Es war ein Satz, der aus der Anfangszeit der Pandemie geblieben ist: «So schnell wie möglich und so langsam wie nötig.» So beschrieb Bundesrat Alain Berset vor mehr als einem Jahr die Schweizer Covid-Politik. Er und seine sechs Kolleginnen und Kollegen in der Landesregierung zogen dies einigermassen konsequent durch.
Dieses Kapitel ist nun definitiv vorbei. Der Bundesrat hat sich den Massnahmen-kritischen Stimmen gebeugt und einen Öffnungsmarsch verordnet. Der Turbo ist schneller als geplant und dürfte bald ein Laufschritt werden. Geht es nach Bund und Kantonen, könnte also tatsächlich das kommen, was wir uns alle wieder wünschen: ein toller Sommer mit offenen Beizen, Open Airs, Konzerten und überfüllten Badis.
Das wäre wünschenswert. Nur gehört es zur Natur von Zukunftsprognosen, dass sie sich als falsch herausstellen können. Zwar zeigen viele Indikatoren in eine gute Richtung: Die Fallzahlen sinken und die Impfung der Bevölkerung kommt einigermassen gut voran. Hält diese Tendenz an, könnte es tatsächlich klappen.
Auch wenn sich das niemand wünscht: Die Übertragungskette kann bei täglich gegen 1000 Neuinfektionen jederzeit eskalieren. Das wäre sogar nicht einmal überraschend, angesichts der Tatsache, dass die Behörden immer noch nicht wissen (wollen), wie sich einzelne Virusvarianten wirklich entwickeln und was mit den Kindern und Jugendlichen ist, bei denen das Virus nach wie vor ein Thema ist.
Daran ändert auch unsere Massnahmen-Müdigkeit nichts. In diesem neuen Kapitel der Pandemie-Politik namens «Stabilisierungsphase» werden wir alle anerkennen müssen, dass behördliche Massnahmen nur ein Teil der Bekämpfung waren. Schliessungen, Einschränkungen und Verbote auf Dauer zerstören Existenzen, schwächen die Akzeptanz einer Politik und sind grundrechtlich kaum zu rechtfertigen.
Wir werden aber auch umso mehr anerkennen müssen, dass der andere Teil der Bekämpfungsstrategie nun eine wichtigere Rolle einnimmt: unsere Eigenverantwortung für unsere Mitmenschen. Wenn wir nicht zurück zu den Einschränkungen wollen, müssen wir uns nun wirklich alle impfen oder zumindest regelmässig testen lassen. Wir werden Vorsicht walten lassen müssen, wenn die Beizen in den Ausgehmeilen wieder öffnen und wir heiter durch die Nächte ziehen. Wir werden weiterhin Schutzmasken in Zügen und an spontanen Grossveranstaltungen wie Demos oder Feiern tragen müssen, bevor sowas wie eine Herdenimmunität nicht mal ansatzweise erreicht wird.
Dieses eigenverantwortliche Handeln gehört über 15 Monate nach dem Ausbruch der Pandemie nun einfach dazu. Wir müssen das alles beherrschen – einen Plan B gibt es nicht.
Das konnte schon länger so beobachtet werden.
Der Bundesrat hat absolut richtig entschieden.
Im wahrsten Sinne: Zurück zur Normalität.