Für ihn stellt SRF-Moderator Brotz sogar einen Stammtisch ins «Arena»-Studio. Denn so laut wie kein anderer fordert Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer Corona-Lockerungen für die gebeutelten Restaurants. «Es ist nicht akzeptabel, dass der Bundesrat nur die Beizen-Terrassen öffnen will. Geben Sie der Bevölkerung ihr Leben zurück», poltert der oberste Schweizer Gastronom auf allen Kanälen an die Adresse des Bundesrates.
In der Corona-«Arena» gibt es Widerstand aus den eigenen Reihen. Dirk Hany, Chef der «Bar am Wasser» in Zürich, attackiert Platzer direkt: Turbo-Öffnungen führten die Schweiz «turbomässig» in den dritten Lockdown. Dies wegen der Sogwirkung, die Bars und Restaurants auf die Menschen haben: «Wenn 3000 Gastro-Betriebe in Zürich aufmachen, strömen 200'000 Leute in die Stadt. Und dann glauben sie, die Pandemie ist vorbei». Mit ein, zwei Bierchen falle die soziale Distanz und man komme sich näher. Nicht in den Bars selbst, wo es Schutzkonzepte gebe. Sondern unterwegs. So passierten viele Infektionen, so Hany.
Der preisgekrönte Barkeeper mahnt zur Geduld, damit im Sommer wieder alle Restaurants offen sein können. «Wir müssen jetzt noch einen Monat auf die Zähne beissen, dann kommt es gut.»
Wie, wo und vor allem wann lockern? Darüber streiten sich in der mittlerweile 25. Corona-«Arena» neben Casimir Platzer SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, SP-Vizepräsidentin Barbara Gysi, GLP-Präsident Jürg Grossen und FDP-Vizepräsident Andrea Caroni. Dies sozusagen als grosses Finale einer gehässigen Corona-Woche in der Parlamentssession.
Wie viele – wenn überhaupt – Lockerungen verträgt es in der aktuellen Situation? Etwas Hoffnung und ganz viel Unsicherheit – damit lässt sich die jüngste Corona-Öffnungsoffensive des Bundesrats umschreiben. Private Treffen mit 10 Leuten, offene Restaurantterrassen und Fitnesscenter: Denn einerseits schlagen Berset & Co. erstmals trotz steigenden Ansteckungszahlen weit gehende Öffnungsschritte vor. Dies ist jedoch mit einem grossen ABER verbunden. Denn noch ist kein fixes Lockerungsdatum gesetzt. Der Bundesrat entscheidet am 19. März über das weitere Vorgehen.
SP-Gysi warnt die Regierung davor, nicht den gleichen Fehler wie letzten Sommer zu machen. «Wenn man jetzt zu schnell öffnet, gibt es eine massive dritte Welle», so die Nationalrätin. Die Restaurants geschlossen zu halten, sei «ein Dienst an der Volksgesundheit» – den es entsprechend zu entschädigen gelte.
GLP-Präsident Jürg Grossen pflichtet ihr bei. Die Schliessung der Beizen führe dazu, dass deutlich weniger Leute unterwegs seien. «Dann treffen sich die Leute einfach zuhause», entgegnet Gastrosuisse-Platzer, der vor einem «Tod auf Raten» der Gastro-Branche warnt. Nicht zu unrecht. So sind 2020 27'000 Vollzeitstellen in der Gastro-Branche weggefallen.
So oder so sei es für die allermeisten der Restaurants keine Hilfe, wenn sie nur die Terrassen öffnen dürften. «Wie soll die Planung für das Personal und Einkauf funktionieren, wenn es dann vier Tage regnet», illustriert Platzer die Krux mit den Terrassen-Öffnungen.
Für FDP-Nationalrat Andrea Caroni sind die Impfungen der Königsweg. Doch dieser ist steiniger als noch vor einigen Wochen angenommen. Um raschere Gastro-Öffnungen zu ermöglichen, will der Appenzeller die entsprechenden Schutzkonzepte verschärfen. Ein Problem sei, dass die Leute in Restaurants zu lange in einem geschlossenen Raum ohne Maske dasitzen würden. «Man könnte ja eine Maske anziehen, wenn man nur zum Jassen in der Beiz ist», schlägt Caroni vor. Barchef Hany glaubt nicht, dass dies funktionieren würde. «Gastronomie ist ein People-Business. Es will doch niemand mit einer Maske am Tisch sitzen», sagt Barchef Hany dazu.
Für SVP-Nationalrat Thomas Aeschi ist die aktuelle Corona-Situation nicht mit jener vom letzten Herbst vergleichbar, als sich die zweite Welle auftürmte: «Mit den Impfungen und der Testoffensive sind wir an einem ganz anderen Punkt.» Er könne nicht verstehen, dass man die Beizer nicht endlich wieder arbeiten lasse. Zudem könnten sich Gäste vor einem Restaurantbesuch bald per Schnelltest auf Corona testen lassen.
Was sagt der Bundesrat dazu? SRF-Brotz konfrontiert Gesundheitsminister Alain Berset mit den Vorbehalten von Plazter und Co.. Es sei nun halt einfach viel gefährlicher in den Innenräumen von Restaurants, sich anzustecken. Darum sei deren Öffnung noch keine Option. Man versuche, einen gangbaren Weg aus der Krise zu finden. «Unser Ziel ist, die Kontrolle über das Virus nicht zu verlieren», so Berset.
Unbestritten ist, dass nur die Impfung die Schweiz tatsächlich aus der Corona-Krise führt. Doch landauf landab mangelt es an Impfstoffen. Berset verteidigt die Impfstrategie erneut und stellt sich vor die vielgescholtene BAG-Spitze. «Der Bundesrat verantwortet die Impfstrategie, nicht das BAG», so der Gesundheitsminister. Und dementiert, dass die Schweiz wie kolportiert eine eigene Impfstoff-Produktion im Lonza-Werk in Visp hätte aufbauen können. Die SVP glaubt dies nicht und hat darum sogar eine PUK gefordert. «Diese Spaltpilze verunsichern bloss die Bevölkerung. Wir haben im Gegensatz zum letzten Frühling keinen Frieden mehr im Land, sondern eine Spaltung», so Grossen an die Adresse von Aeschi & Co.
Ob Platzer, Gysi oder Barchef Hany: Sie alle warten nun gespannt darauf, ob und wie der Bundesrat nächsten Freitag tatsächlich öffnet. Es würde nicht erstaunen, wenn SRF-Brotz dann seine 26. Corona-«Arena» ankündigen müsste.
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In Wahrheit haben die Corona Hotspots in der Romandie ihre Restaurants bereits anfangs November geschlossen - und just dann begannen die Zahlen paar Tage später erheblich zu sinken. In anderen Kantonen the same.