Dank Nemos Sieg findet der Eurovision Song Contest (ESC) nächstes Jahr in der Schweiz statt. Bis am Freitag müssen Städte, die Interesse an der Austragung haben, ihre Bewerbung bei der SRG einreichen. Erwartet wird, dass dies Zürich, Genf, Basel und Bern tun.
Sie müssen wohl tief in die Tasche greifen. Wie tief, zeigen neue Dokumente der Bundesstadt, die CH Media vorliegen. Die Stadt Bern rechnet mit Gesamtkosten von 40,4 Millionen Franken. Den Grossteil machen Sicherheitskosten aus, die auf 27 Millionen Franken veranschlagt werden.
Der Stadt Bern schwebt vor, dass der Kanton diese Kosten trägt. Jener wiederum will das nur tun, wenn der Bund mindestens 60 Prozent der Sicherheitskosten übernimmt. 16 Millionen Franken oder mehr müssten also die Steuerzahler des ganzen Landes berappen, damit die Stadt Bern eine ESC-Party feiern kann. Ob der Bund mitmacht, ist offen. Andere Städte dürften Konzepte einreichen, die ohne Bundesgelder auskommen. Zudem hat das Bundesamt für Kultur gegenüber dem «Blick» bereits verlauten lassen, dass es den ESC nicht mitfinanzieren will. In Stein gemeisselt ist das aber nicht. Beim Kanton Bern würden Kosten von etwa 13 Millionen Franken hängen bleiben. Diesen Kredit würde der Regierungsrat dem Grossen Rat am 3. Juli unterbreiten.
Das Stadtberner Parlament würde am 4. Juli über eine Kostenbeteiligung der Stadt in der Höhe von maximal 7 Millionen Franken entscheiden, wenn die Regierung sich definitiv für eine Bewerbung ausspricht. Diese Zahl ist kein Zufall: In der Stadt Bern unterstehen alle Beträge darüber hinaus dem obligatorischen Referendum. Für ein solches reicht die Zeit nicht. Schon wenn das fakultative Referendum ergriffen wird, könnte dies das Aus für die Bewerbung bedeuten – ein Problem, vor dem alle Bewerber stehen.
Eine Million Franken sollen zudem von der Stadt Biel kommen, die Nebenveranstaltungen austragen soll. Drei Millionen Franken sollen Einnahmen aus dem Ticketverkauf einbringen. Synergien erhofft sich Bern von der Messebetreiberin Bernexpo, in deren Neuen Festhalle der Anlass stattfinden soll.
Ob sich Bern bewirbt, ist noch unklar. Das Geschäft stand am Mittwoch auf der Traktandenliste der Stadtregierung, doch kommunizieren wird sie erst später. Das könnte an Uneinigkeit im Gremium liegen – oder daran, dass die Stadt anderen Bewerbern keinen Vorteil verschaffen will, in dem sie zu viele Details der eigenen Bewerbung verrät.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) preschte am Montag mit einem Interview mit der «Plattform J» vor. «Es gibt in der Schweiz nicht nur Zürich und Genf», sagte er. Bern habe die «modernste Halle» und «die einzige mit Minergie-P-Standard». Was Nause nicht erwähnte: Diese Halle ist noch gar nicht bereit – sondern soll erst am 31. März 2025 fertiggestellt werden und damit kurz vor dem ESC. Eine solche Konstellation, in der es weder zu Kinderkrankheiten noch Bauverzögerungen kommen darf, erachten Branchenkenner als «mutig» bis «fahrlässig». Die Stadt Bern sieht darin kein Problem: Die SRG habe signalisiert, dass eine Austragung in der Halle möglich wäre, schreibt sie.
Sowieso stapelt sie nicht zu tief. «Wir sind mutig. Wir sind vielseitig. Wir sind offen, kunterbunt und flexibel. Wir sind konsequente Macher», schreibt der Gemeinderat in seinem «Manifest». Bern sei «die Schweizer Musikstadt par excellence». Selbst die faktisch falsche Behauptung, als «Hauptstadt» repräsentiere Bern die Schweiz, darf nicht fehlen.
Vertreter der SRG und der European Broadcasting Union (EBU) mit Sitz in Genf werden Anfang Juli die Bewerber-Städte und ihre Hallen besuchen. Bis Ende Juli erstellt die SRG eine Shortlist mit zwei Städten, mit denen sie weiter verhandelt. Bis Ende August will die SRG den definitiven Zuschlag an eine Stadt erteilen. (aargauerzeitung.ch)