Schweiz
Gesellschaft & Politik

Wegen Nationalrats-Nein: Rechtliche Fragezeichen bei UBS-CS-Deal

Bundesraetin Karin Keller-Sutter spricht an der ausserordentlichen Session der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 12. April 2023 im Staenderat in Bern. Die ausserordentliche Session wurde einberufen ...
War das Nein des Nationalrats zu den UBS-Garantien tatsächlich nur eine Ohrfeige für Karin Keller-Sutter?Bild: keystone

Wegen Nationalrats-Nein: Rechtliche Gültigkeit von UBS-CS-Deal fraglich

Das Nein des Nationalrats zu den Milliardengarantien des Bundesrats für die UBS hatte vermeintlich keine rechtlichen Auswirkungen. Eine neue juristische Perspektive sorgt nun allerdings für Fragezeichen – der Deal steht rechtlich auf wackeligen Beinen.
16.04.2023, 06:5616.04.2023, 13:59
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Der Bundesrat berief sich auf Notrecht, als er die Übernahme der Credit Suisse einleitete – die Dringlichkeit der Situation machte ein weiteres Mal einen politischen Beschluss ohne Einbezug von Parlament oder Bevölkerung notwendig, so die Einschätzung.

Entsprechend umstritten war das Vorgehen der Landesregierung, vertreten durch Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Noch mehr, weil der Bundesrat der UBS im Zuge des Deals rund 109 Milliarden Franken an staatlichen Garantien und Liquiditätshilfe versprechen musste, um die Grossbank an Bord zu holen. Weil Notrecht zur Anwendung kam, musste sich das Parlament vergangene Woche zur ausserordentlichen Session treffen, um die Entscheidungen zu debattieren – so will es der Gesetzgeber.

Die weitverbreitete Ansicht während dieser Debatte: Sie ist rechtlich wirkungslos, da die Entscheidungen des Bundesrats so oder so gelten, weil sie via Notrecht beschlossen wurden. Entsprechend verkamen die parlamentarischen Auftritte, besonders im Nationalrat, zum Schaulaufen der Empörten und Frustierten, so die Wahrnehmung. Auch das zweifache Nein des Nationalrats zu den gesprochenen staatlichen Garantien für die UBS wurde gemeinhin als Ohrfeige an den Bundesrat, als geharnischte Kritik an Karin Keller-Sutter, betrachtet.

Dass der Entscheid doch noch Einfluss auf den Deal haben könnte, wurde kaum in Betracht gezogen – bis jetzt, denn nun sorgen einige Rechtsexperten für eine neue Perspektive auf die juristische Lage.

Wie der «SonntagsBlick» schreibt, ist die Auslegung des geltenden Rechts nämlich keineswegs so eindeutig, wie dies bisher von der Finanzkommission dargestellt wurde. Konkret geht es geht um die Paragrafen 28 und 34 im Finanzhaushaltsgesetz. Dort steht geschrieben, dass dringliche Kredite, wie im Falle der UBS/CS, auch der «nachträglichen Genehmigung» durch das Parlament bedürfen. Entscheidend ist die Auslegung des Begriffs «Genehmigung».

Achtung, jetzt wird es ein wenig technisch: Laut Bernhard Rütsche, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Luzern, würden die dringlichen Kredite ihre rechtliche Gültigkeit verlieren, wenn sie von der Bundesversammlung nicht genehmigt werden, wie er dem «SonntagsBlick» sagt. Rechtliche Verpflichtungen blieben jedoch grundsätzlich bestehen, auch wenn das Parlament keine Genehmigung erteilt.

Frage Nummer zwei ist also folgende: Bestehen diese Verpflichtungen weiterhin? Laut dem Finanzdepartement (EFD) für die 100 Milliarden Liquiditätshilfe durch die SNB definitiv. (Noch) nicht jedoch für die Verlustgarantie über neun Milliarden Franken an die UBS, dieser Vertrag ist noch nicht fixiert, auch wenn die Eckdaten in der ausgesprochenen Notverordnung bereits benannt wurden.

Für Rechtsprofessor Andreas Stöckli von der Universität Fribourg ist fraglich, ob damit bereits eine rechtliche Verpflichtung besteht, wie er gegenüber dem «SonntagsBlick» erklärt. Es sei erst verpflichtend, wenn auch dieser Vertrag unterschrieben sei – und hier komme es zur entscheidenden Frage: Darf der Bundesrat diesen Vertrag überhaupt noch absegnen, wenn das Parlament grundsätzlich nicht einverstanden ist?

Die rechtlichen Fragen des Monster-Bankendeals beschäftigen denn auch die Politik weiterhin. Besonders im Nein-Lager des Nationalratsentscheids. So fordern beispielsweise die Nationalräte Lars Guggisberg (SVP), Roger Nordmann (SP) oder Mathias Zopfi (Grüne) eine Aufarbeitung des Deals aus rechtlicher Perspektive, wie sie gegenüber dem «SonntagsBlick» sagen.

Auch die Forderung nach einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) ist erneut auf dem Tisch. Der Bankenrettungs-Deal wird die Schweiz weiter beschäftigen – neuerdings auch noch unter rechtlichen Gesichtspunkten. (con)

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55 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dr. Haggis
16.04.2023 08:40registriert August 2018
Im Gesetz steht, dass dringliche Kredite der „nachträglichen Genehmigung“ bedürfen. Das heisst, sie benötigen eine Zustimmung. Alles andere macht vom Wortlaut keinen Sinn. Wenn diese Genehmigung verweigert wird, fehlt somit die Zustimmung.

Wenn das Parlament zwingend zur Sondersession zusammen kommen muss, um über die Genehmigung zu entscheiden, dann sollte man meinen, dass diese Pflicht auch das Recht beinhaltet, über die Zustimmung zu entscheiden. Ansonsten macht es ja gar keinen Sinn, das Parlament aufzubieten.
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flausch
16.04.2023 08:42registriert Februar 2017
Huch? Könnte es evtl sein das unsere Gewählten von seite FDP und SVP etwas sehr die Bankenbrille Aufhatten/haben? Es ist ja immer einfacher gegen die "Sozialschmarotzer" zu hetzen, die IV und gleich auch noch die Sozialhilfe massiv zusammenzustreichen. Die Armen kosten uns einfach zuviel in dem sie X Milliarden zum Fenster rausschmeissen, während dem den Banken unbedingt freie Hand gewährt werden muss damit sie unseren Wohlstand sichern können. Oder etwa nicht?
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Typu
16.04.2023 08:38registriert Oktober 2015
Die CS hats kriminell gewirtschaftet, über Jahre. Die Politik und der Regulator haben keine Gegenmassnahmen durchgesetzt. Die Blöden sind die Bürger. Was für ein Schmierentheater und so typisch für die Schweiz.
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