Wenn es um den Wolf, die Jagd und Otter geht, dann streiten Schweizerinnen und Schweizer hochemotional. So war es auch im Parlament, als das neue Jagdgesetz erarbeitet wurde. Am 27. September 2020 stimmt die stimmberechtigte Bevölkerung über die Vorlage ab.
Was soll geändert werden? Welche Tiere sind betroffen? Und wie versteht man die Argumente, auch wenn man zuvor keine Ahnung von der Jagd hatte? watson hat die wichtigsten Fakten dazu zusammengefasst.
Die Jagd in der Schweiz hat heute unter anderem den Zweck, die Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. Dieser Grundsatz gilt seit 1988: Die Politik versuchte damals mit einem neuen Jagdgesetz, einen Ausgleich zwischen Wildpopulation, den Interessen des Menschen und der Natur zu finden. Heute wird unterschieden zwischen:
Jagbare Arten: Das Gesetz zählt auf, welche Tiere einfacher von Jägerinnen und Jägern geschossen werden dürfen. Dazu zählen etwa Gämse oder Rehe. Die Kantone bestimmen in eigenen Vorschriften Details dazu.
Geschützte Arten: Tiere, die nicht laut Gesetz jagbar sind, werden geschützt. Dazu zählt heute auch der Wolf. Sie dürfen nur dann geschossen werden, wenn sie grosse Schäden oder Gefahr verursachen.
Für diese jagbaren Tiere gilt eine Schonzeit
Diese Umstellung auf den Artenschutz in den 1980er Jahren hatte Erfolg. Viele Tiere konnten sich wieder ansiedeln und ihre Population ausbauen. Das passt nicht allen. So klagt die Landwirtschaft über rund 200 jährlich vom Wolf gerissene Tiere. Auch Bären gerieten in den Fokus, weil sie häufiger ihre natürliche Scheu ablegen und in Dörfern gesichtet werden.
Was will das neue Jagdgesetz?
Die grössere Wildpopulation, die Gefahr für Mensch und (Nutz-)Tier und der Wertewandel sorgten vor rund zehn Jahren für ein Umdenken. So wurde ein «grösserer Spielraum» bei der «Regulierung» von Wolfsbeständen gefordert. Das Parlament wünschte zudem eine Modernisierung des Jagdgesetzes.
Die Schweiz stimmt am 27. September 2020 über das neue Jagdgesetz ab. Bundesrat und Parlament haben die Forderungen der letzten Jahre in eine Gesetzesänderung verpackt. Folgendes soll sich ändern:
Wolf und Steinbock werden zur «regulierbaren, geschützten Art»: Tiere, die in dieser Kategorie sind, können von den Kantonen vorsorglich zur Jagd freigegeben werden – noch bevor Schäden angerichtet werden.
Bundesrat kann andere Tiere zur «Regulierung» freigeben: Geschützte Tiere, die Schäden verursachen oder den Mensch oder andere Tiere gefährden, können vom Bundesrat auch zur «Regulierung» freigegeben werden.
Änderung bei jagbaren Tieren: Neu gejagt werden soll die Saatkrähe. Die Moorente und das Rebhuhn sollen geschützt werden. Alle einheimischen Tiere kriegen eine «Schonzeit», in der sie nicht gejagt werden dürfen. Nicht-Einheimische sollen das ganze Jahr durch gejagt werden dürfen.
Modernisierung des Jagdgesetz: Der Bund soll neu national regeln dürfen, was für die Jagdprüfung gelernt werden soll (unter anderem: Tierschutz und Umgang mit Waffen). Die bestandene Jagdprüfung soll zudem neu von allen Kantonen anerkannt werden.
Kriegt die Schweiz jetzt ein «Abschussgesetz»?
Dieselbe Frage stellt sich die PR-Abteilung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga selbst. Der Begriff «Abschussgesetz» wird immer wieder von Naturschutzverbänden ins Spiel gebracht. Eine klare Ja-Nein-Antwort gibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf seiner Webseite nicht.
Die Antwort auf diese Frage ist deshalb nicht ganz einfach. Ein Blick auf die Änderungen beim Wolf machen das klar. Kommt ein Wolf einem Dorf ohne Scheu gefährlich nah, soll der Abschuss vom Kanton freigegeben werden dürfen, noch bevor der Wolf Schäden anrichtet. Einen solchen Abschuss muss der Kanton beim Bund vorgängig begründen.
So soll ein Wolfsrudel wieder die Scheu vor dem Menschen lernen. Die Tötung von ganzen Rudeln bleibt verboten. Gleichzeitig wird die Landwirtschaft in die Pflicht genommen: Schafe und Ziegen sollten neu mit Zäunen und Hunden geschützt werden, damit der Wolf sie gar nicht erst reissen kann. Wer das nicht tut, kriegt neu keine Entschädigung für gerissene Tiere.
Naturschutzverbände befürchten, dass der Bundesrat Fischotter als «quasi jagbar» einstufen könnte. Bild: KEYSTONE
Naturschutzverbände kritisieren das Gesetz als «unausgewogen». Von der «ungenügenden Arbeit des Parlaments» sei der Artenschutz betroffen, mehrere Tierarten sowie die Natur kämen «noch mehr unter Druck».
Ihre Argumente im Detail:
Abschuss-Freipass: Das Komitee kritisiert, dass «unliebsame, bedrohte Tiere» getötet werden sollen, bevor sie Schäden anrichten. Sie sprechen von «Abschüssen ‹auf Vorrat›». Ein Tier könne mit dem neuen Gesetz nur wegen seiner «Existenz» getötet werden
Bundesrat kriegt mehr Kompetenz: Die Gegnerinnen und Gegner stören sich daran, dass der Bundesrat mit dem neuen Gesetz frei darüber entscheiden kann, welche Tiere zusätzlich als «quasi jagbar» gelten sollen. Das Komitee sieht dadurch Tiere wie Luchs, Biber, Fischotter, Gänsesäger, Graureiher, Mittelmeermöwe, Steinadler oder den Höckerschwan in Gefahr.
«Kantonsgrenzen» beim Artenschutz: Kritik wird auch daran geübt, dass Kantone mehr Kompetenzen erhalten. Das neue Gesetz erlaube den Kantonen neu den Abschuss von geschützten Tierarten, der Bund müsse nur noch «angehört» statt um Bewilligung gefragt werden.
Was sind die Argumente für das neue Jagdgesetz?
Für Umweltministerin Simonetta Sommaruga (SP) handelt es sich bei der Vorlage um «einen klassischen schweizerischen Mittelweg». Sie stellte Ende Februar die Argumente des Bundesrates vor:
Video: youtube
Verbesserungen für Natur und Wildtiere: Mit dem neuen Jagdgesetz würden zusätzliche Gelder für Reservate, Schutzgebiete und Wildtierkorridore gesprochen werden. Auch Bäuerinnen und Bauern würden neu verpflichtet, ihre Tiere durch Zäune zu schützen. Zusätzlich werde die Jagd von zwölf Tierarten verboten.
Kein bedingungsloses Abschiessen: Die «pragmatische Lösung», wonach Wölfe neu präventiv erlegt werden dürfen, sei an mehrere Voraussetzungen geknüpft. Der Wolf bleibe nach wie vor ein geschütztes Tier, der Bund und die Naturschutzverbände könnten sich weiterhin gegen Abschussbewilligungen wehren.
Vorlage sei ein «schweizerischer Mittelweg»: Der Bundesrat freut sich, dass die Wolfspopulation stark anwachsen konnte. Jedoch führten Wolfsangriffe auch zu Konflikten mit den Besitzern von Nutztieren. Die Städter müssten «Rücksicht nehmen auf die Situation auf dem Land und in den Bergen».
Wie sind die Städte davon betroffen?
In den vergangenen Jahren verirrten sich Wildtiere auch absichtlich oder unabsichtlich in die Nähe von Städten und Zentren. Sie verursachten dabei auch schon grössere Schäden, wie die folgenden watson-Berichte darüber zeigen:
Eine klare Antwort ist hier noch nicht möglich. Der Bundesrat und das Parlament geniessen ein hohes Vertrauen der Stimmbevölkerung. Referendumsvorlagen haben deshalb zu Beginn von Abstimmungskämpfen traditionell hohe Sympathien.
Ob dies auch beim Jagdgesetz so ist, dürfte in einigen Tagen klar sein. Dann werden die ersten Umfrage-Resultate von gfs.bern im Auftrag der SRG erwartet. Eine zweite Umfrage wird erfahrungsgemäss im September veröffentlicht.
Unbestritten ist, dass Bundesrätin Sommaruga sich auf einen emotional geführten Abstimmungskampf einstellen sollte. Einen Vorgeschmack darauf erhielt sie letztes Jahr, als sich im Parlament Berglerinnen, Städter, Tierschützer und Bäuerinnenvertreter um Details der Vorlage zankten.
DANKE FÜR DIE ♥
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