Die Forderung ist keinesfalls neu: Seit Jahrzehnten wollen – vor allem linke – Politiker die Höhe der Krankenkassenprämien an das Einkommen koppeln. Doch mit der angekündigten Prämienerhöhung erhält das Ansinnen eine neue Dringlichkeit. Gleich zwei gewichtige Politiker – darunter sogar einer aus der SVP – haben am Wochenende in Zeitungsinterviews die Abschaffung der sogenannten Kopfprämie gefordert.
Was bedeutet das? Heute fallen die Prämien pro Person an, deren Höhe berechnet sich unabhängig des Einkommens und unterscheidet sich lediglich nach Alter, Wohnort, Versicherer und gewähltem Versicherungsmodell. Zur Entlastung der einkommensschwachen Haushalte gewähren Bund und Kantone individuelle Prämienverbilligungen.
Dieses System bezeichnet der Verwaltungsratspräsident der Insel-Gruppe, Bernhard Pulver, gegenüber der «NZZ am Sonntag» als «unsozial». Der Grünen-Politiker will die Prämien an die Einkommen koppeln.
In die gleiche Kerbe schlägt der Berner Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg: Auch er schlägt vor, dass Gutverdienende höhere Krankenkassenprämien zahlen sollen. Das Einkommen müsse «unbedingt berücksichtigt» werden, sagt der SVP-Regierungsrat gegenüber dem «Bund». Heisst: Je grösser das Einkommen, desto höher die Krankenkassenprämien.
Diese Forderung stösst bei Lukas Engelberger (Mitte) auf Skepsis. Der Basler Regierungsrat präsidiert die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. Er bekräftigt auf Anfrage, dass er das aktuelle System nach wie vor «am überzeugendsten» finde. «Eine höhere Prämie für Gutverdienende könnte neue Fehlanreize schaffen und die Solidarität schwächen.»
Zudem dürfe man nicht vergessen, dass die Kantone schon heute «mehr als die Hälfte» der stationären Behandlungen bezahlen: «Diese öffentlichen Mittel werden über die Steuern einkommensabhängig aufgebracht», so Engelberger.
Ähnlich äussert sich der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin. Er lehnt den Vorschlag seines Partei- und Berufskollegen Schnegg «vehement» ab. Das jetzige System sei austariert: «Sowohl die öffentliche Hand als auch die Versicherten steuern ihren Teil bei.» Werde dieses System über den Haufen geworfen, würde das «einmal mehr zu einer Umverteilung von der tarifgünstigen Ostschweiz in die Westschweiz führen», befürchtet Martin.
Auch der St.Galler Regierungsrat Bruno Damann verweist darauf, dass dank der Prämienverbilligung die Prämienlast für die Versicherten schon heute abhängig vom Einkommen sei. Von der Idee, die Kopfprämie ganz abzuschaffen, hält der Mitte-Politiker wenig: «Das wäre ein schwieriges Unterfangen. Dann käme rasch die Diskussion auf, ob man nicht gleich auch das Krankenkassenobligatorium abschaffen sollte.» Diesen Vorschlag hat erst kürzlich die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) aufgebracht. Für Damman kommt das allerdings nicht in Frage.
Gleichwohl ist auch er überzeugt, dass man über neue Ansätze diskutieren müsse: «Wenn bald 30 Prozent der Bevölkerung Prämienverbilligung erhält, dann muss man sich schon fragen, ob es nicht ein effizienteres Modell gäbe.» Was es jetzt brauche, sei eine grundlegende Diskussion: «Dabei soll beispielsweise auch überdacht werden, ob wirklich alle Leistungen in der Grundversicherung notwendig sind.»
Ablehnend äusserte sich erst kürzlich auch der Bundesrat. In seiner Antwort auf einen Vorstoss von Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt schreibt er: «Das aktuelle System berücksichtigt das Einkommen bei den Prämienverbilligungen.» Damit existiere schon heute «ein sozialpolitisches Korrektiv zur Kopfprämie».
Zudem befürchtet die Landesregierung, dass einkommens- und vermögensabhängige Prämien zu «administrativem Mehraufwand» führen würden, wenn die Abstufung der Prämien nach Kantonen und Regionen beibehalten werden soll. Er erachte deshalb einen grundlegenden Systemwechsel als «nicht angezeigt». Stattdessen will der Bundesrat die Kantone im Rahmen des Gegenvorschlags zur Prämienentlastungsinitiative verpflichten, einen Mindestbeitrag an die Prämienverbilligung zu leisten.
Auch die Stimmbevölkerung hat sich bereits einmal indirekt für den Erhalt der Kopfprämie ausgesprochen. Im Mai 2003 lehnten knapp 73 Prozent die sogenannte Gesundheitsinitiative ab. Diese sah vor, die Prämien abgestuft nach Einkommen und Vermögen zu erheben und einen Teil der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung über zusätzliche Mehrwertsteuerprozente zu finanzieren. (aargauerzeitung.ch)
Anstatt immer nur Leistungsabbau und ‚Geldvermehrung‘ zu fordern, wäre es endlich Zeit, Transparenz in den Kosten zu schaffen und danach Lösungsansätze zu präsentieren.
Aber das liebe Politiker wollt ihr anscheinend nicht, denn so ein Zusatzeinkommenssteuer für Versicherungsmandate ist halt schon verführerisch …