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Drohungen gegen Erdogan-Gegner? FDP-Dittli spricht von No-Go

epa05873829 A man casts his vote for the Turkish constitution referendum, in the Turkish consulate in Bern, Switzerland, 27 March 2017. A constitutional referendum is due to be held in Turkey on 16 Ap ...
Ein Wähler gibt in der türkischen Botschaft in Bern seine Stimme zum umstrittenen Verfassungsreferendum ab.Bild: EPA/KEYSTONE

Erdogan-Gegner bei Stimmabgabe in Bern bedroht? Fake News, sagt die türkische Botschaft

Eine kurdische Nachrichtenagentur berichtet, dass Mitarbeiter der türkischen Botschaft in Bern «Nein»-Wählern mit Konsequenzen gedroht haben – die Botschaft streitet ab. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, will FDP-Ständerat Josef Dittli vom Bundesrat konsequentes Handeln sehen.
13.04.2017, 10:3113.04.2017, 19:21
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Der türkische Staatspräsident Erdogan hofft darauf, dass die Wähler am Ostersonntag einer umstrittenen Verfassungsreform ihren Segen geben, welche seine Machtfülle deutlich ausbauen würde.

Weil mit einem knappen Ergebnis gerechnet wird, kommt es auch auf die Stimmen der Auslandstürken an. In der Schweiz konnten sie während rund zwei Wochen in den türkischen Konsulaten in Genf und Zürich sowie in der Botschaft in Bern ihre Stimme abgeben. Seit 9. April sind die Urnen hierzulande geschlossen.

Die kurdische Nachrichtenagentur «Firat News» berichtet nun über einen Vorfall vom letzten Donnerstag im Wahllokal in der Botschaft in Bern. Ein in der Schweiz wohnhafter kurdischer Oppositioneller, der anonym bleiben will, bestätigt den Vorfall gegenüber watson. Zwei Botschaftsmitarbeiter, darunter der Attaché für Arbeit und Soziale Sicherheit, seien dabei negativ aufgefallen.

Die beiden Diplomaten, die mit der Begleitung des Wahlprozesses in der Botschaft beauftragt waren, hätten sich an den zahlreichen Erdogan-Gegnern gestört, die zu den Urnen strömten. Mit einem dieser Wähler hätten sie eine lautstarke Diskussion begonnen. Diesem Nein-Stimmenden hätten sie damit gedroht, seine Personalien an die Behörden in der Türkei zu melden.

«Nachricht komplett fabriziert»

Eine Vertreterin der oppositionellen, pro-kurdischen Partei HDP berichtete gegenüber «Firat News», dass die beiden Diplomaten gezielt HDP-Wähler und andere Erdogan-Gegner provozierten und störten. Die beiden Botschaftsmitarbeiter sollen Erdogans regierender AKP-Partei nahestehen. Die Agentur «Firat News» ihrerseits steht der von der Türkei und anderen Staaten als Terrorgruppe betrachteten, bewaffneten kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe.

Botschaftsrat Umut Öztürk, die Nummer 2 in der türkischen Botschaft, spricht von «komplett fabrizierten Nachrichten einer mit Terroristen verbundenen Nachrichtenagentur». Ein solcher Vorfall habe nie stattgefunden. Der Abstimmungsprozess in der Schweiz sei offen, transparent und unter Einbezug aller Parteien, verlaufen: «Uns sind keine Berichte über irgendwelche Vorfälle bekannt.»

Gemäss Zahlen der Botschaft haben 50’938 türkische Bürgerinnen und Bürger an der Abstimmung teilgenommen – das entspricht einer Wahlbeteiligung von 50,43 Prozent. Sie nahm damit gegenüber den letzten Parlamentswahlen vom Herbst 2015 um knapp 9 Prozent zu.

Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli beobachtet die politischen Entwicklungen innerhalb der türkischen Gemeinde in der Schweiz schon länger intensiv. Im März 2017 reichte er bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen «verbotenem Nachrichtendienst und politischem Nachrichtendienst» ein. Sein Ziel: die Spionagetätigkeiten von türkischen Organisationen gegen hier lebende türkische Staatsbürger und Doppelbürger sollen strafrechtlich belangt werden.

«Gesetze gelten auch für Diplomaten»

Von der angeblichen Drohung im Wahllokal in der türkischen Botschaft in Bern hatte Dittli bisher keine Kenntnis. Er könne sich im gegenwärtig aufgeheizten Klima vor der Referendumsabstimmung aber durchaus vorstellen, dass so etwas passiert sei: «Sollte es zu einem Verstoss gegen Schweizer Gesetze gekommen sein, müssen die Behörden ermitteln», sagt der langjährige Urner Sicherheitsdirektor.

Er gehe davon aus, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) entsprechenden Hinweisen mit grösster Sorgfalt nachgehe und den Sachverhalt abkläre. Dass es sich bei den Beschuldigten um Botschaftsangehörige handle, dürfe dabei keine Rolle spielen. «Auch Personen mit diplomatischer Immunität müssen sich an die Schweizer Gesetze halten», so Dittli.

Der Bundesrat verfüge auch in solchen Fällen über Handlungsmöglichkeiten, etwa durch die Einbestellung des türkischen Botschafters oder dem Entzug der Akkreditierung: «Bei eindeutigen Verstössen gegen Schweizer Gesetze muss hier ein Zeichen gesetzt werden.»

Die Bundesanwaltschaft lässt auf Anfrage lediglich verlauten, was sie schon Mitte März bei Aufnahme der Ermittlungen mitteilte: Ihr liege «der konkrete Tatverdacht vor, dass im Umfeld der türkischen Gemeinde in der Schweiz mutmasslich politischer Nachrichtendienst betrieben wird». Details zur laufenden Ermittlungen werden keine bekannt gegeben.

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lai Nair
13.04.2017 11:59registriert Dezember 2016
Die türkische Botschaft kann ja dementierten was sie will, glauben tut diesen Leuten zwischenzeitlich eh niemand mehr, denn etwas unglaubwürdigeres als die Diktator-Gläubigen gibt es nun wirklich nicht mehr
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dariedo
13.04.2017 12:29registriert März 2014
mir sind junge türken bekannt, welche aus angst vor konsequenzen nicht zur wahl gegangen sind.
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sven_meye
13.04.2017 16:01registriert Oktober 2014
Nachdem was wir von dem Verbrecher bis jetzt gehört/gesehen haben, glaube ich das sofort. Bitte endlich handeln!
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