Das Jahrestreffen des World Economic Forum (WEF) in Davos verschreibt sich hehren Zielen: Man will den Klimawandel bekämpfen, sich um die Verlierer der Globalisierung kümmern und überhaupt die Welt verbessern. «Committed to improving the state of the world», lautet die Devise, die an der Wand im Saal des Kongresszentrums angebracht wurde.
So weit der schöne Schein, den WEF-Gründer Klaus Schwab seit Jahrzehnten kultiviert. Und den die Medien gerne nachbeten. Pech nur, dass die Realität nicht Schritt halten will. Der Klimawandel wird immer bedrohlicher, die soziale Ungleichheit nimmt zu. Die Verlierer von Globalisierung und Digitalisierung gehen in gelben Schutzwesten auf die Strasse.
Das Stelldichein der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft, garniert mit einigen Alibifiguren aus der Zivilgesellschaft, hat herzlich wenig bewirkt. Erstaunt das irgend jemanden? Das WEF war nie etwas anderes als eine perfekte Gelegenheit, um Geschäfte zu machen. Viele Manager reisen nur aus diesem Grund ins Landwassertal. Die schlauen Reden und Debatten kümmern sie nicht.
Das weiss offenbar auch unser Bundespräsident. Ueli Maurer (SVP) nutzt das Davoser Forum für Treffen mit Politikern aus aller Welt. Das ist legitim und im Interesse der Schweiz. Wenn sich im eigenen Land eine solche Gelegenheit bietet, soll man sie nutzen. Eine bessere Welt, dieser grossspurige Anspruch des WEF, interessiert Maurer jedoch nicht die Bohne.
Am Dienstag traf er den saudischen Finanzminister. Als er von Medien auf den von saudischen Agenten ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi angesprochen wurde, meinte Maurer nur, man habe diesen Fall «schon lange abgehandelt». Der Finanzdialog mit Saudi-Arabien solle wieder aufgenommen und das Verhältnis zum autokratisch regierten Königreich normalisiert werden.
Tags darauf empfing Maurer mit seinen Kollegen Ignazio Cassis und Guy Parmelin den neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Umweltschützer befürchten, er werde den Regenwald zur Abholzung freigeben. Im Gespräch war dies offenbar kein Thema. «Es ist nicht unsere Aufgabe, andere Länder zu kritisieren», sagte Ueli Maurer der Agentur Keystone/SDA.
Der saloppe Umgang des Bundespräsidenten mit Themen wie Menschenrechte und Umweltschutz sorgte für Empörung. Dabei muss man Ueli Maurer dankbar sein. Er verweigert sich der Heuchelei am WEF und sagt klar, worum es in Davos geht: ums Business. Und sonst gar nichts.
So auch bei Bolsonaros offiziellem Auftritt im Kongresszentrum. War der Empfang für den umstrittenen «Tropen-Trump» noch relativ kühl, so wurde er mit starkem Applaus verabschiedet. Er hatte die wirtschaftliche Öffnung Brasiliens angekündigt, samt Steuersenkungen und Bürokratieabbau. Es ist die neoliberale Botschaft, die die Wirtschaftsvertreter hören wollen.
Von Klaus Schwab hatte Jair Bolsonaro ebenso wenig zu befürchten. Der WEF-Gründer pflegt selbst dubiose Figuren mit Unterwürfigkeit zu empfangen. Letztes Jahr liess er für Donald Trump sogar eine Blasmusik aufmarschieren. Damit beweist Schwab, dass ihm die Präsenz von grossen Namen weit mehr bedeutet als die Ideale, die er angeblich voranbringen will.
Dies zeigt auch ein Interview mit der SRF-Sendung «Eco» vom Montag, in dem Schwab gefragt wurde, was er selber mache, um das Klima zu schützen. Man weiss nicht, was peinlicher war: Seine ausweichende Antwort oder der fehlende Widerspruch von Moderatorin Patrizia Laeri. Wobei man sie in Schutz nehmen muss: Die meisten Schweizer Journalisten huldigen dem WEF-Chef. Sie wollen schliesslich im nächsten Jahr wieder einen Badge erhalten.
So lange Klaus Schwab das WEF leitet, wird sich an der massiven Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität nichts ändern. Ist das Wirtschaftsforum deswegen schlecht, muss man es abschaffen? Keineswegs. Es bleibt ein wertvoller Ort für Begegnungen. Im besten Fall kann es punktuell sogar zu kleinen Schritten in die richtige Richtung kommen.
Deshalb reist Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan ans WEF, obwohl sie sich ihrer Feigenblatt-Funktion bewusst ist, wie sie im Tamedia-Interview erklärte. Davos, das sich eine «better world» auf die Fahnen geschrieben habe, habe bisher keine bessere Welt geschaffen, kritisierte sie. Aber man brauche «jeden CEO und jeden Staatschef, um den Klimaschutz voranzubringen».
Die schwedische «Klima-Ikone» Greta Thunberg macht sich ebenfalls keine Illusionen. Sie erwarte nicht viel vom WEF, sagte sie bei ihrer Ankunft in der Schweiz nach mehr als 30 Stunden Zugfahrt. Gekommen ist sie trotzdem: «Das WEF ist ein wichtiger Anlass, an dem sich die wichtigsten Entscheidungsträger dieser Welt treffen, und ich werde ihnen sagen, dass sie versagt haben.»
Greta Thunberg entlarvt die Heuchelei am WEF auf ihre Art, Ueli Maurer auf seine. Dankbar sein darf man beiden. Und die Organisatoren sollten die Aufschrift im Kongresszentrum ändern, in «Committed to improving business and self-enrichment».
Oder ganz kurz: «Fuck the planet».