Grenzwächter auf geheimem Auslandseinsatz erwischt: Jetzt packt der Kommandant aus
Jürg Noth tritt noch immer wie ein Kommandant auf, obwohl er seit vier Jahren pensioniert ist. Er schreitet in den grossen Saal des Bundesstrafgerichts, steht kurz stramm und salutiert. Die Gerichtspräsidentin zollt ihm ebenfalls Respekt und spricht ihn mit seinem militärischen Rang an: «Herr Brigadier». Er ist der ehemalige Kommandant des Schweizer Grenzwachtkorps und tritt als Zeuge auf.
Er soll mithelfen, eine bizarre Affäre aufzuklären. Sie ereignete sich vor sieben Jahren. Die im St.Galler Rheintal stationierte Grenzwache führte zwei illegale Aktionen in Österreich durch. Schweizer Beamte fuhren in Zivil nach Vorarlberg und führten Observationen durch. In der Aktion «Knobli» standen sie vor Hanfläden und notierten die Nummernschilder von Schweizer Kundschaft, die hier legal Hanfsamen oder Setzlinge kaufte. Rund 40 Grenzwächter winkten diese dann gezielt aus dem Verkehr.
Die Aktion «Megro» lief nach dem gleichen Drehbuch ab – es ging um Fleischschmuggel. Die Zivilbeamten postierten sich vor Vorarlberger Grossverteilern und meldeten ihren Kollegen an der Grenze die Nummernschilder von Schweizer Einkaufstouristen, die grosse Mengen Fleisch einkauften.
Dieses Vorgehen war effizienter als die üblichen Stichprobenkontrollen. Doch es war illegal. Die Grenzwache hätte dafür eine offizielle Bewilligung der Vorarlberger Polizeidirektion haben müssen. Der Postenchef, der die Aktion «Knobli» organisierte, hatte lediglich eine inoffizielle Zusage seines Vorarlberger Amtskollegen. Bei der Aktion «Megro» lag gar keine vor.
Als die geheimen Operationen 2019 publik wurden, gab es politischen Wirbel. Die Schweiz schickte ein offizielles Entschuldigungsschreiben nach Österreich. Die Richterin fasst den Ton des Antwortbriefs als «unaufgeregt» zusammen. Die Österreicher hätten sich darin auf «weitere gute Zusammenarbeit» gefreut.
Wie Österreich auf den Fauxpas reagierte
Kommandant Noth rief seinen Amtskollegen danach an, um sich ebenfalls zu entschuldigen. Er erklärte die Aktionen mit «Übereifer». Sein österreichischer Kollege habe gesagt: «Das machen unsere Leute wahrscheinlich auch.» Beide waren sich einig, ihr gutes Verhältnis nicht mit diesem «Unsinn» zu belasten.
Für die Schweiz war die Sache damit aber nicht erledigt. Die Bundesanwaltschaft verurteilte die zwei Postenchefs und eine Einsatzoffizierin nach einem langen Strafverfahren 2024 wegen «Verletzung fremder Gebietshoheit». Dagegen wehren sich die Betroffenen nun vor Gericht.
«Die Kader waren zerstritten»
Der Prozess gibt einen Einblick in das Innenleben der Region Zoll Ost. Jürg Noth bezeichnet diese als seine «Kummerregion». Er meint damit schlechtes Führungsverhalten des regionalen Kommandanten und seines Stellvertreters. Diese hätten seine Weisungen nicht eingehalten: «Bern war offenbar ein Feindbild für sie.»
Die Region habe immer über mangelnde Ressourcen «gejammert». Sie habe das Kommando in Bern oft nicht über ihre Schwerpunkte informiert. «Wir wurden in Bern nur informiert, wenn es Probleme gab – dafür waren wir gut genug.» Die Kader in dieser Region seien zerstritten gewesen. Der regionale Kommandant Markus Kobler hat diese Auseinandersetzung verloren. Anfang Monat wurde er intern versetzt, wie CH Media berichtete. Er arbeitet jetzt als Berater für den Direktionsbereich Operationen. Das ist die Folge einer internen Untersuchung, die ihm Führungsschwäche attestierte.
Ein angeklagter Postenchef beschreibt die Zusammenarbeit vor Gericht so: «Es war immer ein Gegeneinander und kein Miteinander. Es wurde immer über Personen und nicht über Sachen diskutiert.»
Die Beschuldigten schieben sich die Schuld zu
Der fehlende Teamgeist zeigt sich auch in der Verhandlung. Die Angeklagten schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Die beiden Postenchefs machen die Einsatzoffizierin für die fehlende Absprache mit Österreich verantwortlich. Sie war die Führungsgehilfin des Regionalkommandanten und segnete die Aktionen formell ab. Deshalb hätte sie sich um die Rechtmässigkeit der Einsätze kümmern müssen. Einer der Postenchefs gibt an, er habe gar nicht über die nötigen Kontakte nach Österreich verfügt.
Die ehemalige Offizierin spricht vor Gericht abschätzig über «die zwei Herren». Ihr Verhalten findet sie nicht normal: «Wenn man in die polizeiliche Führung will, stellt man sich der Verantwortung.»
Alle drei Angeklagten leiden unter dem langen Verfahren. Der eine Postenchef erlitt ein Burnout, der andere bekam Schlafprobleme. Die Offizierin durfte danach zwar bei der Bundeskriminalpolizei arbeiten, aber nicht aufsteigen.
Ex-Kommandant Noth stellt sich im Prozess auf ihre Seite. «Postenchefs sind wie Kompaniekommandanten im Militär: Sie haben eine hohe Kompetenz und sind sogar berechtigt, Helikopter einzusetzen.» Sie seien auch dafür zuständig, solche Aktionen mit ihren ausländischen Kollegen abzusprechen.
Der Regionalkommandant und sein Stellvertreter hingegen sahen die Einsatzoffizierin in der Verantwortung, wie sie einst aussagten.
Ein angeklagter Postenchef sagt: «Wenn sich die oberste Führung nicht einig ist, wie soll ich es denn wissen?»
Der Verhandlungsauftakt ordnet das Chaos nicht. Die Grenzwache führte Nacht-und-Nebel-Aktionen durch – die Verwirrung hält bis heute an.