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Bitte? Dimitri tot? Der Mann, dessen Lachen einmal zur Sonne, um sie herum und zu uns zurück reicht? Tot? Himmel, geht's noch? Dimitri, der Mann, der einfach da war, seit Jahrzehnten, der sich über so viele Bühnen, durch so viele Kindheiten, so viele Erwachsenenleben lachte. Der Clown. Jetzt ist er tot. Mit 80 Jahren von uns gegangen. 80 ist alt, und sterben werden wir alle. Bloss: Kann nicht bitte vor uns allen das Jahr 2016 sterben?
Dimitri war kein böser, unheimlicher Clown, kein Stephen-King-Clown aus «Es», sondern ein lieber. Der gütige Clown aus dem Tessin. Der ohne viele Worte enorm viele Bühnenprogramme machte. Der auf grosse England- und Amerikatourneen ging, aber auch in den Mehrzweckhallen und Gemeindesälen kleiner Schweizer Dörfer auftrat. Er beschenkte uns Kinder, die wir damals begeistert für ihn die Säle der Provinz stuhlten, mit grosszügigen, ausführlichen Autogrammen und mit einer Warmherzigkeit, die hinter der Bühne noch grösser war als auf ihr.
Und dabei begann er ganz anders. Nicht als Mann, der sein Gesicht zu immer neuen Gesichtern formt, der sich selbst zur Knetmasse unseres Vergnügens und ein paar poetischer Träumereien macht, sondern als einer, der fremdes Material formt. Als Töpfer.
Am 18. September 1935 kommt er um 9.30 Uhr in Ascona zur Welt, sein Name lautet Dimitri Jakob Müller. Der Vater ist Architekt und Bildhauer, die Mutter Textilkünstlerin. Dimitri wird anthroposophisch erzogen, lernt früh die Ausdruckstänzer und anderen kreativen Vögel des Monte Verità kennen und erblickt mit 12 zum ersten Mal in einem Ferienlager die Liebe seines Lebens, Gunda.
Mit 16 beginnt er eine Töpferlehre, mit 17 ist er immer noch vergeblich in Gunda verliebt. Mit 19 zieht er als Töpfer nach Südfrankreich, besucht begeistert Stierkämpfe, nimmt an Sportwettbewerben teil (und gewinnt Medaillen), lernt Akrobatik, Ballett, Gitarre – und dann begegnet er dem legendären französischen Pantomimen Marcel Marceau. Sein Zauber macht aus Dimitri einen Clown. Er wird zu Marceaus Schüler. Und wird entdeckt.
Er ist von Anfang an ein internationaler Künstler. Einer, der später von Berlin bis Hongkong, von Prag bis Buenos Aires verstanden werden wird. Einer, der für immer der wichtigste Clown in der Manege des Zirkus Knie bleiben wird.
1960, mit 25, spielt er ein Soloprogramm im Zürcher Hechtplatz Theater. Und endlich erwidert Gunda seine Liebe, ein Jahr später heiraten sie, Kind um Kind kommt zur Welt, vier insgesamt, jedes wird sich später perfekt ins Imperium des weiss geschminkten Patriarchen fügen, die Dimitris (inzwischen hat er seinen Namen auf Jakob Dimitri ändern lassen) sind ein Clan, eine Kreativdynastie, eine Kraft.
Im Tessin feiert er legendäre Gartenpartys mit seinen Freunden Max Frisch, Günter Grass und Harald Szeemann. Charlie Chaplin und Jean Tingueley waren seine Fans. In den 70er-Jahren gründen Dimitri und Gunda ihre Scuola Teatro Dimitri in Verscio und beginnen mit der Ausbildung Hunderter Klein- und Grosskünstler. Wer dort war, beschreibt den Ort heute als Paradies, es war die Verlängerung all der Mythen des Monte Verità, jenes Kunst- und esoterischen Kraftzentrums, das in den 20er-Jahren seinen Anfang nahm. Heute ist aus der Scuola eine Accademia geworden, man kann seinen Bachelor und Master «of Arts in Theatre» machen.
Für den 23. Juli war dort der nächste Auftritt von Dimitri angesetzt, wie so oft in einem viel zu grossen grünen Mantel, und mit diesem Gesicht, das unter der Schminke seit Jahrzehnten alterslos zu sein schien. Mit diesem Gesicht, das sein Werkzeug war und sein Material. Und in dem das ganze Kapital seines Herzens leuchtete. Eines Herzens, das irrsinnig reich gewesen sein muss.