Gianna Luzio polarisierte als Mitte-Generalsekretärin – nun winkt ihr Topstelle beim Bund
Ein beliebtes Thema unter National- und Ständeräten an der Herbstsession im Bundesparlament sind personelle Veränderungen in Ämtern und Positionen: Wer übernimmt wo welche Aufgabe? Wer tritt bald ab?
Seit einigen Tagen macht ein Gerücht die Runde, das manche für abwegig halten. Medienminister Albert Rösti (SVP) habe entschieden, wer bald das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) führe. Er übertrage die Funktion der derzeitigen Generalsekretärin der Mitte-Partei.
Recherchen ergeben: Das Gerücht ist nicht aus der Luft gegriffen. Gianna Luzio ist im Auswahlverfahren zur Favoritin für die Direktion des Bundesamtes aufgestiegen. Bereits Ende September könnte der Bundesrat Luzio zur Amtschefin ernennen.
Für ein Medienunternehmen war sie nie tätig
Warum erstaunt die mögliche Berufung einige Politiker? Es sind zwei Punkte, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier für bemerkenswert halten: Das Bundesamt für Kommunikation ist nach eigenen Angaben das «Kompetenzzentrum des Bundes für Medien und Telekommunikation» sowie ein «wichtiger Akteur im Bereich der Digitalisierung». Für einen Medienbetrieb hat Gianna Luzio aber bisher nicht gearbeitet.
Die 45-jährige Bündnerin studierte Geografie und Volkswirtschaft und startete eine Laufbahn in der Bundesverwaltung. Sie war unter anderem wissenschaftliche Mitarbeiterin der eidgenössischen Finanzkontrolle und Fachreferentin für Finanz-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik im Innendepartement.
Als Generalsekretärin der Mitte ab 2018 setzte sie sich dann auch mit dem Mediendossier auseinander – zum Beispiel mit der SRG. Die Partei fiel verschiedentlich damit auf, dass sie in den Wahlkämpfen aktiv in den sozialen Medien war und neue Instrumente ausprobierte. Als Generalsekretärin stand Luzio in stetem Kontakt zu Journalistinnen und Journalisten. Darum kann man sie aber nicht als Medienexpertin bezeichnen.
Der zweite Grund, warum die Personalie für Aufsehen sorgt: Luzio und Parteipräsident Gerhard Pfister führten die Mitte erfolgreich – in der Parteizentrale kam es jedoch zu Turbulenzen. Luzios Führungsstil wurde von Mitarbeitern als ruppig beschrieben; die Generalsekretärin verbreite ein Klima der Angst, sagten sie. Die Fluktuation auf der Geschäftsstelle war anhaltend hoch. Die Mitte-Fraktion beschäftigte sich mehrmals mit diesem Problem.
Gerhard Pfister stellte sich hinter Luzio. Es seien partei- und fraktionsinterne Machtkämpfe zulasten der Mitarbeitenden ausgetragen worden, meinte er. Luzio selber hielt fest, dass ihre Reformen und die Professionalisierung des Generalsekretariats teilweise auf Widerstand gestossen seien.
Branchenfremd, als Führungsperson mehrmals in der Kritik – warum ist Bundesrat Rösti trotzdem überzeugt von der Kandidatur Luzios? Im Departement hört man: Es hätten sich mehrere Mitarbeiter des Bundesamts für Kommunikation für die Spitzenposition beworben. Rösti bevorzuge aber externe Anwärter mit einem klar bürgerlichen Profil. Er wolle auf einen Kandidaten setzen, der durchsetzungsstark sei und keinen Konflikt scheue.
Das Bakom ist die Aufsichtsbehörde der SRG. Unter der Führung von Bernard Maissen wirkte das Bundesamt aber eher wie ein Begleitorgan. Das zeigte sich, als das Bakom ein Aufsichtsverfahren gegen die SRG führte. Das Bundesamt machte sich die Ausflüchte des Rundfunks zu eigen – und blieb ausgesprochen zahm.
Albert Rösti will das ändern. Das Bakom soll die SRG beaufsichtigen, statt ihr zur Seite zu stehen. Die Frage ist nun, ob Gianna Luzio dafür die richtige Person ist. Luzio ist Rätoromanin. Rätoromanen wie Mitte-Nationalrat Martin Candinas verteidigen die SRG instinktiv, weil sie wissen, wie die SRG zum Erhalt ihrer Sprache und Kultur beiträgt.
Sucht Luzio die Konfrontation mit einem Parteikollegen?
Ausserdem zeichnet sich eine delikate Konstellation ab: Luzio gehört der Mitte an. Auch der Präsident der SRG ist Mitglied der Mitte.
Wird Luzio die Konfrontation mit Jean-Michel Cina suchen, wenn es ihr geboten scheint? Beobachter weisen darauf hin: Gianna Luzio habe eng mit Gerhard Pfister zusammengearbeitet. Der habe die SRG mehrmals scharf kritisiert und dabei den SRG-Präsidenten nicht geschont.
Pfisters Attacken auf den Rundfunk wurden medial beachtet – die Haltung der Mitte zur SRG blieb davon jedoch unberührt. Martin Candinas gibt im Mediendossier den Ton an. Und Gerhard Pfister ist als SRG-Kritiker verstummt, seit er regelmässig im «Literaturclub» des Schweizer Fernsehens auftreten darf.
In Bundesbern hatten einige erwartet, dass Gianna Luzio nach ihrem Ausscheiden aus dem Generalsekretariat der Partei eine Funktion im Departement von Mitte-Bundesrat Martin Pfister übernehmen werde. Dazu kommt es aber nicht. Es ist SVP-Bundesrat Albert Rösti, der sie verpflichten will. Wie man hört, läuft bereits die Personen-Sicherheitsprüfung.
Dabei klärt eine Fachstelle der Bundeskanzlei ab, ob bei einem Anwärter Leichen im Keller zu finden sind. Meistens ist die Prüfung eine Formalität. Gianna Luzio scheint auf der Zielgeraden. Eine Anfrage von CH Media beantwortete sie nicht. (aargauerzeitung.ch)
