«Die Mitte» ist in Zürich Wahlsiegerin. Hätten Sie das erwartet?
Wir hatten Gründe zur Zuversicht. Schon die kommunalen Wahlen im Kanton Zürich vor einem Jahr ergaben für unsere Partei Zugewinne, neue Wählerinnen und Wähler. Aber wir konnten nicht selbstverständlich erwarten, dass wir jetzt so stark zulegen würden. Solche Zuwächse sind nur möglich, wenn es gelungen ist, neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Zu diesen gilt es jetzt Sorge zu tragen.
Die Bewährungsprobe für «Die Mitte» folgt im April in den katholischen Stammlanden von Luzern und dem Tessin. Wie zuversichtlich sind Sie?
In Luzern sind wir die klar stärkste Partei. Wenn wir uns auf diesem starken Niveau halten können, ist das ein grosser Erfolg. Tessin und Genf sind Kantone mit je eigenen Voraussetzungen bei Wahlen. Wir haben in den letzten zwei Jahren einen starken Zuwachs an Jungen erhalten. Das wird sich mittelfristig bemerkbar machen. Umfragen vom Herbst 2022 attestieren der Mitte, dass sie bei der jungen Wählerschaft mehr Zuspruch erhält als die GLP. Das sind gute Voraussetzungen. Aber ich bleibe immer vorsichtig, realistisch. Es bleibt noch viel Arbeit, bis «Die Mitte» den Stellenwert hat, den ich erreichen möchte.
Mit Mitte und GLP gewannen klassische Zentrumsparteien. Wie kann das Zentrum dies nutzen?
Wir müssen vor allem das tun, was die Wähler und Wählerinnen von uns erwarten: die Polarisierung bekämpfen, pragmatische Lösungen finden und dazu Sorge tragen, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft bewahrt bleibt.
Mit wem wird die Mitte Listenverbindungen eingehen?
Listenverbindungsstrategien sind immer eine Mischung zwischen Mathematik und politischer Affinität. Das heisst: Zunächst streben wir Listenverbindungen dort an, wo sie uns nützen, mit den Partnern, die uns am nächsten stehen. Wenn darüber hinaus weitere vorteilhafte Verbindungen möglich sind, umso besser.
Die Grünen sind die klaren Verlierer der Zürcher Wahlen. Haben sie zu wenig gemacht aus ihrem Erdrutschsieg von 2019?
Das frage ich mich auch. Wer als Einthemenpartei von einem Megatrend profitiert und es dennoch nicht schafft, seinen Erfolg zu konsolidieren, muss damit rechnen, dass der politische Erfolg nicht nachhaltig ist.
Die SP hat sich stabilisiert, die FDP gewann leicht. Rückt für die Grünen ein Bundesratssitz in die Ferne?
SP und FDP sind – nimmt man die Wahlergebnisse 2019 und die Ergebnisse der anschliessenden kantonalen Wahlen als Basis – weiter von einem legitimen Anspruch auf zwei Sitze entfernt als die Grünen mit dem Anspruch auf einen. Rechts ist gegenwärtig mit vier Sitzen im Bundesrat ebenso übervertreten, Links wäre es ebenso mit drei Sitzen.
Kombiniert man das mit der Tradition, Mitglieder des Bundesrats, die wieder kandidieren, nicht abzuwählen, ist man bei einer Quadratur des Kreises: Die besitzstandwahrenden Kräfte werden immer die Mehrheit haben, sodass sich nichts ändert. Aber wir werden sehen, wie die Wahlresultate am 22. Oktober ausfallen.
2019 war die SVP die grosse Verliererin der Zürcher Wahlen. Sie hat sich nun stabilisiert. Trotzdem: Fehlt Christoph Blocher als Stratege?
Wenn ich die rechten Medien lese, ist aus deren Sicht die «Stabilisierung» der SVP in Zürich ein Misserfolg, weil es nicht gelang, die grosse Niederlage von 2019 wettzumachen. Dass die stärkste Partei in Baselland aus dem Regierungsrat fliegt, ist ebenfalls bemerkenswert.
Blochers Fähigkeiten als Stratege, Analytiker und Impulsgeber fehlen in der SVP je länger, je mehr. Für die SVP ist Blocher nach wie vor unersetzbar. Es wird anspruchsvoll werden für die SVP, die heutige Stärke zu behalten, wenn Christoph Blocher sich weiter zurückzieht aus der Arbeit für die Partei, wofür ich übrigens vollstes Verständnis habe. Er hat mehr als genug geleistet für die SVP.
Mit der Zuwanderung hat die SVP ein Wahlkampfthema, das die Menschen beschäftigt. Wie reagiert die Mitte darauf?
Migration ist ein wichtiges Thema, aber die Schweiz hat gegenwärtig nicht nur die Migration als Herausforderung. Die Mitte steht klar ein für den Schutz der Flüchtlinge aus der Ukraine, für ein konsequentes und humanes Asylrecht und für eine Zuwanderung, die die Arbeitskräfte in die Schweiz kommen lässt, die wir dringend benötigen.
Die Migrationspolitik der letzten Jahre ist durchaus ein Erfolg. Es gibt kein europäisches Land – ausser Luxemburg – mit einem so hohen Anteil an Ausländern und Ausländerinnen und derart wenigen Integrationsproblemen wie die Schweiz. Das spricht einerseits für die hohe Integrationskraft der Schweizer Gesellschaft, andererseits für die hohe Integrationsbereitschaft der allermeisten Ausländer und Ausländerinnen, die in die Schweiz kommen.
Welche konkreten Pläne haben Sie, um die SVP-Zuwanderungsdebatte zu kontern?
Indem wir das Asylgesetz, das gegen den Widerstand der SVP vom Volk beschlossen wurde, konsequent umsetzen. Und indem wir den Fachkräftemangel, der nach wie vor besteht, mit inländischen Massnahmen angehen. Letztendlich sollten wir uns aber immer bewusst sein: Migrationsdruck ist eine Folge davon, dass die Schweiz ein äusserst attraktives Land ist, in dem es sich sehr gut leben und arbeiten lässt.
Deshalb ist Migration eine Herausforderung, die verursacht wird durch den Erfolg der Schweiz. Ich löse lieber die Probleme, die wir haben, weil wir erfolgreich sind, als die Probleme eines Landes, das niemandem eine Perspektive bieten kann. Noch vor ein paar Generationen war die Schweiz ein Land, aus dem die Menschen flohen, weil sie keine Zukunft hier sahen. Niemand kann sich ernsthaft diese Zeiten für die Schweiz zurückwünschen. (aargauerzeitung.ch)
Wer SVP wählt, wählt Rückschritt und Verarmung!
Allerdings ist "Die Mitte" nur eine Fassade, dahinter sind immernoch die gleichen konservativen, religiösen verhinderer.