Ob Sie nun eine Linie Koks schnupfen oder Schnäppchen jagen macht kaum einen Unterschied. Zumindest nicht laut Christian Elger. Der deutsche Forscher untersuchte die Hirnströme von Probanden, während sie digital einkauften. Elger entdeckte, dass das Hirn bei Schnäppchen das Glückshormon Dopamin ausschüttet. Und dass reduzierte Preise auf uns eine ähnliche Wirkung haben wie Drogen. In einem Interview sagte er einmal: «Rabattsignale funktionieren wie Kokain.»
Das erklärt auf neuronaler Ebene, warum Konsumentinnen und Konsumenten am Black Friday am 29. November wieder ordentlich zulangen werden. Ebenso interessant ist die Erklärung, weshalb Konsum-Festtage wie Black Friday und Cyber Monday gekommen sind, um zu bleiben. Und das, obwohl ihr Nutzen aus vielen Perspektiven zweifelhaft ist.
«Es ist ein Spiel, aus dem keiner mehr raus kann», sagt Wirtschaftspsychologe Christian Fichter. «Der Detailhandel hätte wohl nichts dagegen, wenn Tage wie der Black Friday verboten würden.» Weshalb Händler sich Rabattschlachten nur schwer entziehen können, erklärt er mit dem Gefangenendilemma aus der Spieltheorie:
Zwei Komplizen sitzen eine Haft von fünf Jahren ab. Die Wärter trennen die beiden und machen ihnen ein Angebot: Sie können die Strafe verkürzen, indem sie gegen den anderen aussagen. Tut einer das, wird seine Haft auf drei Jahre verkürzt und die des Beschuldigten auf zehn Jahre verdoppelt. Schweigen beide, bleibt die Haftstrafe bei fünf Jahren. Singen beide, werden beide Haftzeiten verlängert – auf sieben Jahre. Das Problem: Die Komplizen können nicht miteinander sprechen. Um kein Jahrzehnt hinter Gittern zu riskieren, müssen sie sich gegenseitig verpfeifen.
Nach diesem Prinzip funktionieren auch Rabattschlachten. Zwar wäre es für ein Unternehmen von Vorteil, einen Fernseher zum herkömmlichen Preis zu verkaufen. Doch es weiss nicht, was die Konkurrenz plant. Und alles ist besser, als auf dem Fernseher sitzen zu bleiben. Also verkaufen sie lieber billig als gar nicht.
Dass Händler solchen Rabatt-Aktionen ausgeliefert sind, bestätigte auch der Manor-Chef Roland Armbruster. Vor einem Jahr sagte er im Interview mit CH Media: «Keine Rabatte anzubieten, geht heute nicht mehr.» Dabei war es Manor, der als erster Händler 2015 den Black Friday in die Schweiz holte. Man könnte sagen, das Warenhaus hat ein Monster erschaffen.
Doch bei diesem einen Monster blieb es nicht: «Wir stecken in immer mehr Rabatt-Aktionen, aus denen wir schwer rauskommen», sagt Bernhard Egger. Dass die Rabatt-Aktionen selbst in ihren Herkunftsländern meist keinen anderen Sinn besitzen, als den Konsum anzukurbeln, spielt keine Rolle. Zu den Aktionen rund um traditionelle Festtage wie Weihnachten oder Ostern kommen immer mehr hinzu:
Dass die Rabattschlachten und Tiefpreis-Strudel nicht schon viel früher in die Schweiz gelangten, lag an restriktiven Gesetzen. Erst 1994 änderte der Bundesrat das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und verkündete die «Liberalisierung des Ausverkaufswesens». Davor mussten Ausverkäufe noch von den Behörden bewilligt werden.
Jetzt, dreissig Jahre später, gehören die Aktionstage zur Vorweihnachtszeit wie der Samichlaus. Die Schnäppchen-Plattform Blackfridaydeals.ch schätzt jedes Jahr den Umsatz, der schweizweit am Black Friday erzielt wird. Nach einem leichten Anstieg auf 490 Millionen Franken letztes Jahr rechnet sie heuer mit einem Einbruch um 20 Millionen. «Der Wettbewerb beruhigt sich», sagt Julian Zrotz, Geschäftsführer von Blackfridaydeals.ch. Grund dafür seien die zahlreichen Konkurse von Händlern wie M-Electronics, Sportx, Steg, Esprit und Microspot.
Das bleibt wohl auch die einzige Hoffnung für Kritikerinnen und Kritiker der Rabattschlachten: dass Aktionstage wie der Black Friday langsam entschlummern. 2020 verlangte ein Nationalrat in einer Motion, der Bund solle «Praktiken wie Cyber Monday» Einhalt gebieten. Der Antrag wurde abgelehnt. (bzbasel.ch)