Und plötzlich schlug das System aus: In Chiasso sollen Fussballer dazu angestiftet worden sein, Spiele zu manipulieren. Dies meldete eine anonyme Person über die App «Red Button». Es handelt sich um die erste Verdachtsmeldung, seitdem der Schweizer Fussballverband die App Ende 2016 zusammen mit der Liga und der Profispieler-Vereinigung lanciert hatte.
Marco von Ah, der Medienchef des Schweizerischen Fussballverbands, bestätigt die Information gegenüber watson. Die Meldung sei vor rund zwei Monaten eingegangen. «Der Klub hat bereits Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht.» Der Hinweis via App erfolgte anonym. Klar ist lediglich, dass es sich beim Absender um einen Spieler oder einen Mitarbeiter eines Schweizer Fussballclubs handeln muss – nur sie verfügen über die nötigen Zugangscodes.
Die Nachricht kommt zu einem brisanten Zeitpunkt: In einem knappen Monat stimmt die Schweiz über das Geldspielgesetz ab. Darin geht es nicht nur um die Frage, ob ausländische Online-Wettanbieter mit Netzsperren blockiert werden sollen. Mit einem Ja zur Vorlage erhielten die Strafverfolgungsbehörden auch neue Möglichkeiten im Kampf gegen Betrug im Sport.
Denn heute ist es in der Schweiz faktisch nicht möglich, jemanden wegen der Manipulation eines Wettkampfs zu verurteilen. So endete der grösste Wettskandal der Schweizer Sportgeschichte im November 2012 vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona mit einem kompletten Freispruch.
Die Staatsanwaltschaft sah es zwar als erwiesen an, dass drei Challenge-League-Spieler in mehreren Fällen Einfluss auf den Spielverlauf genommen hatten, indem sie etwa absichtlich Gegentore kassierten. Internationale Betrügerbanden, die auf asiatischen Wettportalen auf diese Spiele setzten, sollen so gigantische Gewinne eingefahren haben. Und die Fussballer laut Anklageschrift pro Spiel mehrere tausend Franken eingestrichen haben.
Nur: Dem Richter waren die Hände gebunden. Weil die Spielmanipulation primär den elektronischen Wettanbietern geschadet hat und keine «natürliche Person» getäuscht wurde, war eine Verurteilung nicht möglich. Diese Gesetzeslücke soll das Geldspielgesetz nun schliessen.
Wer sich an einer unerlaubten Absprache über den Verlauf eines Sportwettkampfs beteiligt, wird künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Steckt eine kriminelle Gruppierung hinter der Tat, sind sogar Maximalstrafen von bis zu fünf Jahren möglich. Zusätzlich soll es den Strafverfolgungsbehörden erlaubt werden, für ihre Ermittlungen den Telefonverkehr zu überwachen.
«Für den Sport ist es eminent wichtig, dass Manipulationen des Wettbewerbs strafrechtlich verfolgt werden können», sagt Christoph Lauener vom Bundesamt für Sport. Wenn abgesprochen sei, wer einen Sportwettkampf gewinnt, werde dieser obsolet. «Diese kriminellen Aktionen greifen den Sport damit in seinem Fundament an!»
Dies stellt auch Andri Silberschmidt nicht in Abrede, der an vorderster Front gegen das Geldspielgesetz kämpft. Der Chef der Jungfreisinnigen betont, dass sich die Gegner bei einer Ablehnung des Gesetzes dafür stark machen würden, dass die Gesetzeslücke auf anderem Weg geschlossen wird. Christoph Lauener vom Bundesamt für Sport räumt ein, dies sei grundsätzlich auch im Rahmen der Revision des Sportfördergesetzes möglich. «Das braucht aber wieder entsprechend Zeit.»
Abgesehen vom aktuellen Fall in Chiasso werden in der Schweiz vergleichsweise selten Manipulationsversuche bekannt. Marco von Ah nennt unter anderem einen Fall aus Lugano, der dem Fussballverband vor vier Jahren via Mail gemeldet wurde. Auch dort blieben die Vorwürfe jedoch vage und eine Strafanzeige des Klubs ergebnislos.
Neben der Mailadresse und der App existieren noch andere Warnsysteme, die versuchte oder tatsächliche Manipulationen ans Licht bringen sollen. Zu nennen ist insbesondere das Frühwarnsystem des europäischen Fussballsverbands UEFA. «Es schlägt Alarm, wenn sich das Resultat eines Spiels auffällig entwickelt und für die Partie gleichzeitig hohe Wettquoten vorliegen», erläutert von Ah. Das System schlug letztmals 2013 aus – allerdings blieb auch dieser Alarm ohne konkrete Folgen.
Auch der Europarat hat dem Geschäft mit illegalen Sportwetten den Kampf angesagt: Im Rahmen der sogenannten Magglinger Konvention haben sich 29 Staaten bereit erklärt, wirksame Strafnormen gegen Wettkampfmanipulation zu erlassen. Zu den Erstunterzeichnerinnen gehört auch die Schweiz. Das Parlament soll den Vertrag demnächst ratifizieren.