Mit der russischen Invasion in die Ukraine ist auch die Wirtschaft des angegriffenen osteuropäischen Landes stark eingeschränkt worden. Dies bekommen auch andere Länder stark zu spüren – vor allem in Bereich der Lebensmittelversorgung. Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas und gehörte sowohl beim Weizen als auch beim Mais zu den wichtigsten Exporteuren der Welt.
Dass dieser Export nun wegfällt, könnte die Hungerkrise an vielen Orten der Welt weiter verschärfen. Gemäss Modellrechnungen der UNO dürfte die Zahl der unterernährten Menschen in diesem Jahr um acht bis 13 Millionen steigen. Besonders stark dürften Äthiopien, Südsudan, Madagaskar und Jemen betroffen sein, wo die Situation bereits vor Beginn des Kriegs prekär war.
Angesichts dieser drohenden Nahrungskrise soll nun gehandelt werden. Dies fordert Erik Fyrwald, der Chef des Agrarkonzerns Syngenta, in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Reiche Länder stünden in der Pflicht, ihre Agrarproduktion zu erhöhen, um eine weltweite Hungerkrise zu verhindern, sagt er.
Als konkrete Massnahme, um zu handeln, schlägt Fyrwald eine Abkehr vom Biolandbau vor. So habe dieser den Nachteil, dass die Erträge je nach Produkt um bis zu 50 Prozent tiefer ausfallen könnten, sagt er. «Die indirekte Folge ist, dass Menschen in Afrika hungern, weil wir immer mehr Bioprodukte essen.»
Der Biolandbau fördere den Landverbrauch, weil er grössere Flächen benötige, sagt Fyrwald. Bio schade auch dem Klima, weil die Äcker in der Regel gepflügt würden, was den CO2-Ausstoss erhöhe.
Die Leute sollen nach Ansicht von Fyrwald biologisch produzierte Produkte kaufen dürfen, wenn sie dies wollten, aber die Regierungen sollten darauf pochen, dass die Ertragsverluste nicht derart gross sind. Die EU-Landwirtschaftspolitik strebt demnach einen Bioanteil von 25 Prozent an. In der Schweiz beträgt der Marktanteil 11 Prozent.
Fyrwald plädiert für einen dritten Weg in der Landwirtschaft, also weder nur konventionell noch rein biologisch. Sein Konzept der sogenannten regenerativen Landwirtschaft übernimmt vom Biolandbau die Fruchtfolge und setzt gleichzeitig auf gezielten Pestizideinsatz und Genom-Editierung, um die Erträge zu steigern.
Dass er und Syngenta den Biolandbau aus Konzerninteressen bekämpfen, bestreitet er im Interview. «Die ganze Branche erzielt mit Bio hohe Gewinne, weil die Konsumenten bereit sind, viel dafür zu zahlen.»
Der Syngenta-Chef sieht eine grosse Gefahr für eine weltweite Ernährungskrise. Bereits vor dem Ukraine-Krieg seien die Preise für Mais, Soja und Getreide wegen Covid-19 und Wetterextremen gestiegen. Es habe eine Dürre in Südamerika und im Westen der USA gegeben, gleichzeitig sei es im Mittleren Westen kalt und nass gewesen. Zudem leide Indien unter einer Rekordhitze.
Und nun komme der Krieg in der Ukraine dazu, sagt Fyrwald. Die Ukraine ernähre 400 Millionen Menschen. Das Uno-Welternährungsprogramm decke den Bedarf von 125 Millionen Menschen, die Hälfte des Getreides komme aus der Ukraine. Dieses falle nun weg.
Von ähnlichen Problemen wie Fyrwald warnt auch Martin Keller, der Chef des Bauernkonzerns Fenaco. Auch in der Schweiz spüre man die Auswirkungen der vielen Probleme bereits. Für sie hat sich die Produktion stark verteuert, sagte er in einem Interview gegenüber der «SonntagsZeitung». Dies habe zu einem schlechten Jahr geführt: «Nach sieben Jahren in Folge, in denen sie stetig etwas mehr einnahmen, mussten sie im vergangenen Jahr erstmals einen Einnahmenrückgang verzeichnen.»
Wie Keller weiter ausführt, könnte diese Misere bald auch für die Konsumenten zu spüren sein. «Voraussichtlich wird es weitere Preiserhöhungen geben», sagt der Fenaco-Chef. Kleine Preisanpassungen seien bereits erfolgt, liegen im Schnitt aber unter der Teuerung. Betroffen von diesen bisherigen Preiserhöhungen seien aufgrund der schlechten Ernte vor allem Weizenprodukte – so wurde etwa Bier teurer. «Die Produzentenpreise stiegen, was sich jetzt auf den Ladenpreis auswirkt», erklärt Keller.
Der Berner Biobauer und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung, Kilian Baumann, bezeichnet die Argumentation von Syngenta als grotesk: Weil die Bauern immer weniger Pestizide einsetzten, kämpfe ein Agrarkonzernvertreter um seine Umsätze. Nicht der Biolandbau, sondern der Hunger auf Fleisch förderten den Landverbrauch, schreibt der Grüne Berner-Nationalrat in einem Tweet.
Auf 43 Prozent der Schweizer Ackerfläche würden Futtermittel angebaut und zusätzlich würden noch 1,2 Millionen Tonnen an Futtermitteln importiert. Um eine tierische Kalorie zu produzieren, benötigt es ein Vielfaches an Fläche gegenüber einer pflanzlichen Kalorie, so Baumann.
Bio Suisse wies in einer Stellungnahme auf Anfrage von Keystone-SDA darauf hin, dass ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel ungenutzt in den Abfall wandere. Getreide, Mais und Speiseöl würden in enormen Mengen in Treibstofftanks landen oder zu Fleisch verarbeitet, während Menschen verhungerten. «Die Fläche für eine Portion Schweineschnitzel könnte dabei fünf Portionen Bio-Soja produzieren», schreibt der Kommunikationsleiter von Bio Suisse, Lukas Inderfurth.(saw/dab/sda)
Da kann alleine mit Foodwaste Reduktion viel mehr erreicht werden als mit der Aufgabe der wenigen Bioanbaufläche. Aber ja wenn man Foodwaste vermeidet verdienen halt die Konzerne nichts daran...