Es ist der ganz grosse Erfolg, nach dem die Schweizer Casinos greifen. Und er könnte sogar noch grösser sein als landläufig angenommen. Oder um in der Sprache der Branche zu bleiben: Die Casinos stehen kurz davor, einen Royal Flush auf den Tisch zu legen. Zehn, Bube, Dame, König und Ass in einer Farbe. Mehr geht nicht. Am Tisch des Milliarden-Pokers sitzt nun aber zuerst das Schweizer Stimmvolk. An ihm ist es, die ausländische Konkurrenz fernzuhalten.
Am 10. Juni kommt das Geldspielgesetz an die Urne. Zentraler Punkt der Vorlage: Die Geldspiel-Seiten von Anbietern aus dem Ausland sollen nicht mehr abrufbar sein. Mit Netzsperren werden Spieler daran gehindert, auf entsprechende Angebote zuzugreifen. Nur jene Spielbanken, die in der Schweiz ein physisches Casino betreiben, können überhaupt eine Konzession für das Internet beantragen.
Der Streit um die Netzsperren dominiert den Abstimmungskampf. Die Gegner des Geldspielgesetzes warnen zum einen vor einem Präzedenzfall, vor einem grossen Schritt hin zu mehr Schranken im Internet. Zum anderen verweisen sie darauf, wie leicht Netzsperren technisch umgangen werden können. Ein paar Klicks reichen dafür.
Das wissen auch die Befürworter des Geldspielgesetzes. Deshalb hat ein Argument bei ihnen in diesen Tagen besonders viel Gewicht: Regel ist nun mal Regel. «Nur weil Netzsperren einfach zu umgehen sind, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass sie nichts taugen», gibt etwa der Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Jauslin via Twitter zu bedenken. Auch das Gurtenobligatorium könne locker ignoriert werden, und trotzdem hielten sich die Autofahrer daran. So seien die Schweizerinnen und Schweizer nun mal.
Können sich die hiesigen Casinos also auf die Rechtschaffenheit der Schweizer verlassen? Auf das integre Wesen der Casino-Spieler? Vielleicht dürfen sie auch einfach darauf zählen, dass der Staat für sie die Werbetrommel rührt. Derzeit sieht nämlich alles danach aus, dass den Spielern die Online-Angebote der hiesigen Casinos von den Behörden unter die Nase gerieben werden – mit Links zu den einschlägigen Plattformen.
Was skurril erscheinen mag und im Abstimmungskampf bisher kaum thematisiert worden ist, hat einen handfesten Hintergrund. Denn laut Gesetz haben die Netzsperren zusätzlich die Funktion einer «Informationseinrichtung». Wer eine gesperrte Adresse in seinem Browser aufruft, wird auf eine sogenannte Stopp-Seite umgeleitet.
Auf dieser erfahren Nutzer die Gründe für die Sperre. Die Einzelheiten sind noch nicht geregelt. Doch die Marschrichtung ist absehbar: Nebst einem Verweis auf die Gesetzgebung und behördlichen Informationen dürfte die Stopp-Seite auch eine Link-Liste mit den erlaubten Online-Spielen enthalten.
Zwar ist eine solche Regelung im Verordnungsentwurf, der derzeit in der Vernehmlassung ist, nicht ausdrücklich enthalten, wie Folco Galli vom zuständigen Bundesamt für Justiz (BJ) bestätigt. Der Bundesrat favorisiert allerdings eine Lösung mit Link-Liste, wie er bereits 2015 in seiner Botschaft zum Gesetz deutlich machte.
Offensichtlich wird das auch in einer Dokumentation, die das BJ im Hinblick auf die Volksabstimmung veröffentlicht hat. Es sei beabsichtigt, heisst es dort, dass die Stopp-Seite «direkte Links zu den in der Schweiz bewilligten Angeboten enthält».
Ohnehin sind es letztlich gar nicht die Bundesbehörden, die über die Stopp-Seite walten. Verantwortlich dafür sind die Eidgenössische Spielbankenkommission und die interkantonale Behörde Comlot. BJ-Informationschef Galli unterstreicht: «Die Aufsichtsbehörden werden über die genaue Ausgestaltung der Stopp-Seite entscheiden und sie laufend dem Stand der Technik und den Bedürfnissen des Publikums anpassen.»
Bei der Spielbankenkommission heisst es, man diskutiere aktuell über die Stopp-Seite. «Die Details werden erst nach dem Volksentscheid über das Geldspielgesetz feststehen», sagt Sprecherin Maria Saraceni. Unter Personen, die mit der Causa vertraut sind, gilt es jedoch als ausgemacht, dass die Umsetzung eng nach den ursprünglichen Vorstellungen des Bundesrats erfolgen dürfte.
Unabhängig davon: Welche Überlegungen stehen hinter der Absicht, die bewilligten Angebote von Schweizer Casinos zu verlinken? Das BJ verweist in diesem Zusammenhang auf den Spielerschutz. Es sei wichtig, vor «unbewilligten und unkontrollierten Angeboten» zu warnen, erklärt Galli. «Wenn Spielende schon spielen, sollen sie dies auf bewilligten und kontrollierten Seiten tun.»
Spinnt man diesen Ansatz weiter, stellt sich die Frage, ob auf der Stopp-Seite konsequenterweise nicht auch Präventionsangebote verlinkt werden müssten. Es war allein die EVP, die in der Vernehmlassung zum Gesetz diesen Vorschlag einbrachte.
Für die Partei war es unverständlich, dass «illegal angeworbene Spieler – als wäre nichts dabei – auf die eigenen, legalen Online-Spielangebote» umgelenkt werden sollen. Diese Bedenken teilen Fachleute.
Der Fachverband Sucht würde Hinweise zu Präventionsangeboten auf der Stopp-Seite «sehr begrüssen», wie dessen Generalsekretärin Petra Baumberger sagt. «Je zugänglicher solche Angebote sind, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betroffener diese nutzt.» Baumberger erinnert daran, welche Prämisse eigentlich hinter dem Geldspielgesetz steht: Es soll Schutz und Prävention auch im Internet-Zeitalter ermöglichen.