Auch muslimische Schülerinnen und Schüler müssen in staatlichen Schulen zum Schwimmunterricht. Das hielt diese Woche der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht in Strassburg fest. Ein strenggläubiger Basler Vater kämpfte bis zur letzten Instanz darum, dass seine zwei Töchter vom Schwimmunterricht befreit werden. Für viele Muslime ist das Urteil eine Erleichterung. Für andere ist es eine herbe Niederlage und ein Wegweiser dafür, dass sie nun endlich eigene Privatschulen bekommen sollten.
«Wir wissen, dass sich einzelne Vereine zum Ziel gesetzt haben, eine muslimische Privatschule zu eröffnen», sagt Serhad Karatekin, Medienverantwortlicher der Basler Muslim-Kommission. In Basel sei es aber nicht ganz einfach, eine geeignete Liegenschaft mit den verlangten gesetzlichen Grundlagen zu finden. Darum gibt es noch kein Projekt, das kurz vor der Eröffnung steht. Kommt es jedoch so weit, würde die Basler Muslim-Kommission als Dachverband das Vorhaben unterstützen.
Johannes Czwalina, Basler Theologe und Unternehmensberater, würde eine muslimische Privatschule begrüssen. Czwalina erlangte nationale Bekanntheit, weil er in den letzten Jahren die Bussen von konservativen Muslimen bezahlte. Er empfand es als diskriminierend, dass Muslime gebüsst wurden, wenn sie ihre Kinder nicht zum Schwimmunterricht schickten, und bot ihnen an, für die finanziellen Unkosten aufzukommen.
Schwimmunterricht, Händeschütteln, Kopftuch – all diese wäre in einer islamischen Privatschule kein Thema mehr. «Die Lage würde sich beruhigen», ist sich Czwalina sicher. Über die jüdischen Schüler spreche schliesslich auch niemand. Strengreligiösen Juden sei es ebenso wenig erlaubt, an einem geschlechterdurchmischten Schwimmunterricht teilzunehmen. «Wären die jüdischen Schüler nicht unter dem Schutzdach ihrer eigenen Schule, gäbe es in Basel mehr von Bussen betroffene jüdische Familien als muslimische», sagt Czwalina.
Von allen 5400 Schweizer Schulen auf der ersten Primarstufe sind 320 privat betrieben. Unter anderem sind es katholische, evangelische, frei-evangelische und jüdische Privatschulen. Trotz der wachsenden muslimischen Bevölkerung in der Schweiz haben Muslime bisher noch keine eigene Schule.
Konkrete Pläne für die Gründung einer islamischen Privatschule gab es zuletzt vor vier Jahren. Ebenfalls in Basel. Federführend beteiligt an dem Projekt war der Sekretär der konservativen «Muslimischen Gemeinde Basel» – derselbe Mann, der diese Woche in Strassburg den Prozess um den Schwimmunterricht verlor. Damals gab er sich noch optimistisch und verkündete, dass er die Schule innerhalb der nächsten zwei Jahre eröffnen möchte. Daraus wurde nichts.
Ebenso wenig konnten die Pläne eines muslimischen Kindergartens im Kanton Zürich realisiert werden. Der dem Islamischen Zentralrat Schweiz (IZRS) nahestehende Verein «al Huda» kämpfte bis vor Bundesgericht für eine Bewilligung für den Kindergarten. Im November vergangenen Jahres wurde diese definitiv abgelehnt. Die Begründung lautete, dass der Kindergarten die Bildungsziele der Volksschule nicht erfüllen würde.
«Grundsätzlich spricht nichts gegen die Gründung einer muslimischen Privatschule», sagt Simon Thiriet, Sprecher des Erziehungsdepartements in Basel-Stadt. Voraussetzung ist, dass sie sich an den Grundsätzen der Volksschule orientiert. Zwar können Privatschulen eigene inhaltliche, pädagogische, weltanschauliche, religiöse und konfessionelle Schwerpunkte setzen. Doch sie dürfen ihre Schüler keinen pädagogischen oder weltanschaulichen Einflüssen aussetzen, die den Zielen der Volksschule in grundlegender Weise zuwiderlaufen. Das Problem bei den bisherigen Versuchen, eine islamische Privatschule zu eröffnen, waren ihre erzkonservativen Initianten. Ihre Ideen waren nicht kompatibel mit den Auflagen der Behörden.
Bei moderaten Muslimen ist das Interesse einer eigenen Schule gering. Farhad Afshar ist Präsident der Koordinationsstelle Islamischer Organisationen der Schweiz. «Ich bin der Meinung, dass Kinder gemeinsam aufwachsen und nicht nach Konfessionen, Kulturen oder Ethnien getrennt unterrichtet werden sollten. Muslimische Privatschulen sind meiner Meinung nach nicht erstrebenswert.»
Afshar befürchtet, dass die Ausgrenzung und Separierung von Schülern in konfessionellen Privatschulen die Segregation fördert. So komme es zu Parallelgesellschaften. Das sehe man bei orthodoxen jüdischen Gemeinschaften, die abgeschottet in ihrer eigenen Welt mit ihren eigenen Schulen leben würden. Er sagt: «Dies ist als Folge von jahrzehntelanger Ausgrenzung zwar zu verstehen, aber nicht wünschenswert.»