Die Burda-Party – offiziell DLD-Nightcap genannt – gilt als die wichtigste Party am Davoser Forum. Das Event des deutschen Zeitschriftenkönigs Hubert Burda findet im Grandhotel Steigenberger Belvédère statt. Die Gästeliste hat es in sich: Black-Eyed-Peas-Mitglied Will.i.am soll kommen, mit ihm Ex-Yahoo-Chefin Marissa Meyer und Uber-CEO Dara Khosrowshahi.
Gegen 23 Uhr ziehen wir auf ins Luxushotel. Wir passieren eine Sicherheitskontrolle, ähnlich wie am Flughafen, und durchqueren das Hotel bis zur Lounge East. Dort werden wir angehalten, unsere Namen zu buchstabieren. Sind wir wirklich auf der Gästeliste? Wir sind ein bisschen nervös. So wie früher, als der Dorf-DJ versprochen hatte, uns auf die Gästeliste seiner Party zu setzen.
Dann tauchen wir ein ins Getümmel.
Statt wie erwartet pochende House-Rhythmen spielt eine Dorfkapelle mit Handorgel, die Lampen leuchten grell.
Der Saal ist vollgepackt, Partystimmung will aber nicht recht aufkommen. Niemand tanzt. Das schien Will.i. am zu befürchten. Weder er noch Marissa Meyer werden sich an der Party blicken lassen.
Immerhin eine Person kennen wir: «Weltwoche»-Chef und SVP-Nationalrat Roger Köppel. Er läuft gerade aus dem Saal. Kurz nach seinem Auftritt zum Thema Europa am Open Forum scheint er aber nicht in Partystimmung zu sein.
Nach Ellenbogenkämpfen durch die übervolle Lounge wird klar: Wir sind mit Abstand die Jüngsten hier. Wir schnappen uns zwei Plätze um einen Stehtisch. Schnell gesellt sich Eshan* zu uns, ein Mittvierziger und – laut eigenen Aussagen – erfolgreicher Unternehmer aus Hollywood, der kürzlich einen Deal mit «Transformers»-Regisseur Michael Bay festgenagelt hat.
Er erzählt von seinem Jetset-Leben, dass er etwa nie länger als sechs Monate in der selben Stadt wohne. «My home is the world, you know», grinst er. Eine kurze Google-Suche scheint seine Story zu bestätigen. Und wir erfahren in einem «New-York-Times»-Artikel, dass der Herr für ein Dinner mit ein paar Freunden auch mal 10'000 Dollar springen lässt.
Die Begegnung ist symptomatisch für die Events rund ums WEF. Man weiss nie recht, ob man seinem Gegenüber seine extravaganten Geschichten abnehmen soll. Eshan händigt uns seine Visitenkarte aus: «I really like you girls, call me» – und stolziert davon.
Uber-CEO Khosrowshahi ist scheinbar im Belvédère aufgekreuzt. Gesehen haben wir ihn nicht, sonst hätten wir gerne ein ernstes Wörtchen mit ihm geredet. Denn für die Uber-Fahrt vor der Party mussten wir weit mehr Geld hinblättern als ausserhalb des WEFs üblich.
Für die WEF-Teilnehmer sind höhere Fahrpreise ein Klacks, wenn man bedenkt, dass das Event-Ticket für die vier Tage laut Schätzungen des «Guardian» rund 18'000 Franken kostet.
Kaviar wird an der DLD-Party trotzdem nicht aufgetischt. Es gibt Mini-Hot-Dogs, Früchtespiessli – und raffinierte Cocktails. Diese trösteten uns dann auch etwas über das nüchterne Ambiente hinweg. Wir ziehen weiter.
Fazit der Party:
Location: ⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⬜️
Verpflegung: ⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⬜️
Musik: ⭐⭐⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️
Stimmung: ⭐⭐⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️
In der Ex-Bar an der Promenade feiern die Kongress-Teilnehmer mit der Davoser Jugend. Die WEF-Gäste kommen zu später Stunde angesäuselt in die urchige Bar, wenn sie Lust auf mehr als nur Fingerfood haben. Das Davoser Familienunternehmen bleibt während der WEF-Woche extra länger geöffnet und serviert Burger, Pommes und Chicken Nuggets – und wird so quasi zum Kebab-Stand des WEF.
Josh*, rund 35 Jahre alt, wackelt vom Barhocker zu unserem Tisch. Er wartet auf seinen Burger und fragt: «May I join you?» Er reise jedes Jahr aus San Francisco hierher, erzählt er. Es gehe ihm nicht darum möglichst viele Deals abzuschliessen: «I come here for networking.» Innerhalb von vier Tagen treffe er alle wichtigen Player der Szene. Josh ist im Virtual Reality Business tätig, wie gefühlt jeder Zweite in Davos dieser Tage.
Josh hält am nächsten Morgen im Kongresszentrum einen Vortrag. Wie er später in sein Hotel nach Landquart kommen wird, weiss er noch nicht. «Can i crash your couch?», fragt er. Sorry, wir haben keinen Platz mehr. Joshs Hamburger wird serviert. Er verabschiedet sich: «See you at the Facebook-Party» – und geht zurück an die Bar.
An der Facebook-Party werden wir Josh nicht wiedersehen. Wir sind leider nicht eingeladen. Und das obwohl ich am Nachmittag beim Händewaschen im Belvédère-WC Facebook-COO Sheryl Sandberg ein Papierhandtuch überreichte, nachdem sie mich darum gebeten hatte.
Fazit der Party:
Location: ⭐⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️
Verpflegung: ⭐⭐⭐⭐⭐⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️
Musik: ⭐⭐⭐⭐⭐⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️
Stimmung: ⭐⭐⭐⭐⭐⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️
Gegen drei Uhr brechen wir auf zur berühmt-berüchtigten Piano-Bar des Hotel Europe. Hier geht die Post ab: Zu später Stunde skandieren Yahoo-Kader mit Google-Managern rund um das Kult-Piano geschart Welthits wie «Wake me up before you go-go» oder «Your sex is on fire». Auch Mark Zuckerbergs Schwester Randi hielt hier vor ein paar Jahren ein vielbeachtetes Ständchen. Und die Frau kann singen!
An der Bar treffen wir auf Musabeh*, Mitarbeiter der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emiraten in Paris. Er lädt uns zu einer Diskussionsrunde ein. Das Thema klingt komplex für die späte Stunde: «Mobilizing faith communities in safeguarding communities and globalization».
Nebenan diskutieren zwei Beraterinnen des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa, ein libanesischer Anzugträger verteilt ganz aufgeregt seine Visitenkarten. Er sei die ganze Woche hier. Wer sich für Smart Living in Entwicklungsländern interessiert, solle ihn kontaktieren! Auch zu später Stunde bleibt Networking das A und O am WEF.
Ich bestelle uns zwei Gläser Wein. Der Barmann strahlt: «So schön, wieder einmal Schweizerdeutsch sprechen zu können.» Daneben stossen die zwei Frauen «auf bessere Zeiten» an.
Angeblich soll es in Davos während des WEFs von Prostituierten wimmeln. Dieses Klischee bestätigt sich aber nicht. Wir sehen keine Escort-Damen – oder jedenfalls keine, die man sofort als solche erkennt. Die Party in der Piano-Bar hingegen verfällt langsam zu einer Flirtbörse für einflussreiche Menschen. Beim Flirten sollte man aber aufpassen: Partnerinnen und Partner der wichtigen Teilnehmer tragen einen grauen Badge, diese spricht man besser nicht an.
Unter manchen WEF-Gängern bleibt es nicht beim Herumschäkern: Gegen vier Uhr Morgens fummelt eine Frau im Deux-Pièce auf einem Sofa in Handjob-Manier in der Hose ihres Sitznachbarn. Gewisse Männer werden aufdringlich. Ich spüre plötzlich eine Hand auf Höhe meines Steissbeins – sie gehört aber nicht einem WEF-Teilnehmer, sondern dem dorfbekannten Alki.
Unser Abend endet kurz später mit einem Stapel Visitenkarten und je einer Rose in der Tasche. Gute Nacht Davos!
Fazit der Party:
Location: ⭐⭐⭐⭐⭐⭐⬜️⬜️⬜️⬜️
Verpflegung: ⭐⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️⬜️
Musik: ⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐
Stimmung: ⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⭐⬜️⬜️
*Namen geändert.