Zum Auftakt des Tamil-Tigers-Prozesses vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona haben die Anwälte der 13 Angeklagten am Montag eine grosse Zahl von Anträgen gestellt. Diese zielen darauf ab, die Anklageschrift an die Bundesanwaltschaft zurückzuweisen.
Würde man Seite an Seite des gesamten Anklagedossiers aneinanderreihen, ergäbe die Papierschlange eine Länge von 3250 Kilometern. Dieses Bild zeichnete der Zürcher Anwalt Marcel Bosonnet, der Verteidiger des Hauptverantwortlichen des World Tamil Coordination Comitee (WTCC). Es sei unmöglich, einen Gesamtüberblick zu haben.
Mehrere Verteidiger beantragten, nicht auf die Anklage einzutreten und die Sache an die Bundesanwaltschaft (BA) zurückzuweisen. Insbesondere, weil gegen den Hauptangeklagten auch in Sri Lanka ein Strafverfahren geführt werde. Es sei deshalb angezeigt, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, bevor in der Schweiz entschieden werde, sagte der Anwalt Olivier Peter.
Gemäss den Verteidigern begrenzt die 367 Seiten lange und zahlreiche Anhänge umfassende Anklageschrift den Sachverhalt nicht klar. Für die Angeklagten gehe daraus nicht klar hervor, was ihnen vorgeworfen werde. Damit werde eine korrekte Verteidigung verunmöglicht.
Zudem basiere die Anklage hinsichtlich der Ereignisse in Sri Lanka, der Bewegung der Tamil Tigers und deren in der Schweiz aktiven Organisation auf allgemeinen Quellen und nicht auf Untersuchungen vor Ort oder auf Informationen aus erster Hand.
Die Anwälte kritisierten zudem die Zeugenbefragungen, die hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätten und ohne Konfrontation mit den Angeklagten. Ausserdem hätten zahlreiche der Zeugen ausgesagt, dass sie sich von der LTTE nicht bedroht gefühlt hätten.
Hinsichtlich der Zeugenbefragungen rügten die Anwälte weiter, dass die Anklagebehörde in Sri Lanka Befragungen durchgeführt habe, welchen sie aus der Ferne nur über Videoübertragung hätten folgen können.
Die Staatsanwältin des Bundes, Juliette Noto, taxierte diese Einwendungen als verspätet und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Sie seien erst jetzt, eineinhalb Jahre nach Einreichung der Anklage beim Gericht, erhoben worden. Zudem seien den Verteidigern alle Dokumente zur Verfügung gestanden.
Die Verteidigung setze einmal mehr auf den Vorwurf des politischen Verfahrens und auf die Moral, ergänzte Juliette Noto. Sie erinnerte daran, dass Gewaltverbrechen oder terroristische Taten nicht gleichzustellen seien mit politische Aktionen. Ebenso verhalte es sich mit Wirtschaftsdelikten.
Im Verlauf des ersten Prozesstages versammelten sich unweit des Bundesstrafgerichts rund 150 Tamilen. Sie waren aus Zürich, Bern und Solothurn angereist und protestierten gegen den Prozess.
Die Demonstranten führten Fahnen mit dem Emblem der Tamil Tigers mit - ein gelber Tiger auf rotem Hintergrund. Auch trugen sie Fotos von Kämpfern mit sich und skandierten, dass sie die Aktivisten ihres Heimatlandes unterstützten.
Die Angeklagten sollen von in die Schweiz geflüchteten Tamilen mehr als 15 Millionen Franken eingesammelt haben, um die Tamil Tigers zu unterstützen. Die Opfer sollen vom WTCC, dazu gezwungen worden sein, Beiträge für die Finanzierung des Unabhängigkeitskrieges gegen die Singhalesen zu leisten.
Unter den Angeklagten befindet sich der Chef des WTCC, dessen Stellvertreter, der Finanzverantwortliche und zahlreiche Personen, die die Gelder eintrieben. Sie müssen sich wegen Betrugs, Falschbeurkundung, Geldwäscherei und Erpressung vor Gericht verantworten.
Die Bundesanwaltschaft geht zudem von einer Beteiligung, beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Organisation aus. Im Gegensatz zu den Terrororganisationen IS oder Al-Kaida wurden die Tamil Tigers in der Schweiz nie als eine solche eingestuft.
Die LTTE kämpfte von 1983 bis 2009 für die Unabhängigkeit von Sri Lanka. Im Mai 2009 wurden die Tamil Tigers von der sri-lankischen Regierungstruppen endgültig besiegt. (sda)