
Ein Model präsentiert an der Fashionweek in China ein silbernes, rückenfreies Kleid. Bild: AP
Nach Frankreich will nun auch Deutschland auf gesetzlicher Ebene gegen den Magerwahn ankämpfen. Die Schweiz hinkt hinterher. Doch auch hierzulande regt sich langsam Widerstand gegen zu dünne Models und bearbeitete Werbebilder.
18.02.2018, 15:5019.02.2018, 06:27

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«Ich habe heute leider kein Foto für dich» – ein Satz, der viele Mädchen zu Tränen rührt. Wenn sie denn gerade vor Model-Mama Heidi Klum den Laufsteg runtergeschritten sind. Derzeit läuft die 13. Staffel von «Germany’s next Topmodel» auf Pro Sieben – die Cashcow unter den deutschen Castingshows. Und wie jedesmal wird hitzig über das gezeigte Schönheitsideal diskutiert. Vor allem Jugendliche fühlen sich dadurch extrem verunsichert. Denn die Botschaft ist eindeutig: Je dünner, desto schöner.

TV-Shows wie «Germany's Next Topmodel» beeinflussen vor allem junge Frauen in ihrer Selbstwahrnehmung. In Deutschland litten 2016 rund 10'000 Frauen und Männer an Essstörungen. Bild: EPA/DPA
In die Diskussion um Magerwahn und Essstörungen schaltet sich nun auch die deutsche Politik ein. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte zum Spiegel: «Wir brauchen eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor Magersucht.» Auch CSU-Politikerin Dorothee Bär befürchtet, dass «Aufklärung allein an ihre Grenzen zu stossen scheint.»
Seit dem 1. Oktober 2017 muss in Frankreich Werbung, die digital bearbeitet wurde, gekennzeichnet sein. Zudem müssen sich Models ihren Gesundheitszustand von einem Arzt bescheinigen lassen. Sind sie zu dünn werden sie vom Laufsteg und aus der Werbung verbannt.
Gesetze auch in der Schweiz?
Und auch in der Schweiz tut sich etwas. Im Sommer 2017 sagte SP-Nationalrätin Yvonne Feri gegenüber watson, sie überlege sich, vom Bundesrat eine Prüfung von gesetzlichen Massnahmen zu fordern. Das hat Feri nun getan. In einer Interpellation und einem Postulat fordert sie den Bundesrat dazu auf, darzulegen, ob und wo es Handlungs- und Regulierungsbedarf braucht.
«Man muss auf verschiedenen Ebenen ansetzen», erklärt Feri. Nebst einer gesetzlichen Regulierung für Werbeanzeigen befürwortet die SP-Frau auch einen medizinischen Attest für Models. Zudem fordert Feri eine Meldestelle, bei der man stossende Werbung mit zu dünnen Models, zu viel nackter Haut oder stereotypisierende Darstellungen melden kann.
«Die Firmen werden sich kaum freiwillig daran halten oder Chartas umsetzen. Deren Motivation ist klar: Sie wollen ihre Produkte so gut wie möglich an Mann und Frau bringen.»
Yvonne Feri, SP-Nationalrätin
«Wir haben zwar die Lauterkeitskommission, doch diese verfügt über zu wenig Kompetenzen», erklärt Feri. Es bräuche eine Stelle, die weitreichendere Möglichkeiten hat und dadurch auch schneller reagieren und stossende Werbeanzeigen entfernen kann.
Frankreich als Vorreiter
Natürlich sei auch Aufklärung enorm wichtig, so Feri. Doch die rechtliche Ebene liesse sich kaum mehr umgehen. «Es wäre zwar schön, würde es ohne gesetzliche Regulierungen gehen, aber das ist extrem schwierig. Die Firmen werden sich kaum freiwillig daran halten oder Chartas umsetzen. Deren Motivation ist klar: Sie wollen ihre Produkte so gut wie möglich an Mann und Frau bringen.»

Werden bearbeitete Werbeanzeigen auch in der Schweiz bald als solche ausgewiesen?Bild: KEYSTONE
Auch Urs Kiener, Kinder-und Jugendpsychologe bei Pro Juventute, unterstützt gesetzliche Regulierungen. «Frankreich ist in dieser Hinsicht viel weiter als die Schweiz. Dabei wären solche Massnahmen auch bei uns extrem wichtig.»
«Fraglich, ob gesetzliche Massnahmen eine Lösung sind»
Dass man dem Magerwahn auch auf gesetzlicher Ebene den Kampf ansagt, sorgt jedoch nicht überall für Begeisterung. «Es ist fraglich, ob gesetzliche Massnahmen wirklich eine Lösung sind oder nur das Gewissen beruhigen», sagt Iris Cook-Müller von der Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen AES. Es sei wichtig, das Thema auf politischer Ebene zu diskutieren. Doch der wichtigste Ansatz seien dabei nicht Gesetze, sondern Präventions- und Beratungsangebote, so Cook-Müller.
Auch FDP-Nationalrätin Christa Markwalder äusserte sich im August 2017 gegenüber watson kritisch: «Hinter einer Krankheit wie Magersucht stecken tiefgründigere Ursachen als Photoshop-Retouchen.» Markwalder appellierte damals an die Eigenverantwortung der Unternehmen.
Ob es hierzulande tatsächlich bald Gesetze gegen den Magerwahntrend geben wird, wird sich zeigen. Der Bundesrat hat die Anfragen von Yvonne Feri noch nicht beantwortet.
Models brauchen in Frankreich eine ärztliche Bescheinigung
Video: srf
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