Am Sonntag stimmen die Glarnerinnen und Glarner über ein Verhüllungsverbot ab. Auf dem Zaunplatz hämmern Bauarbeiter auf Holzbänke ein, die unter freiem Himmel aufgestellt werden. Hier versammelt sich jeweils am ersten Sonntag im Mai die Landsgemeinde, um unter freiem Himmel über die wichtigsten Themen zu bestimmen. Heute, ein paar Tage vor dem grossen Tag, wünschen sich die Leute auf der Strasse: «E gueti Landsgmeind!»
Eine Burka ist weit und breit nicht zu sehen. Warum also diese Abstimmung? Das fragt sich auch Marianne Schönbächler. Deshalb lehnt sie das Verbot ab.
Doch nicht alle sind dieser Meinung. Daniel Keller aus Näfels sagt, hier gehe es nicht um die Frage der Kleidung, sondern um die Frage der Ideologie. Er wird am Sonntag Ja stimmen.
Eine Frau im Einkaufszentrum in Näfels sagt, bei ihr gegenüber wohne eine Frau, die eine Burka trage. Manchmal sehe sie diese auf dem Balkon. Früher hätten dort Schweizer und Italiener gewohnt, heute seien es Muslime. Einmal habe sie reklamiert, weil die Musik zu laut war. Da sei sie massiv bedroht worden. Seither habe sie Angst. Auch dass in Näfels jetzt so ein «Bunker» stehe, störe sie.
Mit «Bunker» meint die Frau die Moschee der islamisch-albanischen Gemeinschaft in Netstal. Vor gut einem Jahr wurde der Neubau eröffnet. Im Glarnerland gilt die Moschee als umstritten, weil nicht offengelegt wurde, woher das Geld zur Finanzierung des Baus kam.
Im Kaffeeraum im unteren Stockwerk der Moschee sitzen vier Männer am Tisch und rauchen. Die Abstimmung am Sonntag kümmert sie wenig. «Burka? Was hat das mit uns zu tun», fragt einer. Der Präsident der islamisch-albanischen Gemeinde, Irfan Lika, versteht nicht, warum die Glarner über dieses Verbot abstimmen. «Das ergibt keinen Sinn.» Weder thematisch noch politisch. Wenn, dann bräuchte es ein nationales und nicht ein kantonales Verbot. Dass die muslimische Gemeinschaft wegen der Abstimmung unter Druck gerate, empfindet Lika nicht so. Er sagt: «Bei der Abstimmung geht es ja nicht um uns.»
Es gibt aber auch Muslime in Glarus, welche die Abstimmung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Eda sagt, für sie sei es manchmal schwierig, dass ständig über den Islam geschimpft werde.
Über die Burka-Polemik ärgert sich auch Hans Speck. Es gehe doch eigentlich darum, ob man sein Gesicht zeigen muss oder nicht. Das Verbot würde sich also auch gegen vermummte Demonstranten richten. Das findet Speck gut.
Der Glarner Landrat empfiehlt, das Verhüllungsverbot abzulehnen. Doch auch wenn es am Sonntag zu einem Nein kommt, wird das Thema nicht vom Tisch sein. Voraussichtlich müssen die Schweizer Stimmberechtigten so oder so über ein nationales Verbot der Burka befinden. Die Unterschriftensammlung der eidgenössischen Volksinitiative für ein Verhüllungsverbot läuft noch bis im September.