Schweiz
International

Schweizer Spion in Deutschland – jetzt verlangt Berlin eine Erklärung von der Schweiz

PORTRAIT SCHWEIZER BOTSCHAFTERIN IN BERLIN --- Schweizer Botschafterin in Berlin Christine Schraner-Burgener portraitiert am 28. September 2015 in der Schweizer Botschaft in Berlin. (KEYSTONE/Christia ...
Die Schweizer Botschafterin Christine Schraner Burgener muss im deutschen Aussenministerium antraben.Bild: KEYSTONE

Schweizer Spion in Deutschland – jetzt verlangt Berlin eine Erklärung von der Schweiz

Die deutsche Regierung verlangt von der Schweiz Aufklärung in der Spionageaffäre um einen in Frankfurt verhafteten Schweizer. Sie hat deshalb die Botschafterin in Berlin zu einem klärenden Gespräch ins Aussenministerium einberufen. Die Schweizer Regierung hält sich weiter bedeckt.
02.05.2017, 18:4503.05.2017, 07:28
Mehr «Schweiz»

Im deutschen Aussenministerium hiess es am Dienstagabend, Staatssekretär Walter Lindner habe die Schweizer Botschafterin Christine Schraner Burgener «kurzfristig zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten». Lindner habe dabei «im Interesse der deutsch-schweizerischen Freundschaft» Aufklärung über den Fall des unter Spionageverdachts festgenommenen Schweizer Staatsbürgers erbeten.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigte das Treffen. Es sei Zeit für einen Informationsaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland gewesen, da vieles im Unklaren sei, sagte EDA-Sprecher Jean-Marc Crevoisier auf Anfrage.

Keine Bestätigung des Bundesrates

Der 54-jähriger Schweizer war am vergangenen Freitag in Frankfurt verhaftet worden. Laut dem deutschen Generalbundesanwalt wird ihm vorgeworfen, während über fünf Jahren für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.

Die Schweizer Regierung bestätigte den Sachverhalt am Dienstag vor den Medien nicht. Er könne und wolle nicht zum konkreten Fall Stellung nehmen, sagte Verteidigungsminister Guy Parmelin mit Verweis auf die laufenden Verfahren. Er habe die Ausführungen der deutschen Generalbundesanwaltschaft zur Kenntnis genommen, sagte er lediglich.

Festhalten könne er nur Grundsätzliches: So könne er sagen, dass die Schweiz und Schweizer Banken regelmässig Opfer von Spionage würden. Die Aufgabe des Nachrichtendienstes sei es, dies aufzudecken, damit die Schweiz rechtzeitig handeln könne.

Parmelin betonte weiter, der Nachrichtendienst handle im Rahmen des geltenden Gesetzes, um die Schweiz und ihre Einwohner zu schützen. Der Dienst sei dabei strikten Kontrollen unterworfen.

Bundesrat Guy Parmelin, Chef VBS, Eidgenoessisches Departement fuer Verteidigung, Bevoelkerungsschutz und Sport, spricht ueber "Sicherheit Schweiz", den Jahresbericht des Nachristendienstes  ...
Guy Parmelin gibt sich bedeckt.Bild: KEYSTONE

Verweis auf Gesetzesartikel

Parmelin verwies zudem auf Artikel 2 des geltenden Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS). Darin heisst es: «Der Bund trifft vorbeugende Massnahmen [...], um frühzeitig Gefährdungen durch Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst, gewalttätigen Extremismus [...] zu erkennen und zu bekämpfen.»

Das BWIS wird voraussichtlich am 1. September 2017 vom neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) abgelöst. In diesem steht explizit geschrieben, dass der Bundesrat «in besonderen Lagen den NDB zur Wahrung weiterer wesentlicher Landesinteressen einsetzen kann». Als solche gälten der Schutz der verfassungsrechtlichen Grundordnung der Schweiz, die Unterstützung der schweizerischen Aussenpolitik und der Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz.

«Kein Streichelzoo»

NDB-Chef Markus Seiler ergänzte, dass der Nachrichtendienst generell in der Schweiz und im Ausland aktiv sei. Zu den Aufgaben gehöre auch die Spionageabwehr. Es gelte zu verhindern, dass «jemand mit illegalen Mitteln Geheimnisse stiehlt».

Die Arbeit des NDB geschehe teilweise verdeckt. «Die nachrichtendienstliche Arbeit ist kein Streichelzoo», sagte Seiler. Jeder Nachrichtendienst handle im Interesse des jeweiligen Landes und der jeweiligen Regierung.

Mehr könne und wolle er zum vorliegenden Fall nicht sagen. Der NDB wolle zwar sichtbar sein, aber nicht transparent, denn: «Ein transparenter Nachrichtendienst ist tot.»

Verstimmungen zwischen den Ländern

Die Zeitungen «SonntagsBlick» und «Die Welt» in Deutschland hatten am Wochenende den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) als Auftraggeber des Mannes genannt. Deutsche Politiker reagierten empört.

Am Montag hatte sich Valentin Landmann als Anwalt des festgenommenen Schweizers gegenüber Radio SRF geäussert. Sein Mandant werde beschuldigt, für den schweizerischen Nachrichtendienst deutsche Steuerfahnder ermittelt zu haben, die illegal in der Schweiz tätig gewesen seien.

Der Verdächtige habe «solche Ermittlungen mit Sicherheit nicht aus Hobbygründen getätigt». Am Dienstag präzisierte Landmann dann gegenüber «10vor10», sein Mandant sei nie ein Angestellter vom schweizerischen Nachrichtendienst gewesen. Stattdessen sprach er von einem «Auftragsverhältnis».

BA-Verfahren in der Schweiz

Deutsche Medien berichteten am Dienstag ausserdem, dass in der Schweiz ein Strafverfahren gegen den Mann laufe. Die Bundesanwaltschaft (BA) bestätigte auf Anfrage, dass sie im Januar 2015 ein Strafverfahren wegen des Verdachts des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes eröffnet habe.

Die Verhaftung in Frankfurt sei aber nicht im Rahmen des Schweizer Verfahrens erfolgt. Die BA habe davon erst durch den deutschen Generalbundesanwalt erfahren. Die beschuldigte Person sei zudem nie für die BA tätig gewesen.

Seit Januar 2006 hatten mehrere deutsche Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Datenträger mit Bankdaten von Steuersündern aus der Schweiz und Liechtenstein gekauft. Dies sorgte für Verstimmungen in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz. (sda)

Weitere Informationen in Kürze

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
23 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Baba ♀️
02.05.2017 18:54registriert Januar 2014
Nur so aus Neugier: wurde der Deutsche Botschafter in Bern auch einbestellt, als offizielle Amtsstellen in Deutschland CDs mit geklauten Schweizer Bankdaten gekauft haben?
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
DerTaran
02.05.2017 19:00registriert Oktober 2015
Dumm, dass er erwischt wurde, aber wer hat den damit angefangen? Haben wir damals auch Botschafter einbestellt?
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Maett
02.05.2017 19:08registriert Januar 2016
Boah, sind die blöd? Sie kaufen Hehlerware die Unternehmen schädigen, die an unserem BIP beteiligt sind, weil sie an Informationen kommen wollten, die sie hätten haben können, wenn sie das hauptsächlich von deutscher Seite beeinflusste Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet hätten und wundern sich dann darüber, dass der Schweizer Staat versucht diese Straftat auf nachrichtendienstlichen Wegen aufzuklären, nachdem man jede Zusammenarbeit abgelehnt hat?

Und dann bestellen sie den Botschafter ein?

Dilettantenrepublik.
00
Melden
Zum Kommentar
23
Waldbrand in Malibu: Feuerwehr macht Fortschritte

Kühleres Wetter und abflauende Winde erleichtern den Kampf gegen den zerstörerischen Waldbrand in der kalifornischen Küstenstadt Malibu. Nach Angaben der Behörden konnte etwa ein Fünftel des sogenannten Franklin-Feuers durch einen Grosseinsatz der Feuerwehr erfolgreich eingedämmt werden. Viele Bezirke waren seit Ausbruch der Flammen am Montag evakuiert worden, nun konnten erste Anwohner in einigen Regionen wieder nach Hause zurückkehren.

Zur Story