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International

Zuschauer bei Schweizer Veranstaltungen – Kritik vom In- und Ausland

Europas Fan-Insel: Schweizer Sportfans als Coronasonderfall bei Grossveranstaltungen

Geisterspiele in der Bundesliga, Zuschauerlimiten in Italien, Vierschanzentournee ohne Fans – doch in Adelboden bejubeln 12'000 Menschen dicht an dicht Spitzenleistungen helvetischer Ski-Asse. Erneut avanciert die Schweiz zum Coronasonderfall – die Verantwortlichen müssen sich erklären.
11.01.2022, 14:43
Kari Kälin / ch media
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epa09675581 Supporters cheer during the second run of the Men's Slalom race at the FIS Alpine Skiing World Cup in Adelboden, Switzerland, 09 January 2022. EPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT
Trotz Coronavirus herrschte Partylaune: Fans am Weltcup-Slalom in Adelboden am 9. Januar.Bild: keystone

Manuel Feller aus Österreich, Rang zwei beim Riesenslalom in Adelboden vom Samstag, sagte es mit Humor: «Die Schweizer gehen da ein bisschen einen anderen Weg. Die versuchen, an einem Wochenende gleich alle zu durchseuchen.» Unter dem Twitter-Hashtag #DummWieDieSchweiz finden es die Kommentatoren weniger lustig, dass zu Zeiten von Omikron mehr als 12'000 Fans die Fahrer lautstark anfeuerten und den Sieg des Schweizers Marco Odermatt feierten, viele ohne Maske. «Einen Moment, aber wir sind nicht im Jahr 2019», wunderte der Korrespondent der italienischen Tageszeitung «La Repubblica» – und berichtete, vielen Skifahrern habe die Szenerie Angst bereitet. Angst, positive Tests könnten den Abflug zu den Olympischen Spielen in China vereiteln.

Man wähnt sich in der Diskussion um die Skigebiete vor einem Jahr. Einmal mehr sorgt die Schweiz mit einem Sonderweg für Irritationen. Sie wird zur Insel der gut ­besuchten Sportanlässe an der frischen Luft, während unsere Nachbarländer die Regeln verschärfen.

Geisterspiele in der Bundesliga

In der deutschen Bundesliga gibt es Geisterspiele, die französischen und italienischen Fussballstars ­kicken noch vor maximal 5000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Die ­Skispringen der Vierschanzentournee? Vor leeren Rängen. Österreich ­erlaubt bei Events im Freien bloss 2000 Menschen Zutritt – und nur dann, falls sie geboostert sind, einen negativen PCR-Test vorweisen und eine FFP2-Maske montieren.

Moenchengladbach's goalkeeper Yann Sommer kicks the ball during a German Bundesliga soccer match between Bayern Munich and Monchengladbach at the Allianz Arena in Munich, Germany, Friday, Jan. 7, ...
Ballabschlag vor leeren Rängen: Der Schweizer Natigoalie Yann Sommer im Spiel Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach in der Münchner «Allianz Arena».Bild: keystone

Gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA verteidigte der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg die Bewilligung für die Skirennen. Grossevents seien erlaubt, die Rennen fänden im Freien statt, zudem müsse auch die Eigenverantwortung der Zuschauer zum Tragen kommen. Und irgendwann gelte es auch, zur Normalität zurückzukehren.

Jürg Grossen regt FFP2-Maskenpflicht an

Schon am Donnerstag starten die Lauberhornrennen in Wengen. Wieder könnten Bilder aus der Schweiz im Ausland verstören. Fans sind zugelassen, es gilt die 3G-Regel, Maskentragen wird wie in Adelboden empfohlen, aber nicht befohlen. Der Berner Nationalrat und GLP-Präsident Jürg Grossen könnte sich aber vorstellen, dass die Berner Gesundheitsdirektion das Maskentragen auf den ­Tribünen und im Freien für obligatorisch erklärt. «Zu prüfen ist auch eine FFP2-Pflicht.»

Lukas Engelberger, Praesident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) spricht waehrend einer Medienkonferenz ueber das weitere Vorgehen bei der Bekaempfung des Coro ...
Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren: «Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob es zusätzliche Auflagen für Grossveranstaltungen auf Bundesebene braucht, etwa eine Maskenpflicht oder Kapazitätsbeschränkungen bei Veranstaltungen im Freien» Bild: keystone

Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, meldet sich nach einem positiven Coronatest am Wochenende mit leichten Symptomen aus der Isolation:

«Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob es zusätzliche Auflagen für Grossveranstaltungen auf Bundesebene braucht, etwa eine Maskenpflicht oder Kapazitätsbeschränkungen bei Veranstaltungen im Freien»

Dies sagt der am 3. Januar geboosterte Basler Regierungsrat. «Damit könnten der Anstieg der Fallzahlen allenfalls etwas abgebremst und Hospitalisationen verhindert werden, ohne dass Veranstaltungen ganz abgesagt werden müssen.»

Albert Rösti zu den Lauberhornrennen: «Laufen lassen»

Albert Rösti, Berner SVP-Nationalrat und Präsident der Gesundheitskommission, findet das «Adelboden-Bashing» übertrieben. Die Organisatoren hätten sich ans Schutzkonzept gehalten. Zu den Lauberhornrennen sagt er: «Laufen lassen.» Zumal die Belegung der Intensivbetten, die entscheidende Richtgrösse bei der schweizerischen Pandemiepolitik, am Sinken sei.

Doch wie gross ist die Gefahr, dass sich Menschen im Freien mit dem Coronavirus anstecken? Die deutsche Gesellschaft für Aerosolforschung weist schon seit langem darauf hin, dies sei sehr unwahrscheinlich. Ein geringes Risiko bestehe bloss, wenn man sich für längere Zeit gegenüberstehe und miteinander spreche. Erfahrungen aus der Schweiz scheinen diese Einschätzung zu bestätigen. Trotz grossen Zuschaueraufmarschs bei einem Fasnachtsumzug im letzten Februar wurde Einsiedeln nicht zu einem Coronahotspot.

Und Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, sagt:

«Es ist nach wie vor sehr deutlich, dass es praktisch ausschliesslich in Innenräumen zu Ansteckungen kommt.»

Im Kanton Zug würden durchaus Ansteckungen an Veranstaltungen festgestellt – jedoch vermehrt an kleineren Anlässen und nicht eigentlichen Grossveranstaltungen wie zum Beispiel Spielen des EV Zug. Der Kanton Zürich verzeichnete in den letzten Monaten an Grossevents generell keine nennenswerten Ansteckungen. «Dies dürfte aus unserer Sicht bedeuten, dass die Schutzkonzepte greifen», sagt ein Sprecher.

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Grünes Licht auf der (fast) weissen Wiese: Die Skirennen in Adelboden finden statt
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Grünes Licht auf der (fast) weissen Wiese: Die Skirennen in Adelboden finden statt
Am Fusse des Chuenisbergli wird die grosse Tribüne aufgebaut. Man sieht es hier zwar nicht, aber Schnee soll es auch genügend haben. Diese Aufnahme datiert allerdings auch vom 27. Dezember.
quelle: freshfocus / christian pfander/freshfocus
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Ski Weltcup Adelboden 2020
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64 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lhzu543
11.01.2022 14:49registriert August 2021
Ist doch schön. Ich gönne es den Leuten die wieder leben können. Wir haben genug lange gelitten.
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Zamorano1
11.01.2022 16:07registriert Oktober 2021
Zählt Grossbritannien nicht mehr zu Europa? Dort sind die Stadien doch auch noch voll. In Spanien dürfen sie die Fussballstadien auch noch zu 75 % füllen. Die Schweiz ist nicht das einzige Land wo Zuschauer noch erlaubt sind. Macht mal halblang. Einfach immer auf Panik machen und so tun als würde man in der Schweiz alles "Schleifen" lassen.
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Froggr
11.01.2022 15:34registriert Februar 2016
Völlig richtig so. Wer bei Omikron noch immer im Panikmodus ist und das Leben der Bevölkerung derart einschränken will, dem geht es echt nicht um die eigentliche Pandemie und der Verhinderung der Überlastung des Gesundheitswesens, sondern nur um sein Narrativ.
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