Bestsmile reicht eine Gegenklage gegen die Migros ein
Er sei «stolz», sagte Ertan Wittwer im Frühjahr 2022, als er seine Dentalkette Bestsmile an die Migros, und damit an eine «Schweizer Institution», verkaufen konnte. Beim Detailhandelskonzern mit grossen Ambitionen im Gesundheitswesen wiederum schwärmte man vom «Team» und vom «Potenzial», an das man immer geglaubt habe.
Doch die Zeit der Lobhudelei ist vorbei. Mittlerweile sprechen die beiden Parteien nur noch über ihre Anwälte miteinander – und decken sich gegenseitig mit Klagen ein. Nachdem die Migros im Februar gegen Wittwer und die beiden anderen Bestsmile-Mitgründer eine zivilrechtliche Klage deponiert hat, schlagen diese nun zurück, wie die «Schweiz am Wochenende» erfahren hat. Sie haben Ende September in Zürich eine Gegenklage eingereicht.
Die drei Bestsmile-Gründer, Wittwer und seine zwei Mitstreiter, bestätigen auf Anfrage entsprechende Recherchen: Sie hätten bereits vor längerer Zeit im Rahmen einer Schlichtung Ansprüche aus «Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung» geltend gemacht, wie sie festhalten. «Wir bestätigen, dass diese Forderungen nun auch gerichtlich hängig sind.»
Bei den genannten Vorwürfen der «Vertragsverletzung» und der «unerlaubten Handlung» geht es darum, dass die Migros im Februar 2024 auf eine entsprechende Anfrage der «Schweiz am Wochenende» öffentlich einräumte, dass sie im Herbst 2023 im Rahmen der Überprüfung des Bestsmile-Geschäftsberichts von 2021 «Ungereimtheiten» festgestellt habe. Nach Bekanntwerden seien umgehend Abklärungen zu diesen Vorgängen aufgenommen worden.
Die Migros will Geld zurück
Bei der Migros ist man heute noch überzeugt, wegen geschönter Geschäftsberichte zu viel für Bestsmile bezahlt zu haben. Letztlich geht es bei den beanstandeten «Ungereimtheiten» um unterschiedliche Buchungsstandards, die beim Jahresabschluss 2021 und damit kurz vor dem Verkauf zur Anwendung gekommen sind. Diese hätten Umsatz und Gewinn hochgetrieben, was sich wiederum in einem höheren Kaufpreis niedergeschlagen habe.
Nun hofft die Migros, auf dem juristischen Weg einen substanziellen Teil des 2022 geleisteten Verkaufspreises zurückzuerhalten, der je nach Quelle auf 80 bis 100 Millionen Franken geschätzt wird.
Die Gründer widersprechen den von der Migros geäusserten Vorwürfen energisch. Sie betonen erneut, dass die «ordentlich revidierte Jahresrechnung» von Bestsmile «in jeder Hinsicht rechtmässig und im Einklang mit den anwendbaren Buchhaltungsvorschriften war». Dies sei im vergangenen Jahr auch von verschiedenen ausgewiesenen Buchhaltungsexperten nochmals gutachterlich bestätigt worden. Zudem machen die Bestsmile-Gründer geltend, dass die Migros bei der Transaktion auch eine Due Diligence gemacht und vollen Einblick in alle Zahlen gehabt habe.
Bestsmile-Gründer wollen Wiedergutmachung
Folglich weigerten sich die Gründer auch, Geld zurückzuzahlen. Jetzt kämpfen sie um ihren Ruf. Und sie wollen dessen Schädigung durch die öffentlichen Anschuldigungen ebenfalls mit Geld abgegolten wissen. «Die von der Migros gegen die Gründer erhobenen Vorwürfe waren somit absolut haltlos und ehrverletzend», halten die Gründer fest und fügen an, dass ihnen «dadurch ein grosser wirtschaftlicher Schaden entstanden» sei.
Migros-Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir will auf Anfrage nicht Stellung nehmen zu den neuesten Entwicklungen und «bittet um Verständnis, dass wir uns nicht zu laufenden Auseinandersetzungen äussern können».
Die Zahnkorrekturkette hat die Migros mittlerweile liquidiert. Im Januar wurden die letzten Bestsmile-Filialen geschlossen.
(aargauerzeitung.ch)
