Frau Onken, in der «Basler Zeitung» kritisierten Sie diese Woche den modernen «Jekami»-Feminismus. Warum sollen sich nicht alle am Kampf um Frauenrechte beteiligen dürfen?
Julia Onken: Natürlich will ich, dass die feministische Bewegung möglichst viel Support erfährt. Nur gibt es gewisse Formen von Engagement, die der Sache nicht dienen. Wenn Milo Moiré nackt in Basel herumspaziert oder Juso-Frauen oben ohne mit brennenden BHs posieren, hat das mit Feminismus wenig zu tun.
Was soll unfeministisch daran sein, wenn sich Frauen selbstbestimmt ausziehen und damit an gesellschaftlichen Tabus rütteln?
Sagen wir es so: Solche Aktionen führen eher nicht dazu, dass man diese Frauen ernst nimmt. Die wichtigsten Pfeiler des Feminismus sind Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und finanzielle Unabhängigkeit. Macht sich eine Frau mit einer solchen Aktion lächerlich, verwirkt sie unter Umständen ihre Chance, eines Tages CEO zu werden. Damit torpediert sie das Ziel der finanziellen Unabhängigkeit.
Dann hört Selbstbestimmung da auf, wo die schiefen Blicke aus der Gesellschaft beginnen?
Diese Frauen dürfen tun und lassen, was sie wollen – das ist mir egal. Mich stört es nur, wenn sie es unter dem Label «Feminismus» tun. Ich wünsche mir, dass Frauen in dieser Debatte als vernunftbegabte Wesen argumentieren. Wenn ein skurriler Auftritt im Betrachter hingegen primär peinliche Gefühle auslöst, dann tut mir das für die betroffene Frau und für den Feminismus leid.
Freuen Sie sich denn nicht darüber, wie hip die feministische Bewegung in den letzten Jahren geworden ist?
Hip? Das nehme ich überhaupt nicht so wahr. Wenn Politikerinnen in Interviews gefragt werden, ob sie Feministinnen sind, kommt die Antwort meist wie aus der Pistole geschossen: «Um Himmels Willen, nein!»
Heute feiern junge Frauen in den sozialen Medien ihre Rundungen, Pop-Grössen wie Beyoncé bezeichnen sich als Feministinnen – und ernten dafür Applaus.
Auf Instagram seine Speckröllchen zu präsentieren, hat doch etwas Entwürdigendes. Das ist weder als Botschaft noch für die Frau sinnvoll. Und von den selbsternannten Feministinnen in der Pop-Szene tappen viele dann doch in die Sex-Falle: Sie zeigen viel nackte Haut, kommerzialisieren ihren Körper und disqualifizieren sich damit selbst.
Auch mit der Linken rechnen Sie in Ihrem Kommentar ab. Das Positionspapier der SP zum Feminismus lasse nichts Gutes vermuten. Weshalb?
Ich vermisse das Engagement für Frauen aus anderen Kulturen. Aus falsch verstandener Solidarität mit Migranten vernachlässigt die Partei die Frauenrechte. Sie schaut weg, wenn Menschen aus patriarchalischen Kulturen in unser Land kommen und hier ihr problematisches Frauenbild pflegen. Mir fehlt die Botschaft: Frauenrechte sind nicht verhandelbar.
Sie setzen sich für ein Burka-Verbot ein. Welche Rückmeldungen erhielten Sie darauf?
Es kamen die üblichen Reaktionen: Beschimpfungen, böse Mails, aber auch Gratulationen. Frauen aus den betroffenen Kulturkreisen danken mir für meinen Mut. Sie selber dürfen sich in der Frage ja nicht öffentlich äussern, sonst drohen sie aus der Familie ausgeschlossen zu werden.
Nun stören Sie sich an blanken Brüsten einerseits und an Vollverschleierung andererseits. Nochmals: Verträgt sich das mit der Forderung nach Selbstbestimmung?
Eine Frau, die eine Burka trägt, wird in der Schweiz keinen Job bekommen. Sie kann weder gleichberechtigt noch selbstbestimmt leben. Wer etwas anderes behauptet, gibt sich einer Illusion hin. Über die Wirkung von Nacktauftritten haben wir ja schon gesprochen.
Wenn Sie in der Politik einen Wunsch frei hätten – wofür würden Sie sich entscheiden: Für ein Burka-Verbot, einen Vaterschaftsurlaub oder eine Frauenquote in Verwaltungsräten?
Für den Vaterschaftsurlaub. Hier sind wir Schweizer selber noch tief in einem patriarchalischen Denken verhaftet. Es wäre für die Frau und den Mann eine grosse Bereicherung, wenn die Aufgaben am Wickeltisch gleichberechtigter verteilt wären. Grundsätzlich ist mir das grösste Anliegen, dass sich die Frauenrechte weiter- und nicht zurückentwickeln. Was mühsam erkämpft wurde, darf auf keinen Fall wieder preisgegeben werden.