Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Wenn am 1. Juni der Gotthard-Basistunnel mit einem Staatsakt eröffnet wird, wird die Sicherheit grossgeschrieben. Nur eine handverlesene, ausgeloste Gruppe von 1000 Steuerzahlern und Stimmbürgern darf an der Ur-Durchfahrt teilnehmen. Und damit auch sicher nichts schief läuft, sind alle Teilnehmer von der Bundespolizei sicherheitsüberprüft worden. Zusätzlich gelten an Bord ähnliche Sicherheitsvorschriften wie in Flugzeugen. Keine Sackmesser, keine spitzen Gegenstände, kein Gepäck.
Der Aufwand wird nicht nur wegen der Gefahr von Anschlägen auf die neue Bahninfrastruktur betrieben. Es kommt allerhand politische Prominenz in die Schweiz: Unter anderen geben sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident François Hollande und Italiens Premier Matteo Renzi die Ehre.
Das ist kaum erstaunlich, denn es handelt sich um ein «europahistorisches Ereignis», wie der Direktor des Bundesamts für Verkehr, Peter Füglistaler, bemerkt. Eröffnet wird ein verkehrstechnisches Jahrhundertwerk – der längste Eisenbahntunnel der Welt, der potente europäische Wirtschaftsregionen noch effizienter verbindet.
Der neue Bahntunnel mit seinen Rekord-Röhren ist – zusammen mit dem noch im Bau befindlichen Ceneri-Basistunnel – das Kernstück der NEAT, der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen. Und dieses Schweizer Grossprojekt wiederum ist das Herzstück des «Korridors Rhein-Alpen», dem wichtigsten europäischen Güterverkehrskorridor von der Nordsee ans Mittelmeer.
Mit dem bahntechnischen Kraftakt wahre die Schweiz «ihre verkehrspolitische Position in Europa», hält Füglistaler fest. Zudem verbinde «der Gotthard-Basistunnel, wie das Gesamtprojekt der NEAT-Netzvariante, die verschiedenen Landesteile» und entlaste die Strassen.
Das alles kostet. Allein das Filetstück – der Gotthard-Basistunnel – verschlingt 12,2 Milliarden Franken. Die NEAT kommt inklusive der beiden Basistunnel unter dem Lötschberg und dem Ceneri auf Gesamtkosten von gut 23 Milliarden Franken.
Der Basistunnel macht die Gotthardstrecke zur Flachbahn: Während die Scheitelhöhe der alten Gotthardbahn bei etwa 1100 Meter über Meer liegt, beträgt sie beim neuen Tunnel lediglich 550 Meter über Meer – auf dieser Höhe liegt die Stadt Bern.
Das eröffnet neue Möglichkeiten: Waren die Güterzüge auf der alten Bergstrecke auf zehn bis zwölf Waggons limitiert, die von drei Loks gezogen wurden und mit durchschnittlich 60 km/h über die Schienen tuckerten, kann eine Lok künftig 40 Waggons mit 100 km/h (maximal 160 km/h) durch den Basistunnel ziehen.
Auch für Zugreisende bringt der Tunnel Vorteile: Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke ohne enge Kurven und mit geringem Gefälle werden die Personenzüge mit Spitzengeschwindigkeiten von 200 km/h (maximal 250 km/h) unter dem Gotthard durchbrettern.
Dadurch dauert die Fahrt durch den Gotthard für Personenzüge nur noch knapp 20 Minuten. Reisende von Zürich nach Lugano sparen so 25 Minuten Reisezeit ein. Wenn 2020 der Ceneri-Tunnel eröffnet wird, verkürzt sich die Fahrt sogar um 45 Minuten. Die Reise von Zürich nach Mailand soll nur noch etwa 2 Stunden 40 Minuten dauern, rund eine Stunde weniger.
Die Idee eines Basistunnels unter dem Gotthard wurde schon im 19. Jahrhundert vorgebracht – noch bevor der Scheiteltunnel von Göschenen nach Airolo gebaut war. Der Geologe Arnold Escher schlug bereits 1864 vor, einen Tunnel zwischen Wassen und Madrano zu bauen.
Erst 1947 nahm Carl Eduard Gruner, Verkehrsplaner in Basel, die Idee wieder auf. Sein Vorschlag: Ein Basistunnel zwischen Amsteg und Biasca.
Den Weg von Gruners Projekt zum jetzt verwirklichten Tunnel zwischen Erstfeld und Bodio zeigt die folgende Bildstrecke:
Gebaut wurde der Gotthard-Basistunnel von der Alptransit Gotthard AG, einer hundertprozentigen SBB-Tochterfirma. Zum Einsatz kam modernste Technik, beispielsweise die gigantischen Tunnelbohrmaschinen, mit denen rund vier Fünftel der gesamten Tunnelstrecke ausgebrochen wurden.
Im harten Gestein kamen die Bohrtrupps gut voran – obwohl bis zu 2000 Meter Fels über der Röhre lasteten und die Felstemperatur bis zu 50 Grad erreichte. Die Rekordstrecke wurde 2009 erreicht, als sich eine der Tunnelbohrmaschinen innerhalb von 24 Stunden durch nicht weniger als 56 Meter Hartgestein frass. Problematischer für die gigantischen Bohrer waren die geologischen Störzonen mit weicherem Gestein wie die Piora-Mulde.
Die beiden einspurigen Tunnelröhren liegen rund 40 Meter auseinander und sind alle 325 Meter durch Querstollen verbunden. Durch diese könnten Reisende im Notfall in die andere Röhre flüchten, wo ein Evakuationszug sie aufsammeln würde. In den Stollen herrscht Überdruck, damit kein Rauch eindringen kann.
Neben den Geleisen verlaufen über die gesamte Tunnelstrecke rund ein Meter breite Bankette, das sind erhöhte Gehwege. An den beiden Multifunktionsstellen Sedrun und Faido, die von aussen zugänglich und klimatisiert sind, gibt es in jeder Fahrtrichtung Nothaltestellen.
17 Jahre nach den ersten Sprengungen an den Zugangsstollen Amsteg und Faido wird der Gotthard-Basistunnel nun – ein Jahr früher als geplant – in Betrieb genommen. Am 1. Juni beginnt allerdings erst der Versuchsbetrieb. Der fahrplanmässige Alltagsbetrieb startet erst am 11. Dezember.
Wer sich nicht bis dann gedulden möchte, sollte am 4. und 5. Juni das Volksfest zur Tunnel-Eröffnung besuchen und eine der Tunneldurchfahrten mit den Gottardo-Shuttles buchen (Billette gibt es online oder an den SBB-Schaltern). Der Eintritt in die Festgelände – gefeiert wird im Norden bei Erstfeld und Rynächt und im Süden bei Pollegio und Biasca – ist dagegen frei.