Der Infotag der Armee soll auch für Frauen obligatorisch werden. Das hat die Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte) am Montag in der Sendung «Eco Talk» bei SRF gesagt.
Frauen, so Amherd, die sich für die Armee interessierten, hätten «fast Hemmungen», ihren Arbeitgebern zu sagen, dass sie freiwillig an den Armeeorientierungstag gehen wollen. Zwar gebe es Arbeitgeber, die das durchaus unterstützten, aber es gebe eben auch andere – und es gebe das Umfeld, das sage: «Warum gehst du dahin? Du musst ja nicht, also mach das doch nicht!»
Wenn es hingegen obligatorisch sei, so Amherd weiter, sei klar: «Frauen gehen auch.» Dann sähen sie, welche interessanten Möglichkeiten es in der Armee gäbe.
Die Idee, Hürden und Hemmungen abzubauen, ist zu begrüssen. Schliesslich sollen Frauen, die in die Armee wollen, nicht ausgeschlossen werden oder sich anhören müssen, dass das nichts für sie ist. Die Chancen sollen für alle gleich sein und Männerbastionen gilt es grundsätzlich zu stürzen. Allen alles!
Und für Frauen, die nicht in die Armee wollen, gibt es sicher Schlimmeres, als an einem Tag Sandwiches zu essen und Panzer anzuschauen (so stelle ich mir das zumindest vor, aber wahrscheinlich wären es eher Flipcharts und Frontalvorträge).
Egal, wie der Infotag aussieht, ob mit oder ohne Sandwich: Er erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich Frauen motiviert fühlen, sich zu Auf- und Abrüstung eine Meinung zu bilden und die Armee allgemein weniger als Angelegenheit der Männer anzuschauen, wenn sie mal auf einem Waffenplatz gestanden haben (oder wo auch immer so ein Infotag stattfindet – ich war ja nie an einem).
Auf den Infotag wird für Frauen wahrscheinlich die Wehrpflicht folgen. Beides gehört nämlich zum Programm des Bundesrates, «den Bestand von Armee und Zivilschutz langfristig sicherzustellen».
Der Armee drohen nach eigenen Angaben die Soldaten auszugehen. Recherchen der «Republik» widersprechen dieser Darstellung. Dennoch schreibt das Verteidigungsdepartement (VBS): «Die Armee wird gegen Ende des Jahrzehnts Schwierigkeiten haben, den Effektivbestand von 140'000 Armeeangehörigen sicherzustellen.»
Darum, heisst es auf der Webseite weiter, wolle der Bundesrat bis Ende 2024 prüfen, ob er den Orientierungstag auch für Frauen obligatorisch machen und die Dienstpflicht auch auf Frauen ausweiten will. Beides braucht eine Verfassungsänderung und kann darum noch dauern.
Amherd sagt im SRF: «Was die Dienstpflicht angeht, sind wir im Rahmen der Alimentierung der Armee dran, die gesetzlichen Vorgaben zu ändern, [damit wir dann] überlegen können, ob es ein Obligatorium für Frauen braucht oder nicht.»
Solange in der Schweiz die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nicht gegeben ist, wäre eine Wehrpflicht für Frauen eine fundamentale Frechheit, gegen die sie sich – davon bin ich überzeugt – wehren würden.
Eine Datenanalyse des «Tages-Anzeiger» zeigt, dass Frauen in der Schweiz vor drei Jahren 1500 Franken oder 18 Prozent weniger verdienten als Männer und sich diese Differenz seit 2014 kaum verändert hat.
Das ist nur eine von vielen Erkenntnissen. Frauen beziehen auch weniger Rente, leisten mehr unbezahlte Care- und Hausarbeit (und tun damit genug für die Gesellschaft), werden als Schwangere auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und noch immer zu wenig gegen sexualisierte und häusliche Gewalt geschützt – um nur einige «Gender-Gaps» zu nennen.
Neben diesen lebenslänglichen Unausgewogenheiten Frauen nicht nur einen Infotag, sondern auch 245 Diensttage in der Armee aufzubrummen, würde die Waage der Geschlechtergerechtigkeit definitiv aus dem Gleichgewicht bringen.
Es ist darum nicht zu erwarten, dass Feministinnen und Feministen am Frauenstreik am 14. Juni auf den Strassen für eine Wehrpflicht für Frauen skandieren, weil sie darin ein fehlendes Stück Gleichberechtigung sehen.
Das ahnt auch das VBS: «Bei der Dienstpflicht für Frauen hat sich gezeigt, dass man gegenüber einer solchen Ausweitung der Dienstpflicht zurückhaltend ist, solange die Gleichstellung in anderen Bereichen nicht realisiert worden ist.» Das zeigte eine Umfrage und eine Anhörung des VBS.
Ob und wie das VBS die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern verbessern will, um Frauen dann von der Wehrpflicht zu überzeugen, steht nicht geschrieben. Der oben zitierte Satz ist der letzte auf der Seite.
So viel soll schon gesagt sein: Mit der geplanten Erhöhung der Frauenquote von aktuell 1,5 Prozent auf 10 Prozent bis 2030 wird es aber nicht getan sein.
Bevor in den Kommentarspalten jetzt alle argumentieren, dass es doch «nur gerecht» sei, dass Frauen auch ins Militär müssen und ihr Ausschluss dem Gleichstellungsartikel widerspreche, hier ein Hinweis: Das Bundesgericht hat den Militärdienst für Männer in den letzten dreissig Jahren mehrmals als zulässige Ausnahme (lex specialis) befunden.
1991 erklärte das Bundesgericht beispielsweise, dass das Gleichstellungsgesetz geschaffen wurde, um «in erster Linie die Situation der Frauen zu verbessern und nicht um ihnen noch weitere Verpflichtungen aufzuerlegen».
Dabei gilt der Grundsatz, dass Gleichstellung als Anpassung nach unten statt nach oben vollzogen werden soll. Heisst, im Zweifel immer mehr Privilegien für alle als mehr Pflichten für einige.
Wenn eine Feministin ernstgenommen werden will, sollte sie zumindest mal zur Aushebung gehen.
Untauglich werden ist übrigens gar nicht so schwer, Roger Federer hat es auch geschafft. 🤣
Das wäre keine fundamentale Frechheit!
Ich bin ein grosser Verfechter der Gleichberechtigung und Emanzipation und unterstütze zB Mitarbeiterinnen aktiv darin und wir Männer müssen bei manchem noch etwas mehr lernen zurückzustehen.
Aber Rechte müssen auch mit Pflichten aufgewogen werden und es gibt Heute keine Gründe mehr gegen eine allgemeine Wehrpflicht, die über "aber anderswo sind wir noch nicht gleich" hinausgehen.
Es ist im Gegenteil ein essentieller Schritt der Emanzzipation und eben auch des Zeichens dafür, dass Frauen nicht nur fordern.
Die Argumentation mit "das Bundesgericht rechtfertigte die Ungerechtigkeit", das tat es übrigens auch mal fürs fehlende Frauenstimmrecht, sogar mehrmals. Finde ich ein extrem schwachses Argument, das ist rhetorisch schwach und lässt sich derart einfach zerpflücken, damit tut man sich keinerlei Gefallen.
Der Artikel klingt leider sehr nach "ich will nicht" und nicht nach guter Begründung