Hans Wicki sagt es mit einem verschwörerischen Unterton. «Das Rennen ist noch lang. Es gibt noch viele Hürden zu meistern, überall kann man stolpern.» Stolpern müsste vor allem Karin Keller-Sutter, will Hans Wicki eine reelle Chance auf das Bundesratsamt haben. Denn die Ostschweizerin gilt als Kronfavoritin für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann. An ihrer Wahl zweifelt kaum jemand.
«Ob ich am Tag der Bundesratswahl immer noch in der zweiten Reihe stehe, werden wir sehen», sagt Wicki. Er will gewählt werden, weil seine Fähigkeiten genau dem Jobprofil eines Bundesrates entsprechen, wie der Nidwaldner gerne betont. Weil er mit seiner Wirtschafts-, Führungs- und Exekutiverfahrung genau der richtige Mann sei, selbst wenn der Ruf nach drei Frauen im Bundesrat laut ist. «Wenn jemand so viel mitbringt wie ich, kann man das nicht als Alibikandidatur abtun.»
Hans Wickis Karriere begann als Tellerwäscher, im wahrsten Sinne des Wortes. Seine Eltern führten im Nidwaldner Ort Hergiswil, am Fusse des Pilatus am Vierwaldstättersee gelegen, das Hotel Engel. Hans Wicki musste im Familienbetrieb schon früh mit anpacken, beim Abwasch in der Küche, im Service und bei der Gästebetreuung. «Da habe ich gelernt, woher das Geld kommt, habe erlebt, wie einem die Füsse schmerzen nach zehn Stunden im Service», erzählt Wicki.
Am Stammtisch, aber auch beim gemeinsamen Essen mit dem Personal, schnappte Wicki die ersten politischen Diskussionen auf. Zur FDP kam er dann eher zufällig. Freunde nahmen ihn mit zu einer Veranstaltung der Partei. Wicki merkte, «dass da alles Menschen sind, die gleich ticken wie ich. Ich habe einfach gemerkt, ich bin am richtigen Ort.»
Wicki politisiert auf Parteilinie und ähnlich wie seine Konkurrentin Karin Keller-Sutter. Er setzt sich ein für eine liberale Wirtschaftspolitik und für eine offene Aussenpolitik. Ausbauten im Sozialwesen oder im Umweltschutz haben es hingegen schwer bei ihm.
Der 54-jährige Ökonom war von 2003 bis 2010 Geschäftsführer der Pfisterer-Gesellschaften in der Schweiz und in Südafrika. Danach übernahm er bis 2016 das Verwaltungsratspräsidium des Elektronikherstellers in der Schweiz.
Politisch aktiv wurde Wicki vorerst als Gemeinderat, später als Gemeindepräsident in seiner Wohngemeinde Hergiswil. 2010 wurde er im ersten Wahlgang in die Nidwaldner Kantonsregierung gewählt. 2015 folgte die Wahl in den Ständerat. Es wird gemunkelt, er habe schon damals das Bundesratsamt im Visier gehabt – und gleichzeitig gerätselt, warum er die drei Jahre im Ständerat nicht genutzt hat, sein Beziehungsnetz in Bern zu vergrössern, sich zu profilieren, die Französischkenntnisse zu verbessern.
Wicki gibt offen zu, dass der Start im Bundeshaus etwas harzig verlaufen ist. Im ersten Jahr als Ständerat amtete er gleichzeitig noch als Landammann in Nidwalden. Er musste jeweils fünf Minuten vor Sitzungsende davonspurten, um den Zug nach Nidwalden, zur nächsten Sitzung, nicht zu verpassen. Für ein Feierabendbier, Networking und neue Freundschaften blieb keine Zeit.
Auch der Wechsel in die Legislative fiel dem Exekutivpolitiker zu Beginn nicht einfach. Wicki sass im Ständerat erstmals auf der Parlamentarierseite. «Als Baudirektor und Gemeinderat war ich der Macher, der die Probleme anpackte», sagt Wicki. Wie man Probleme als Parlamentarier anpackt, wenn es gilt, Gesetzestexte auszutüfteln, «das musste ich erst lernen». Mittlerweile sei er aber gut vernetzt. Dass das nicht so wahrgenommen werde, habe auch damit zu tun, dass er das Rampenlicht nicht suche, lieber lösungsorientiert arbeite, statt medienwirksame Wortmeldungen abzugeben.
Wobei: Wicki ist wortgewandt, hat ein eloquentes Auftreten. Seine Mitstreiter bezeichnen ihn als führungsstark, er habe eine klare Linie. Als arrogant und belehrend kam Wicki bisweilen bei seinen politischen Gegnern im Nidwaldner Landrat an, wenn er als Regierungsrat seine Geschäfte vertrat. Doch auch sie attestieren ihm, dass er für seine Geschäfte zu kämpfen wusste, zielstrebig, oft auch etwas ungeduldig. «Als Unternehmer war ich es gewohnt, Entscheide gleich umzusetzen», sagt Wicki dazu. Er habe in der Politik erst lernen müssen, Projekte langsamer anzugehen, die verschiedenen Akteure ins Boot zu holen. «Da musste ich besser werden, meine Entscheide besser kommunizieren.» Gelungen sei ihm das unter anderem beim neuen Agglomerationsprogramm für Nidwalden oder beim völlig neu konzipierten Baugesetz.
Kritik einstecken musste Wicki, als er sich 2013 – damals noch Regierungsrat – in den Verwaltungsrat der Titlis-Bahnen wählen liess. Kurz zuvor hatte der Gesamtregierungsrat einen umstrittenen Entscheid zugunsten der Titlis-Bahnen gefällt. Es ging um die Verschiebung eines Jagdbanngebietes. Wicki sieht darin bis heute «keinerlei Interessenskonflikt». Selbst Gesinnungsgenossen attestieren Wicki dafür wenig politisches Fingerspitzengefühl.
Wenig Gespür zeigte Wicki auch, als Pfisterer Schweiz im Sommer 2015 bekannt gab, dass 110 Stellen aus Malters LU und Altdorf UR nach Tschechien ausgelagert werden. Verwaltungsratspräsident Hans Wicki weilte in den Ferien, als der für die Region wichtige Entscheid kommuniziert wurde. Er habe die Ferien schon lange gebucht, rechtfertigte Wicki seine Absenz. Die Zentrale habe darauf bestanden, die Medieninformation zu diesem Zeitpunkt durchzuführen. Wicki stand als VR-Präsident anfänglich hinter den Auslagerungsplänen, weil ihm im Gegenzug hochwertige neue Arbeitsplätze in Malters versprochen worden waren. Als diese ausblieben, kündigte er sein Mandat.
Hans Wicki, das ist nicht nur der Unternehmer und Politiker, sondern auch ein ausgeprägter Familienmensch. Das merkt man im Gespräch, wenn er auf seine Eltern zu sprechen kommt, die ihn mit ihrem Arbeitsethos geprägt haben. Dass Wickis Vater nur wenige Wochen vor seiner Wahl in den Ständerat verstarb, hat ihn getroffen. Der Vater hätte sich sehr über den Karrieresprung gefreut. Neben seinen Eltern habe aber auch seine Frau Monika Wicki-Hess ihn sehr geprägt, sagt Wicki.
Er lernte sie bereits mit 18 Jahren kennen – und stand zu Beginn der Beziehung noch in ihrem Schatten, da sie auf Weltcupniveau Skirennen fuhr. Wicki berichtet stolz, wie ihm seine Tochter und sein Sohn am Familientisch bei politischen Diskussionen Paroli bieten – aber auch, wie sie ihren Kameraden mitunter Regierungsgeschäfte erklären konnten. Er erzählt, wie es ihm naheging, als aufgrund eines Entscheids zum Flugplatz in Buochs eine anonyme Morddrohung gegen ihn einging – und seine Kinder verstört miterlebten, als die Polizei das eigene Haus durchsuchte.
Viel Zeit für die Familie bliebe dem Politiker als Bundesrat nicht. Doch Wickis sind sich das gewohnt. Auch als Unternehmer und Regierungsrat war der Vater und Ehemann viel unterwegs. In seiner Zeit bei Pfisterer reiste er jahrelang für eine Woche pro Monat nach Südafrika. «Wir wissen, dass wir das schaffen und den Draht zueinander nicht verlieren», sagt Wicki. Sei er zu Hause, sei er dafür voll und ganz für seine Familie da, gehe nicht ans Handy und beantworte keine Mails. Das wolle er auch als Bundesrat so handhaben – sofern es denn klappt am 5. Dezember. (aargauerzeitung.ch)