Die Szene erhitzte die Gemüter: Der Basler Grossratspräsident Remo Gallacchi warf am Mittwochnachmittag die grüne Grossrätin Lea Steinle aus dem Saal. Steinle kam kurz zuvor mit ihrem Kind im Tragtuch in den Saal, um abzustimmen.
Im Grossen Rat sorgte Steinles Saalverweis für tumultartige Szenen. SP-Grossrätin Danielle Kaufmann stellt einen Ordnungsantrag: «Es kann nicht sein, dass ein gewähltes Mitglied nicht im Saal sein darf, weil sie ein Kind hat, das gestillt werden muss», sagt sie aufgebracht. «Wir Parlamentarier sind hier im Saal grundsätzlich unter uns», verteidigte Gallacchi seine Reaktion.
Für Irène Kälin, Grüne Nationalrätin, ist der Entscheid symptomatisch für die noch immer von Männern dominierte Schweizer Politik. «Die Reaktion von Gallacchi war unglaublich. Das Kind hat überhaupt nicht gestört. Offenbar hat man einfach immer noch ein Problem mit jungen und stillenden Müttern.» Kälin ist selbst Mutter eines fünf Monate alten Buben. Im September nahm sie ihren Sohn mit ins Bundeshaus und stillte ihn. Dafür erntete auch sie Kritik.
Dass Frauen mit kleinen Kindern genauso das Recht haben, am politischen Prozess teilzuhaben, sei hierzulande noch nicht angekommen, so Kälin. «In der Schweiz fehlt es an Akzeptanz und Entlastungsangeboten für junge Mütter. Andere Länder sind da schon viel weiter.»
Jacinda Ardern, Primer Ministra de Nueva Zelanda, hace historia en Asamblea General de la ONU al llevar a su hijo de meses con ella a Nueva York y con su marido, quien se encarga de cuidarlo mientras ella no puede. Todo un mensaje ante esa plataforma global. pic.twitter.com/8U9Wvqx27Z
— Juan Torres (@jualtorres) 25. September 2018
Die Grüne Nationalrätin nennt das Beispiel Australien: Seit Mai 2017 ist es australischen Politikerinnen erlaubt, im Parlament zu Stillen. Und auch an der UN-Generalversammlung in New York war der Umgang mit Kleinkindern wesentlich entspannter als in Basel. Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hatte ihre kleine Tochter bei einer Rede zu Ehren von Nelson Mandela mit dabei. Anstatt böse Blicke erntete Ardern nur positive Stimmen und sorgte für eine Auflockerung in New York.
«Nur in der Schweiz tun wir uns unglaublich schwer damit», kritisiert Kälin. Sie wünscht sich, dass junge Mütter in Zukunft noch besser unterstütz werden – auch in der Politik. «Es ist wichtig, dass auch Mütter mit kleinen Kindern Politik machen können, auch wenn es nicht ganz einfach ist.» Die Nationalrätin schlägt eine Stellvertreterlösung vor. «So könnte man die ersten Monate Zuhause bleiben, ohne dass man seinem politischen Auftrag nicht nachkommt.»