Das Obergericht des Kantons Zürich hat am Freitag ein Ehepaar vom Vorwurf des Menschenhandels freigesprochen. Es sprach die beiden aber in anderen Punkten schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Das Gericht sprach den Mann schuldig der sexuellen Nötigung, des Wuchers, der Drohung und einiger Nebendelikte. Seine Freiheitsstrafe von 27 Monaten muss er im Umfang von 10 Monaten absitzen, 17 Monate sind zur Bewährung ausgesetzt. Die Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Franken wurde bedingt ausgesprochen. Der Privatklägerin hat der Mann eine Genugtuung von 6000 Franken zu bezahlen.
Die Frau sprach das Gericht des Wuchers und einiger Nebendelikte schuldig. Sie kam mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu 30 Franken davon. Die Strafen seien unter anderem wegen der langen Dauer des Verfahrens reduziert worden, sagte der vorsitzende Richter.
In dem Verfahren ging es um eine junge Frau aus Südosteuropa. Zwischen November 2015 und Juni 2016 war sie bei dem beschuldigten Paar aus dem gleichen Kulturkreis ohne Arbeitsbewilligung als Kindermädchen und Haushaltshilfe angestellt. Die Beschuldigten hätten bezüglich Lohn ihre Unerfahrenheit «schamlos ausgenutzt», sagte der Richter. Damit machten sie sich des Wuchers schuldig.
Laut Anklägerin war der Tatbestand des Menschenhandels erfüllt. Die junge Frau sei von den Arbeitgebern ausgebeutet, schikaniert und misshandelt worden. Sie habe sich in einer Notlage befunden, sei hilflos und besonders verletzlich gewesen. Dies hätten die Beschuldigten ausgenutzt.
Dennoch sprach das Gericht die Beschuldigten in diesem Punkt frei. Die Voraussetzungen für eine Verurteilung seien nicht gegeben, erklärte der Richter bei der mündlichen Urteilsbegründung.
Zwar sei die junge Frau illegal beschäftigt worden, habe überlange Arbeitszeiten leisten müssen, und ihre Schlafsituation – eine Matratze im Kinder- oder Wohnzimmer – sei desolat gewesen. Zudem habe in dem Haushalt ein gängelndes, Grenzen überschreitendes Klima geherrscht. Der Umgangston sei teils «inakzeptabel und unanständig» gewesen.
Allerdings sei die Privatklägerin nicht «aus armen oder ärmsten Verhältnissen» gekommen. Sie habe eine gute Erziehung gehabt, über Sprachkenntnisse verfügt und eine kaufmännische Ausbildung sowie eine Zusatzausbildung im Gastro-Bereich abgeschlossen.
Auch nach eigenen Angaben hätte sie laut Gericht «realistische Chancen» auf dem Arbeitsmarkt in ihrer Heimat gehabt. Sie habe ihr Auskommen gehabt, wenn auch bescheiden. Damit habe weder eine ernsthafte wirtschaftliche Bedrängnis noch eine Zwangslage vorgelegen, sagte der Richter.
In der Wohnung der Beschuldigten, mitten in einer Stadt, sei sie nicht isoliert gewesen, sagte der Richter. Sie habe Zugriff auf ihren Pass gehabt, verfügte über einen Wohnungsschlüssel, konnte allein hinausgehen, hatte ein Handy und gratis Internet. Sie habe denn auch täglich mit Aussenstehenden telefoniert.
«Sie hätte jederzeit gegen können», sagte der Richter. Sie habe Bekannte gehabt, die ihr wenn nötig für die Heimreise Geld geliehen hätten. Stattdessen kam sie in die Familie zurück, nachdem sie nach drei Monaten die Schweiz verlassen hatte. Alles in allem zeige sich: Ihre Entscheidungs- und Handlungsfreiheit seien nicht eingeschränkt gewesen.
Ob Anklage oder Verteidigung das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen, ist noch nicht entscheiden. Zuerst muss die schriftliche Urteilsbegründung vorliegen. Die Staatsanwältin hatte am Donnerstag darauf hingewiesen, dass der Bund die Strategie gegen Menschenhandel verschärfen wolle. Noch liege jedoch kein einschlägiges Bundesgerichtsurteil vor. (sda)