kommen, dass der Beschuldigte dauerhaft untherapierbar ist, schreibt die «Aargauer Zeitung».
Laut Experten halten Prognosen bis zum Tod wissenschaftlichen Kriterien zurzeit aber noch nicht stand. Das scheint auch das Bundesgericht so zu sehen. So hat es erst kürzlich die lebenslängliche Verwahrung des mehrfachen Mörders Claude Dubois widerrufen. Es hat sich bisher in allen Fällen, die es zu beurteilen hatte, gegen die lebenslange Verwahrung ausgesprochen und die Täter ordentlich verwahrt. Dabei wird im Unterschied zur lebenslänglichen Verwahrung regelmässig eine Entlassung geprüft.
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau klagt ihn unter anderem wegen mehrfachen Mordes, mehrfacher räuberischer Erpressung, mehrfacher Freiheitsberaubung, mehrfacher Nötigung, mehrfacher Pornographie, Brandstiftung an. Die Urteilsverkündung ist für Freitag vorgesehen.
Das Interesse ist riesig: Zugelassen sind 65 Journalisten, darunter auch ein watson-Reporter, und 35 Zuschauer. Eigentlich wollten 270 Leute die Verhandlung live verfolgen, wie Gerichtssprecherin Nicole Payllier mitteilte.
Aus Platzgründen wird der Prozess nun nicht im Bezirksgericht Lenzburg, sondern im Gebäude der mobilen Polizei in Schafisheim durchgeführt. Das Gericht erwog, die Verhandlung per Video in einen Saal zu übertragen. Die Idee wurde aber verworfen, weil der Sicherheitsaufwand zu gross gewesen wäre. Es hätten zusätzliche Polizisten aufgeboten werden müssen, die kontrollieren, dass niemand Bild- oder Tonaufnahmen macht. Die Sicherheitsvorkehrungen bei der Verhandlung sind auch so bereits hoch, denn eine Gefahr ist, dass sich Leute am Täter persönlich rächen möchten.
Am Montag, 21. Dezember 2015, kam es in Rupperswil AG zu einem der grauenvollsten Verbrechen der Schweizer Kriminalgeschichte. Der damals 33-jährige Thomas N. aus Rupperswil ermordete in einem Einfamilienhaus eine Frau, ihre beiden Söhne sowie die Freundin des älteren Sohnes.
Der Täter hatte das Haus schon am frühen Morgen des 21. Dezembers beobachtet. Als der Lebensgefährte der später ermordeten Frau zur Arbeit fuhr, drang er unter einem Vorwand ins Haus ein. Indem er den jüngeren Sohn bedrohte, zwang er die Mutter, den älteren Sohn und seine Freundin zu fesseln und zu knebeln. Auch der jüngere Sohn wurde entsprechend gefesselt. Dann zwang er die Frau, an zwei Bancomaten Geld abzuheben.
Später fesselte er auch die Frau und den jüngeren Sohn und missbrauchte ihn. Schlussendlich tötete er die vier Gefesselten, indem er ihnen mit einem Messer die Kehle durchschnitt. Im Haus legte er mit Brandbeschleuniger Feuer und machte sich unerkannt davon. Die Opfer wurden wie das Boulevardblatt «Blick» berichtete auf verschiedenen Stockwerken in ihren Betten aufgefunden.
Bei den Opfern handelt es sich um Carla S. (48), ihre beiden Söhne Davin (13) und Dion (19) sowie dessen Freundin, Simona F. (21). Die junge Frau wohnte ebenfalls in Rupperswil und war zufällig vor Ort. Wie die «Schweiz am Wochenende» berichtet, soll der Partner von Carla S. momentan ein Buch über seine Sicht der Dinge schreiben. Es soll nach Abschluss des Prozesses erscheinen.
Thomas N. hatte keine Vorstrafen und lebte vor der Tat unauffällig. Er wuchs in Rupperswil auf und wohnte mit seiner Mutter nur wenige hundert Meter neben dem Haus seiner späteren Opfer. Laut Nachbarn ist sein Vater sei vor einigen Jahren gestorben.
N. wird als Hundefreund beschrieben, in den Medien zirkulieren zahlreiche Bilder, die ihn mit seinen zwei Huskeys zeigen. Der Beschuldigte studierte zuerst Jus, brach das Studium jedoch ab. Später bestand er den Numerus Clausus für ein Medizinstudium, schrieb sich aber nie an einer Universität ein. Er ging keiner geregelten Arbeit nach, trainierte im lokalen Fussballclub aber Junioren. Thomas N. wird in den Boulevardmedien als «Bestie» und «Killer von Rupperswil» bezeichnet.
Der Vierfachmord von Rupperswil gehört zu den schwersten Straftaten, die in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz verübt worden sind. Zur Aufklärung wurden so auch so viele Mitarbeiter wie noch nie eingesetzt. In akribischer Kleinarbeit werten die Behörden unter anderem zehntausende Handydaten aus, die am Tatmorgen in der Region Rupperswil registriert wurden. Das Verbrechen wurde auch für die ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY – ungelöst» verfilmt.
Doch erst am 12. Mai 2016, 146 Tage nach dem Verbrechen, verhafteten Polizisten in Zivil Thomas N. in einer Aarauer Starbucks-Filiale. Zuvor kursierten Gerüchte, wonach es sich um ein Bandenverbrechen handeln könnte. Vor der Verhaftung verfolgten Polizisten den Tatverdächtigen während drei Tagen. Was genau die Ermittler auf die Spur von Thomas N. brachte, ist bis jetzt unbekannt. Hier wird die Verhandlung Klarheit schaffen.
Thomas N. scheint eine weitere Tat geplant zu haben: An seinem Wohnort fanden die Ermittler einen Rucksack mit einer alten Armeepistole, Kabelbinder, Klebeband und Brandbeschleuniger.
(kün)