Trotz Trump: Pharma legt an der Börse zu – das ist der Grund
Seit US-Präsident Donald Trump am 2. April dieses Jahres den ersten Zollhammer auf die Welt niedergehen liess, liegt die Six Swiss Exchange gegenüber den meisten anderen grossen Börsen weit im Rückstand. Am Dienstag ist dieser mit einmal Mal deutlich kleiner geworden. Der Leitindex SMI avancierte in wenigen Stunden um 2 Prozent und bescherte der Schweiz wieder einmal einen Platz an der Sonne im weltweiten Börsenverleich.
Und wieder war Donald Trump der Grund dafür. Er verkündete zusammen mit dem US-Pharmamulti Pfizer einen seiner berühmten «Deals», unter dem sich der Konzern freiwillig zur Senkung der Preise seines Medikamentensortiments für amerikanische Patienten bereit erklärte. Als Referenz für die Preissenkungen dienten die Preise anderer reicher Länder, die natürlich deutlich tiefer sind als die amerikanischen.
Der Ansatz mit dem tieferen Referenzpreis anderer Länder ist das, was Donald Trump seit Monaten unter dem Begriff «Meistbegünstigungsprinzip» seinen Wählerinnen und Wählern als Lösung für das Preisproblem im US-Gesundheitswesen verkauft. Es ist ironischerweise ein Begriff, den das von Trump verabscheute, multilaterale Welthandelssystem geprägt hat. Das Meistbegünstigungsprinzip bedeutet, dass alle Teilnehmer eines Systems Anspruch auf die gleichen Bedingungen haben wie der meistbegünstigte Teilnehmer des Systems.
Wie ein Damoklesschwert hing die Drohung über der internationalen Pharmaindustrie, dass Trump darauf bestehen würde, die von Krankenkassen und Gesundheitsbehörden ausgehandelten tieferen europäischen Medikamentenpreise rigoros auch in Amerika anzuwenden. Die Pharmaunternehmen, die im Mittel vielleicht 50 Prozent ihrer Verkäufe in den USA erzielen, hätten herbe Umsatz- und Gewinneinbussen in Kauf nehmen müssen.
Berg gebiert Maus
Nun aber hat der Berg offensichtlich eine Maus geboren. Pfizer macht ihre verbilligten Medikamente ausschliesslich dem staatlichen Krankenversicherer Medicaid zugänglich, der vor allem jüngere Menschen und Familien mit sehr geringen Einkommen versichert. «Es handelt sich um eine ziemlich kleine Gruppe, die zudem jetzt schon in den Genuss sehr hoher Rabatte kommt», sagt Lydia Haueter, Pharmaexpertin und Senior Investment Managerin bei Pictet Asset Management in Zürich.
Ähnliches gilt für die zweite freiwillige Pfizer-Initiative, die Trump ebenfalls lautstark als persönlichen Erfolg seiner Kampagne vermarktet. Pfizer wird ab Anfang 2026 auf einer Internetplattform mit dem Namen TrumpRx.gov den grössten Teil seines Basissortiments und ausgewählte Spezialmarken den US-Patienten direkt zugänglich machen – mit Preisabschlägen von durchschnittlich 50 bis zu 85 Prozent.
Doch auch dieses Schlagerangebot ist weit weniger spektakulär, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. «TrumRx.gov wird ein Selbstzahler-Markt werden», erklärt Lydia Haueter. «Das ist ein Geschäftsmodell, das die Pharmaindustrie ohnehin schon am Entwickeln und teilweise bereits am Erproben ist.» Der wenig transparente Zwischenhandel wird umgangen. Was gemäss Haueter kaum jemand wirklich bedauert. Der Zwischenhandel habe in den vergangenen Jahren teilweise miserable Ergebnisse für die Patienten erzielt, weil sein Leistungsanreiz mit dem Umsatz verknüpft ist, was dem Ziel tieferer Preise zuwiderlaufen könne.
Viel Umsatz und Gewinn wird der Pharmaindustrie also auch mit Direktverkaufsmoll nicht verloren gehen. «Die positive Börsenreaktion ist selbsterklärend», sagt Lydia Haueter auf die Frage, wer in Trumps Pharma-Poker denn nun gewonnen habe.
Natürlich hat Trump Pfizer auch den Strafzoll von 100 Prozent erlassen, den er allen grossen Pharmaunternehmen auf den 1. Oktober angedroht hatte, falls diese nicht kooperierten und nicht kräftig in den Aufbau amerikanischer Produktionskapazitäten investieren würden. Pfizer produziert derzeit noch viel für den US-Markt in Irland und will in den USA nun 70 Milliarden Dollar investieren.
Roche hat schon früher Investitionen von 50 Milliarden Dollar und Novartis solche von 23 Milliarden Dollar angekündigt. Nicht nur diese beiden Unternehmen dürften in puncto Zölle ungeschoren davonkommen.
Schweiz: «Grundsätzlich positiv»
Der Schweizer Branchenverband Interpharma kommentierte den Pfizer-Deal so: «Die Nachricht ist grundsätzlich positiv, doch es ist noch zu früh, um Entwarnung zu geben: Die Planungsunsicherheit bleibt für alle Unternehmen gross und bedroht letztlich auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten weltweit.»
Tatsächlich könnte Trumps Gesundheitspolitik langfristig negative Folgen für die Patientenversorgung haben. Die Naturwissenschafterin Lydia Haueter verweist auf die massiven Budgetkürzungen der Trump-Regierung in den National Institutes of Health, wo die USA in den vergangenen Jahrzehnten viel Grundlagenforschung betrieben haben, die unter anderem in der überaus erfolgreichen Biotech-Industrie ihren Niederschlag gefunden hat. «Wir befürchten, das könnte zu einem erheblichen Brain drain aus den USA führen.»