Die Sache wird eng, die Nerven liegen blank im Abstimmungskampf um die Altersvorsorge 2020. In den Endspurt mischte sich gestern auf eher unübliche Weise die nationalrätliche Finanzkommission ein, die ja eigentlich inhaltlich mit der Rentenfrage wenig am Hut hat. Die SVP und in ihrem Schlepptau die FDP setzten laut Informationen der «Nordwestschweiz» mit 13 gegen 11 Stimmen einen Ordnungsantrag von Thomas Aeschi (SVP, Zug) durch. Der Antrag verlangt: Jürg Brechbühl, Direktor des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV), muss vor der Kommission antraben und sich erklären.
SVP und FDP verfügen mit 13 Stimmen über die Mehrheit in der Kommission, sie konnten den Marschbefehl daher gegen den Widerstand der Mitte-Links-Parteien durchsetzen.
Der Vorwurf, der dem Chefbeamten von Innenminister Alain Berset (SP) und seinen Leuten von den Reformgegnern aus SVP und FDP gemacht wird: «Behördenpropaganda». Will heissen: Die Verwaltung ist nach dem Gusto der Reformgegner zu aktiv in Sachen Information über die Abstimmungsvorlage. Brechbühl, als seriöser und kompetenter Schaffer bekannt, hielt mehrmals Vorträge vor Verbänden und Parteisektionen und gab Interviews zum Reformprojekt.
Bereits heute, so heisst es, muss sich der Chefbeamte ins Bundeshaus bewegen, wo die Finanzkommission derzeit tagt. «Es kann nicht sein, dass ein Bundesrat seine Chefbeamten während ihrer Arbeitszeit auf Kampagne schickt», liess sich der Zuger Aeschi kürzlich von der «Zentralschweiz am Wochenende» zitieren. Aeschi wolle sogar das Budget des BSV kürzen, da es dort offenbar zu viele Ressourcen gebe.
Auf Anfrage wollte Aeschi seinen Ordnungsantrag gestern nicht als Einschüchterungsaktion verstanden wissen. Ihm sei aufgefallen, dass es bei der USR-III-Abstimmung nur gerade einen Auftritt von Steuerdirektor Adrian Hug gab. «Sonst trat kein EFD-Beamter auf.»
Schon bei der Energieabstimmung, aber jetzt vor allem bei der Rentenabstimmung schössen diese Auftritte von Verwaltungsexponenten ins Kraut. «Mindestens 20 Auftritte von BSV-Direktor Brechbühl und seinen Leuten» hat Aeschi gezählt. Daher wolle er jetzt den betroffenen Chefbeamten Brechbühl anhören, um die Zahl der Auftritte zu klären und die Motivation dahinter.
Denn ein Problem sei: Das Gesetz über die politischen Rechte sei nicht eindeutig, stehe doch dort, dass «der Bundesrat die Stimmberechtigten» über die Abstimmungsvorlagen informiere. «Ist die Verwaltung damit mit gemeint?», fragt Aeschi. Allenfalls müsse das Gesetz so präzisiert werden, dass nur der Bundesrat zu informieren habe.
Für Kritiker des Vorgehens Aeschis und seiner Mehrheit ist die demonstrative Vorladung Brechbühls eine Instrumentalisierung der Finanzkommission als Abstimmungsvehikel. Im Gremium selbst wurde gestern denn auch an die Gripen-Abstimmung erinnert, die Ueli Maurer (SVP) führte. Auf allen Kanälen wurden damals auch Armeechef André Blattmann und seine mitbesoldete VBS-Entourage aktiv, um für ein Ja zum Kampfjet zu werben.
SP-Präsident Christian Levrat ortet ein durchsichtiges Manöver: «Es ist die Aufgabe der Verwaltung, die Fakten zu erklären. Wenn ich die Lügenkampagne der Gegner sehe, verstehe ich, warum sie die Auftritte der fachkundigen Personen zu verhindern versuchen.» (aargauerzeitung.ch)