«Mann im Haus» heisst Loredanas drittes Studioalbum. Der Name ist Programm: Auf dem Albumcover träg sie einen Anzug. Wie ein Mann eben.
Als passionierte Deutschrap-Hörerin habe ich mir ihre Texte genauer angeschaut. Mein Fazit vorweg: Das Album hat wenig Substanz, überzeugt aber insgesamt. Die Songs harmonieren gut miteinander, viel Autotune und Beats, die Bock machen aufzustehen, mitzurappen und durch die Wohnung zu tanzen. Oder zumindest mit dem Kopf mitzuwippen.
Loredana spricht spannende Themen an: Warum Geld nicht glücklich macht. Ihre Panikattacken. Das Leben als alleinerziehende Mutter. Die unendliche Liebe, die sie für ihre Tochter empfindet. Ihre Beziehung zu Gott. Trennungsschmerz, Betrug und Verrat. Ihr Bruder sitzt im Knast und Loredana muss das der Mutter erklären.
Dass Loredana sich mittlerweile getraut, persönlichere Songs zu veröffentlichen, rechne ich ihr hoch an. Sie versteckt ihre Identität nicht mehr hinter der Sonnenbrille, wie sie das 2018 noch tat. Das ist mutig, denn Offenheit macht nicht nur nahbar, sondern auch angreifbar.
An Substanz fehlt es jedoch – sie vertieft nur wenige Themen wirklich. Aber mal ehrlich: Musik muss nicht immer bedeutungsschwanger sein.
Die Scheidung vom albanischen Rapper Mozzik stellt Loredana scheinbar vor viele Herausforderungen. Im Intro sagt sie:
Diese Lines implizieren, dass sie sich gegen aussen für die Scheidung rechtfertigen muss. Gleichzeitig suggeriert der Song «Hana», dass sie denkt, dass sie ihrer Tochter Erklärungen schuldig sei.
Dass Loredana diese Schuldgefühle thematisiert, finde ich wichtig. So enttabuisiert sie diese Themen und kann eine Stütze sein für Frauen, die auch mit diesem Gefühl der Schuld kämpfen.
Pragmatisch gesehen könnte man argumentieren: «Ihr müsst kein schlechtes Gewissen haben.» Faktisch haben die Frauen, die sich scheiden lassen, es trotzdem. Deshalb ist es wichtig, dass Loredana, eine erfolgreiche und unabhängige Frau, mit ihren Songs indirekt sagt: «Ihr seid nicht alleine.»
«Hana» ist berührend und erinnert eher an eine Ballade als an einen Rapsong. Loredana versetzt sich in dem Song in ihre Tochter und singt:
Im Verlauf des Songs wechselt sie wieder in die Perspektive der Mutter und erklärt ihrer Tochter:
Doch Loredana zeigt sich in dem Album nicht nur von ihrer sensiblen Seite als Mutter, sondern veröffentlicht auf ihrem neuen Album auch fragwürdige Inhalte. In Songs wie «Dubai Hoes» und «Er ist eine Bitch» macht Loredana Lebensstile fertig, die nicht ihrem eigenen entsprechen.
Solche Angriffe sind geschmacklos. Loredana hat bereits allen bewiesen, dass sie es geschafft hat: Sie ist erfolgreich, trägt Designerklamotten und jettet mit ihrer Tochter, ihren Freundinnen und ihrer Familie durch die Welt – alles, was sie laut ihren Texten je wollte.
In «Dubai Hoes» singt sie: «Du gibst Blow***s für 'ne Yachtfahrt bei 'nem Old Dirty Bastard.» Im Hintergrund hört man ein Adlib von Würgegeräuschen. Ziemlich daneben.
Auch andere Zeilen sind anstössig und fragwürdig: «Hoe, ich weiss, dass du Sch***ze lutschst, bitte mach mir nicht auf selfmade. Von Extentions übers Lächeln bis zur Bag hin alles fake.»
Es ist unbestritten, dass Loredana selbst erfolgreich unterwegs ist. Deshalb ist es völlig überflüssig, dass sie gegen Escortgirls oder Instamodels schiesst.
Dass sie andere Lebensentwürfe disst, sagt mehr über Loredana selbst als über die «Dubai Hoes» aus. Und bezüglich selfmade: Musste sich nicht Loredana selbst in der Vergangenheit gegenüber Betrugsvorwürfen rechtfertigen?
Etwas, das seit Beginn ihrer Karriere auffällt, ist, dass Loredana mit ihrem Verhalten mit typisch weiblichen Stereotypen bricht. Mir gefällt das. Sie ist zwar immer top gestylt und geschminkt, spuckt aber auf den Boden, fasst sich in den Schritt oder zeigt der Kamera den Mittelfinger. Das sorgt für Aufruhr, denn das sind alles Dinge, die nicht zum guten Ton gehören.
Aber: Würde das die Menschen auch so stören, wenn Loredana ein Mann wäre und keine Frau? Ich wage, das zu bezweifeln.
Im letzten Song des Albums erklärt sie, welche Rolle sie in ihrer Familie übernimmt: «Stapel Scheine, mache Plus für mich und meine Family. Ja, ich sterb’ für sie. Ja, ich schiess’ für sie.» Sie sagt: «Eine einsame Frau, doch [ich] bin und bleib der Mann im Haus.»
Loredana sieht sich als «Mann im Haus». Ich finde es gut, dass sie mit Stereotypen bricht. Aber es ist gewissermassen auch schade – denn 2023 sollte es mittlerweile allen klar sein, dass eine «Frau im Haus» einen «Mann im Haus» gar nicht nötig hat, um ihre Familie zu versorgen.
Snowy
Dein neues Album ist wiederum auch musikalisch richtig schlecht - genau wie alles andere wofür Du stehst.
Liebe Grüsse!
S
Kruk
" Sie ist zwar immer top gestylt und geschminkt, spuckt aber auf den Boden, fasst sich in den Schritt oder zeigt der Kamera den Mittelfinger."
Designerkleider, durch die Welt (Dubai, Paris, Zürich) jetten, auf den Boden spucken, in den Schritt fassen und den Mittelfinger in die Kamera strecken.
Danke, fühle mein Leben gerade als sehr Sinnvoll gestaltet.
Guybrush Threepwood
Gleichzeitig gibt sie mit ihrem Luxusleben an.
Komisch. Aber zum Glück geht mir die eh am Allerwertesten vorbei.