Die Gnitzen fliegen wieder: So gefährlich ist die Blauzungenkrankheit
Was ist die Blauzungenkrankheit?
Die Blauzungenkrankheit ist insbesondere für Wiederkäuer gefährlich. Sie wurde laut dem Bundesamt für Veterinärwesen (BLV) Anfang des 20. Jahrhunderts im südlichen Afrika entdeckt und hat sich in den folgenden Jahrzehnten in ganz Afrika verbreitet. Die erste Infektion mit dem Blauzungenvirus des Serotyps 8 (BTV-8) wurde in Europa erstmals im Jahr 2000 und in der Schweiz 2007 nachgewiesen.
Auch der Untertyp 3 (BTV-3) breitet sich mittlerweile aus und ist bei Schafen in 20 bis 25 Prozent der Fälle tödlich, bei Rindern beträgt die Mortalitätsrate ein bis fünf Prozent. Bei Schafen dauert es einige Monate, bis sie von BTV-3 genesen sind, bei Rindern einige Wochen. Der Untertyp BTV-4 zirkuliert derzeit in den Nachbarländern Österreich, Italien und Frankreich, in der Schweiz gibt es noch keinen bestätigten Fall.
Insgesamt gibt es mittlerweile mindestens 26 Untertypen des Blauzungenkrankheit-Virus. BTV-25 beispielsweise wird auch «Toggenburgorbivirus» genannt, betrifft nur Ziegen und kommt hauptsächlich im Süden und Osten der Schweiz vor, aber auch in Liechtenstein, Deutschland und Italien. Die Viruserkrankung wird von Gnitzen (siehe Box) übertragen. Die Tiere vor den kleinen Mücken zu schützen, ist kaum möglich.
Gefährdet sind Nutztiere in allen Höhenlagen, in denen Landwirtschaft betrieben wird. Nur die Weibchen der ein bis drei Millimeter grossen Stechmücken saugen Blut. Zwar können die Mücken auch Menschen stechen und dies kann in seltenen Fällen zu allergischen Reaktionen führen, wirklich gefährlich sind sie aber für Wiederkäuer.
Gnitzen haben ihre Brutstätten laut einem Bericht des UZH Magazins nicht im Wasser, sondern in Schlamm oder Kuhfladen. Das verschärft das Problem mit der Krankheit. Die Mücken sind von Juni bis Ende November hauptsächlich in der Dämmerung und nachts aktiv. Seit dem 1. April muss wieder mit Krankheitsausbrüchen gerechnet werden.
Eine direkte Übertragung des Virus von Tier zu Tier ist nicht möglich. Allerdings kann es auch in Samen weitergegeben werden. Bei der Behandlung von erkrankten Tieren muss ebenfalls Acht gegeben werden, da das Virus auch über Kanülen übertragen wird. Die Inkubationszeit beträgt fünf bis zwölf Tage.
Welche Tiere sind betroffen?
Die Viruserkrankung kann Wiederkäuer und Kameliden treffen, also etwa Rinder, Schafe und Ziegen. Eine klinische Erkrankung, also begleitet von direkt sichtbaren Symptomen, kommt jedoch meist nur bei Schafen und Rindern vor. Das hängt auch vom Untertyp des Virus und der Rasse des Tieres ab. So sind etwa feinwollige Schafe wie etwa das Merino mehr betroffen als andere. In seltenen Fällen kann es auch vorkommen, dass Fleischfresser wie Hunde oder Luchse, die virushaltiges Fleisch verzehrt haben, erkranken.
Wie ist die Situation in der Schweiz?
In der Schweiz ist die Blauzungenkrankheit meldepflichtig und gilt als zu bekämpfende Seuche. Im Oktober 2007 wurde sie erstmals in der Schweiz nachgewiesen, bis Ende 2011 wurden 76 Fälle registriert, wie das Bundesamt für Veterinärwesen mitteilt. Nach 2012 gab es erst im Jahr 2017 wieder Nachweise für die Krankheit in der Schweiz. Auch von Ende Oktober 2020 bis Juli 2024 gab es keine Fälle.
Im August 2024 wurde im Kanton Waadt erstmals wieder ein Fall von BTV-8 registriert, auch BTV-3 tauchte damals in der Schweiz auf, seither sind hunderte Tiere erkrankt. Das Risiko, dass auch BTV-4 in die Schweiz eingeschleppt wird, ist angesichts der Seuchensituation in Europa hoch.
Besonders BTV-3 verbreitet sich in der Schweiz, wie die entsprechend höhere Anzahl Meldungen seit August 2024 zeigt.
Ein Spezialfall bildet BTV-25, also das Toggenburgorbivirus. Dieses ist nicht meldepflichtig und gehört auch nicht zu den bekämpfenden Seuchen. Beim Export von Ziegen kann es jedoch zu Schwierigkeiten kommen.
Was kann man dagegen tun?
Die Tiere vor kleinen Mücken zu schützen, ist praktisch unmöglich. Eine saubere Umgebung hilft, die Brutstätten von Gnitzen einzudämmen. Der Bund empfiehlt, stehendes Wasser sowie Einstreu und Mist mindestens einmal die Woche zu entfernen. Auch Mückennetze und physische Barrieren können helfen. Tiere sollten zudem während der Dämmerung im Stall sein. Chemische Insektenabwehrmittel können ebenfalls helfen.
Ein weiterer Schutz bildet eine Impfung. 2008 war sie für drei Monate bei Rindern, Schafen und Ziegen obligatorisch, von 2009 bis 2010 nur für Rinder und Schafe. Ab 2001 wurde sie für alle Tiere generell freiwillig, was auch heute noch so ist. Eine Impfung kann wirtschaftlichen Schaden verhindern.
Laut dem BLV sind kranke Tiere trotz Impfung möglich. Die Tiere sind aber vor schlimmen Verläufen geschützt, generell überwiegen die Vorteile und der Bund beteiligt sich an den Impf-Kosten. Bisher gibt es für die verschiedenen Untertypen noch keine in der Schweiz zugelassene Kombiimpfung. Es gibt aber für BTV-8, BTV-3 und BTV-4 einen Impfstoff.
Was sind die Symptome und wie ist der Verlauf?
Symptome sind etwa hohes Fieber und Entzündungen, schlimmstenfalls auch der Tod. Weiter können die Tiere apathisch werden und sich von der Herde absondern. Auch schaumiger Speichelfluss und eitriger Nasenausfluss, Ödeme am Kopf oder an den Extremitäten sowie Atem- und Schluckbeschwerden können auf die Blauzungenkrankheit hindeuten. Ausserdem kann die Milchleistung abnehmen.
Häufig haben erkrankte Tiere bläulich verfärbte Mäuler und Zungen, was der Krankheit auch den Namen verleiht. Ist ein infiziertes Tier trächtig, kann es zu Totgeburten oder Missbildungen bei Jungtieren kommen. Laut dem Bundesamt für Veterinärwesen verursacht BTV-3 schwerere Symptome als das BTV-8, Rinder haben zudem meist einen milderen Verlauf als andere Tiere.
Wie gefährlich ist die Blauzungenkrankheit für Menschen?
Für Menschen besteht keine Infektionsgefahr, der Erreger ist für sie ungefährlich. Fleisch und Milchprodukte von infizierten Tieren können ohne Bedenken konsumiert werden.
Für Importe aus dem Ausland gelten ausserdem strikte Bestimmungen. So müssen Tiere in Ländern, in denen die Blauzungenkrankheit verbreitet ist, mindestens 14 Tage vor dem Transport durch Insektizide oder sogenannte Repellentien geschützt worden sein. Letzteres sind chemische Insektenabwehrmittel, die nicht direkt am Tier eingesetzt werden, sondern auf Entfernung, etwa Mückenstecker oder Kerzen.