Im deutschen Aussenministerium hiess es am Dienstagabend, Staatssekretär Walter Lindner habe die Schweizer Botschafterin Christine Schraner Burgener «kurzfristig zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten». Lindner habe dabei «im Interesse der deutsch-schweizerischen Freundschaft» Aufklärung über den Fall des unter Spionageverdachts festgenommenen Schweizer Staatsbürgers erbeten.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bestätigte das Treffen. Es sei Zeit für einen Informationsaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland gewesen, da vieles im Unklaren sei, sagte EDA-Sprecher Jean-Marc Crevoisier auf Anfrage.
Der 54-jähriger Schweizer war am vergangenen Freitag in Frankfurt verhaftet worden. Laut dem deutschen Generalbundesanwalt wird ihm vorgeworfen, während über fünf Jahren für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.
Die Schweizer Regierung bestätigte den Sachverhalt am Dienstag vor den Medien nicht. Er könne und wolle nicht zum konkreten Fall Stellung nehmen, sagte Verteidigungsminister Guy Parmelin mit Verweis auf die laufenden Verfahren. Er habe die Ausführungen der deutschen Generalbundesanwaltschaft zur Kenntnis genommen, sagte er lediglich.
Festhalten könne er nur Grundsätzliches: So könne er sagen, dass die Schweiz und Schweizer Banken regelmässig Opfer von Spionage würden. Die Aufgabe des Nachrichtendienstes sei es, dies aufzudecken, damit die Schweiz rechtzeitig handeln könne.
Parmelin betonte weiter, der Nachrichtendienst handle im Rahmen des geltenden Gesetzes, um die Schweiz und ihre Einwohner zu schützen. Der Dienst sei dabei strikten Kontrollen unterworfen.
Parmelin verwies zudem auf Artikel 2 des geltenden Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS). Darin heisst es: «Der Bund trifft vorbeugende Massnahmen [...], um frühzeitig Gefährdungen durch Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst, gewalttätigen Extremismus [...] zu erkennen und zu bekämpfen.»
Das BWIS wird voraussichtlich am 1. September 2017 vom neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) abgelöst. In diesem steht explizit geschrieben, dass der Bundesrat «in besonderen Lagen den NDB zur Wahrung weiterer wesentlicher Landesinteressen einsetzen kann». Als solche gälten der Schutz der verfassungsrechtlichen Grundordnung der Schweiz, die Unterstützung der schweizerischen Aussenpolitik und der Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz.
NDB-Chef Markus Seiler ergänzte, dass der Nachrichtendienst generell in der Schweiz und im Ausland aktiv sei. Zu den Aufgaben gehöre auch die Spionageabwehr. Es gelte zu verhindern, dass «jemand mit illegalen Mitteln Geheimnisse stiehlt».
Die Arbeit des NDB geschehe teilweise verdeckt. «Die nachrichtendienstliche Arbeit ist kein Streichelzoo», sagte Seiler. Jeder Nachrichtendienst handle im Interesse des jeweiligen Landes und der jeweiligen Regierung.
Mehr könne und wolle er zum vorliegenden Fall nicht sagen. Der NDB wolle zwar sichtbar sein, aber nicht transparent, denn: «Ein transparenter Nachrichtendienst ist tot.»
Die Zeitungen «SonntagsBlick» und «Die Welt» in Deutschland hatten am Wochenende den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) als Auftraggeber des Mannes genannt. Deutsche Politiker reagierten empört.
Am Montag hatte sich Valentin Landmann als Anwalt des festgenommenen Schweizers gegenüber Radio SRF geäussert. Sein Mandant werde beschuldigt, für den schweizerischen Nachrichtendienst deutsche Steuerfahnder ermittelt zu haben, die illegal in der Schweiz tätig gewesen seien.
Der Verdächtige habe «solche Ermittlungen mit Sicherheit nicht aus Hobbygründen getätigt». Am Dienstag präzisierte Landmann dann gegenüber «10vor10», sein Mandant sei nie ein Angestellter vom schweizerischen Nachrichtendienst gewesen. Stattdessen sprach er von einem «Auftragsverhältnis».
Deutsche Medien berichteten am Dienstag ausserdem, dass in der Schweiz ein Strafverfahren gegen den Mann laufe. Die Bundesanwaltschaft (BA) bestätigte auf Anfrage, dass sie im Januar 2015 ein Strafverfahren wegen des Verdachts des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes eröffnet habe.
Die Verhaftung in Frankfurt sei aber nicht im Rahmen des Schweizer Verfahrens erfolgt. Die BA habe davon erst durch den deutschen Generalbundesanwalt erfahren. Die beschuldigte Person sei zudem nie für die BA tätig gewesen.
Seit Januar 2006 hatten mehrere deutsche Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Datenträger mit Bankdaten von Steuersündern aus der Schweiz und Liechtenstein gekauft. Dies sorgte für Verstimmungen in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz. (sda)
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