Eine neue radikale Tierschutzbewegung sorgt derzeit für Nervosität in der Fleischbranche. Dabei handelt es sich um so genannte Antispeziesisten. Anhänger dieser Gruppierung unterscheiden nicht zwischen einzelnen Arten von Lebewesen, sondern gewichten jedes Individuum gleich – egal, ob Mensch oder Tier. Insbesondere in Frankreich kam es zuletzt zu mehreren Anschlägen auf Metzgereien.
Doch die französischen Fleischverkäufer sind nicht allein. «Dieses Phänomen ist leider auch in der Schweiz angekommen», sagt Ruedi Hadorn, Direktor des Schweizer Fleisch-Fachverbands, der knapp 1000 Mitglieder mit rund 24'000 Mitarbeitenden in der Fleischwirtschaft vertritt. Tatsächlich ist es in den Kantonen Genf und Waadt laut Westschweizer Medienberichten in den vergangenen Monaten zu mehreren Anschlägen auf Metzgereien gekommen, sowie auf ein McDonald’s-Restaurant. Dabei wurden mehrfach Fenster mit Steinen eingeschlagen, wie zum Beispiel bei der Boucherie de Champel und der Boucherie du Molard.
Bei den Tätern handelt es sich mutmasslich um Antispeziesisten. «Ich hoffe sehr, dass die Bewegung, die hierzulande bis anhin auf die Romandie beschränkt war, nicht auch noch auf die Deutschschweiz überschwappt», sagt Hadorn. In Frankreich haben die Metzger diese Woche Alarm geschlagen: Sie seien seit Monaten im Visier von militanten Veganern, wie die Vereinigung der Metzger und Traiteure (CFBCT) in Paris verkündete. Demnach wurden Geschäfte mit falschem Blut beschmiert, und in Nordfrankreich warfen die Fleischgegner Steine in die Schaufenster einer Metzgerei und eines Restaurants.
Für Verbandspräsident Jean-François Guihard ist klar: «Die Angriffe, die die Metzgereien und die gesamte Branche erleiden, sind nicht mehr und nicht weniger als eine Art von Terrorismus», schrieb er an die Adresse von Innenminister Gérard Collomb. Der Verband verlangt Unterstützung und ein Treffen mit dem Regierungsvertreter.
Auch der Schweizer Fleisch-Fachverband fordert Massnahmen. «Wir haben in beiden Kantonen beim zuständigen kantonalen Amt schriftlich interveniert», schreibt Hadorn in der neusten Ausgabe des Branchenhefts «Fleisch und Feinkost», das heute an alle Mitglieder verschickt wird.
Sein Verband fordere von den Behörden eine harte Bestrafung der zu überführenden Täter mit einer abschreckenden Wirkung auf potenzielle Nachahmer. Der Genfer Staatsrat Pierre Maudet habe dem Verband bereits zugesichert, dass der Kanton alles Mögliche unternehmen werde, um die Urheber dieser «unsäglichen Taten» zu finden. «Es geht aber nicht nur um den Materialschaden, den die militanten Veganer verursachten, vielmehr bleibt auch eine latente Unsicherheit.»
Der Verein Vegane Gesellschaft Schweiz distanziert sich auf Anfrage von dem aggressiven Vorgehen der Täter. «Wir setzen uns für einen tierleidfreien Konsum und die pflanzenbasierte Lebensweise ein», sagt Präsident Raphael Neuburger. «Dafür verwenden wir ausschliesslich gewaltfreie Methoden und eine positive Kommunikationsweise.»
Der Verband fühlte sich allerdings erst kürzlich von den Auswüchsen der Fleisch-Werbung vor den Kopf gestossen. Denn nicht zuletzt während der Fussball-WM-Spiele gehen die Grossverteiler in die karnivore Marketing-Offensive, sei es mit den «Tsch-Tsch»-Werbespots (Coop) oder den «Grillitarier»-Plakaten (Migros), auf denen eine Männerhand ein Steak mariniert, ergänzt mit dem Satz: «Vor dem Essen eine Massage.» Vor allem letzteres Sujet empfindet die Vegane Gesellschaft Schweiz als stossend, da mit der Massage eines toten Tiers geworben wird, um die Fleischumsätze anzukurbeln.