Stickige Kellerräume, pumpende Bässe und schwitzende Menschen, die auf kleinem Raum zu den Beats von DJs aus aller Welt tanzen: Die Schweiz, allen voran Zürich, ist ein kleines Party-Mekka. Zumindest war sie das bis Anfang März. Dann machte das Coronavirus den hiesigen Hedonistentempeln einen Strich durch die Rechnung.
Alles nicht so schlimm, mag man behaupten. Die Schweiz hat momentan grössere Probleme als ausbleibende Endorphin-Ekstasen von Neo-Erwachsenen.
Doch die Schliessung aller nicht-essentiellen Geschäfte trifft die Clubbranche besonders hart. Vor allem weil man sich auch bei einer Lockerung der Massnahmen nur schwer vorstellen kann, wie ein Club unter Einhaltung der Social-Distancing-Massnahmen operieren soll.
«Wir sind die Ersten, die betroffen waren, und die Letzten, die es nicht mehr sein werden», sagt Alexander Bücheli, Pressesprecher der Bar & Club Kommission Zürich. Das stelle die Clubbetreiber vor enorme Herausforderungen. «Es wird Betriebe geben, die schliessen müssen.»
Um Arbeitsplätze zu sichern, müsse die Hilfe für Bars und Clubs aufgestockt werden, sagt Bücheli. Der Bund hat bereits für den Kultursektor neben den gesamtwirtschaftlichen Massnahmen zusätzliche Hilfestellungen erarbeitet. So können Kulturbetriebe Ausfallentschädigungen für abgesagte Events anfordern. Dafür zuständig sind die Kantone, welche auch 50 Prozent der Entschädigung mittragen müssen.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat dafür 20 Millionen Franken gesprochen, doch dieser Betrag ist nur für gemeinnützige Institutionen vorgesehen. Bis jetzt ist unbekannt, wie hoch das kantonale Budget für die Entschädigung von Kulturunternehmen ausfallen und an welchen Richtlinien sich diese orientieren wird. Von welcher Dimension man hier spricht, zeigt sich am Beispiel des Zürcher Nachtlebens.
Dieses generiert etwas mehr als 20 Millionen Franken pro Monat. «Rechnet man die finanziellen Hilfen aus der Kurzarbeitsentschädigung mit ein, so braucht es immer noch jeden Monat 10 Millionen Franken, um die Nachtkulturunternehmen für den durch den Lockdown entstandenen Ausfall zu entschädigen», so Bücheli.
Natürlich gibt es auch Clubs, die eine Betriebsausfallversicherung haben. Dies ist jedoch die Ausnahme. «Für alle anderen gibt es nur eine Option: Schulden machen.»
Genau das sei aber für die umkämpfte Nachtkulturbranche nicht nachhaltig, da sich der Umsatz nicht einfach beliebig steigern lässt. Ein Club hat nur eine vorgegebene Kapazität, «auch wären die Besucher nicht bereit, plötzlich 50 Franken Eintritt oder 15 Franken für ein Bier zu bezahlen», sagt Bücheli.
Die Konsequenz einer Kreditaufnahme wäre also simpel: «Kredite würden in vier oder fünf Jahren nicht zurückgezahlt werden können, es handelt sich um einen Konkurs auf Raten.»
Es sind jedoch nicht nur die fehlenden Einnahmen, die die Clubbesitzer um ihre Existenz kämpfen lässt. Auch die laufenden Kosten stellen sie vor eine riesige Herausforderung. Allen voran die Mieten, die oft einen Grossteil der Fixkosten ausmachen.
«Die meisten Clubinhaber kriegen von ihren Vermietern nur Angebote für Stundungen», sagt Bücheli. Stundungen führten aber zum gleichen Schuldenproblem wie Kredite und sind deshalb keine nachhaltige Lösung.
Bücheli sieht hier die Verantwortung beim Bund, der den Lockdown ausgerufen hat. Weder Mieter noch Vermieter seien an der jetzigen Situation Schuld. «Wir hoffen weiterhin auf eine konkrete Ansage durch den Bundesrat. Zum Beispiel dass bei geschlossenen Betrieben der Mietzins um 90 Prozent reduziert werden muss.»
Neben dem Kanton und dem Bund müsse es auch der Stadt Zürich ein Anliegen sein, dass sich das Nachtleben weiterhin auf europäischem Top-Niveau bewege. Als Vorschlag nennt Bücheli einen Nachtkultur-Fonds, wie er bereits in Hamburg und Berlin existiert.
watson hat verschiedene Clubs kontaktiert und gefragt, wie sie die Krise erleben.
Herr Müller, wie steht es um Ihre Clubs?
Dominik Müller: Naja, sie sind zu. Wir gehören jedoch zu den Glücklichen, die eine Betriebsausfallversicherung haben.
Also alles im Butter?
Nicht wirklich. Die Versicherung bezahlt nur für drei Monate. Was danach passiert, weiss ich noch nicht. Das kommt auf die laufenden Kosten an. Die Taktik momentan ist jedoch simpel: Alle Kosten soweit wie möglich reduzieren oder eliminieren. Die Diskussion bezüglich Mietzins ist in vollem Gange, die Mitarbeiter erhalten Kurzarbeitsentschädigung.
Wann, denken Sie, können die Clubs wieder öffnen?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Die Fallzahlen müssten gegen Null sinken, damit man den Clubbetrieb mit begleitenden Massnahmen wieder verantworten könnte. Sommer wäre also schon zu optimistisch. Ich sehe kein Szenario, in dem sich die Situation bis dahin so drastisch verändert. Da bräuchte es schon eine Impfung.
Sind Sie zufrieden mit der Reaktion des Bundes?
Es ist immer einfach, im Nachhinein zu kritisieren. Klar, in gewissen Sachen war man vielleicht schlecht vorbereitet oder hat über’s Ziel hinausgeschossen. Bei uns war die Situation jedoch klar: Die Menschen kommen sich sehr nahe, das macht einen Club ja auch aus. Social Distancing ist schlicht nicht möglich. Abstand wird aber das Hauptkriterium bei allen Lockerungen sein, egal wieviele Personen sich am selben Ort aufhalten.
Herr Liembd, wie steht es um das Konzerthaus Schüür?
Marco Liembd: Zustand: Geschlossen, Patient am Leben (lacht). Die Meisten haben gerade Kurzarbeits-Urlaub, aber ein kleiner Teil bereitet schon die Events für den Herbst vor.
Sie sind zuversichtlich.
Wir können momentan nicht sagen, was die Zukunft bringt. Wenn wir uns jetzt nicht vorbereiten, hätten wir im Falle einer Lockerung im Herbst nichts. Wir haben zudem das Glück, keinen Mietzins bezahlen zu müssen. Dementsprechend könnten wir diesen Lockdown bis Ende Jahr überleben.
Sie glauben also, dass sie im Herbst wieder öffnen können?
Mit einer Öffnung rechne ich bereits früher, jedoch mit reduzierter Kapazität. Wir hätten theoretisch Platz für 700 Leute. Ich rechne aber nicht damit, dass Grossveranstaltungen noch dieses Jahr wieder stattfinden dürfen.
Wird sich das Partyverhalten der Leute nach dieser Krise ändern?
Nein. Wir sprechen vor allem ein jüngeres Zielpublikum an. Wenn wir wieder vollumfänglich öffnen könnten, dann wäre es am ersten Tag «pumpenvoll».
Herr Naef, wie steht es um das Bierhübeli?
Dave Naef: Es steht noch, das Bierhübeli. Wir haben einfach geschlossen momentan, wie alle anderen Clubs auch. Kurzarbeit wurde bewilligt, die erste Zahlung ging sogar schon raus. Auch die Mieten sind momentan gestundet.
Wann, denken Sie, können Sie wieder öffnen?
Unsere Aufgabe ist es nicht, Prognosen zu machen, sondern lediglich, die Massnahmen umzusetzen. Wir warten momentan auf einen Entscheid des Bundesrates. Wir gehen jedoch davon aus, dass wir im Mai noch nicht offen haben werden.
Wie lange würde das Geld sonst noch reichen?
Bis Ende Mai. Wir versuchen jedoch, dieses Datum so gut wie möglich hinauszuschieben. Die Situation wird jeden Tag neu beurteilt. Klar ist: Wir werden die Letzten sein, die wieder öffnen dürfen.
Werden die Menschen nach Corona noch Party machen wollen?
Wir werden sehen. Gewisse Dinge werden sich bestimmt ändern. Die Leute bleiben uns aber auch während der Coronazeit treu: Wir haben kürzlich ein Crowdfunding gestartet und konnten so in bloss 10 Tagen 40'000 Franken sammeln.
Herr Blickenstorfer, wie steht es um ihre Clubs?
Marc Blickenstorfer: Naja, die Parole lautet momentan: Durchhalten. Die Clubs werden die Letzten sein, die wieder öffnen dürfen. Und dann wahrscheinlich auch nur mit einer begrenzten Anzahl Gäste. Wir sind aber zuversichtlich, dass das Ganze irgendwann vorbei ist, und hoffen, dass wir im Mai wieder aufmachen können.
Wie lange können Sie den Lockdown noch finanziell verkraften?
Zwei bis drei Monate, danach müssen wir kreativ werden. Zum Glück haben wir ein gutes Verhältnis zu unseren Vermietern. Diese haben uns zum Teil Reduktionen gewährt, zumindest aber überall die Miete gestundet. Uns ist es auch wichtig, alle Mitarbeiter halten zu können. Die Kurzarbeit hilft hierbei extrem.
Wie steht es mit der Solidarität unter den Clubs?
Die Solidarität ist riesig. Mit der Bar & Club Kommission Zürich konnten sich viele Clubs zusammenschliessen. So können wir geeint auftreten und auch gegenüber der Politik Forderungen stellen. In der jetzigen Situation sind auch alle willkommen, die nicht Mitglied der Kommission sind. Es herrscht ein reger Austausch.
Gibt es noch etwas, das der Staat machen könnte?
Gratis-Bier für alle wäre nicht schlecht, damit es zu Hause auch weiterhin schön bleibt.
Zudem haben die Mitarbeiter selten eine Festanstellung sondern eher Arbeit auf Abruf oder Temporär.