Albert Rösti hat wahrlich keine leichte Woche hinter sich. Nach dem gescheiterten Energiegesetz-Referendum sezierten Medien und Gegner die Gründe für die anhaltende Negativserie des neuen SVP-Chefs (auch wir machten uns unsere Gedanken dazu). Und dann kam Jonas Projer und streute in der «Arena» noch einmal so richtig Salz in die Wunde: «Ausgerechnet in Ihren Kernthemen fallen Sie auf die Nase. Was ist eigentlich los mit der SVP?», wollte der Moderator vom Berner Oberländer wissen.
Dieser brauchte einen Moment, bevor er leicht verschnupft antwortete: «Gar nichts ist los mit der SVP». Schliesslich sei die Politik ein Auf und Ab. Alles Nachhaken war zwecklos. Fast erinnert die Szene an ein Beziehungsgespräch, in dem einer partout nicht damit rausrücken will, was ihm auf dem Herzen liegt. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass sich der heimische Zuschauer an dem Abend eher auf der Couch beim Paartherapeuten als im politischen Ring wähnte.
«Die Parteipräsidenten», lautete das Thema der Sendung. Ausgangslage: Bald zwei Jahre sind vergangen, seitdem in Bundesbern das neue Parlament mit bürgerlicher Mehrheit seine Arbeit aufgenommen hat. Und seit gut einem Jahr haben ebendiese bürgerlichen Parteien neue Präsidenten. Albert Rösti trat bei der SVP in die Fussstapfen von Toni Brunner, die Freisinnige Petra Gössi übernahm von Philipp Müller und Gerhard Pfister beerbte als CVP-Chef Christophe Darbellay.
Mit den drei als besonnen geltenden Politikern breche eine neue Ära an, waren sich viele Beobachter sicher. Der «Schulterschluss» zwischen den bürgerlichen Parteien, den die hitzköpfigen Vorgänger, kaum geschmiedet, wieder zerschmettert hatten, könnte nun endlich Realität werden. «Wir drei haben die Fähigkeit, im Hintergrund die Fäden zu ziehen», bekräftigte Rösti, als das Trio dem «Tages-Anzeiger» vor Jahresfrist gemeinsam ein Interview gab.
Nun, es kriselte bekanntlich rasch – zu verschieden waren die Vorstellungen etwa im Bereich der Altersvorsorge oder der Energiepolitik. Die Aufarbeitung nahm einen entsprechend grossen Teil der «Arena» in Anspruch. Bittere Vorwürfe, enttäuschte Hoffnungen und verzweifelte Erklärungsversuche prägten die erste Halbzeit der Sendung. «Was meine Partner im Moment zu oft machen», klagte Rösti etwa in Richtung Gössi und Pfister, sei, dass diese sich aufgrund der in der Mitte herrschenden «Beliebigkeit» der Linken «anhängen» würden.
Während der studierte Philosoph Gerhard Pfister darüber sinnierte, dass der Widerspruch der Mitteparteien darin bestehe, dass man Kompromisse mache und darob ein Stück des eigenen Profils verliere, gab sich Gössi gewohnt nüchtern. Es gehe in der Demokratie nicht darum, in einem Block zu politisieren.
SP-Präsident Christian Levrat sonnte sich derweil mit süffisantem Lächeln in den Erfolgen der jüngsten Zeit. Wer die Unternehmenssteuerreform versenkt und die Energieabstimmung gewonnen hat, kann seelenruhig dabei zuschauen, wie sich die unterlegenen Gegner gegenseitig zerfleischen. Und vielleicht hin und wieder noch etwas Öl ins Feuer giessen.
«Das ist gut, wenn Sie sehr zufrieden sind mit Ihrem Ergebnis», provozierte er Rösti mit Blick auf die 42 Prozent Ja-Stimmen beim Energiegesetz. Denselben Stimmenanteil erreiche die Juso als Ein-Prozent-Partei. Für die Niederlage machte Rösti auch hier wieder seine bürgerlichen On-Off-Verbündeten verantwortlich:
Levrat war es auch, der das Reizwort «Schulterschluss» in der Sendung zum ersten Mal benutzte. Schon kurz nach Minute 5 legte er den giftigen Köder. Die Angesprochenen merkten zwar, woher der Wind weht. Levrat sei ein «Drama-King», warf Pfister ihm an den Kopf. Alle drei neuen Präsidenten hätten von Anfang an klar gemacht, dass sie den Pakt der Vorgänger für verfrüht halten. Dennoch: Die Saat ging auf, das Gezänk nahm seinen Lauf.
Bis es Pfister mit den gegenseitigen Vorwürfen dann irgendwann doch zu bunt wurde. Albert Rösti habe nicht verstanden, dass es nicht der Sinn des Systems sei, dass alle wie die SVP stimmen, grollte er. Und auch GLP-Präsident Martin Bäumle, der aus der zweiten Reihe dafür plädiert hatte, «miteinander an einen Tisch zu sitzen», bekam sein Fett weg: «Sein Problem ist, dass er Politik mit einem psychologischen Seminar verwechselt!», so Pfister.
Am Grünliberalen, der sein Amt im Sommer abgibt, prallte der Anwurf jedoch ab. Sowieso schien er geradezu gelöst angesichts der Tatsache, sich bald nicht mehr mit den parteistrategischen Querelen herumschlagen zu müssen. Was auch immer er heute sage, witzelte er zu Beginn der Sendung ins Mikrofon, «der Nächste kann ja dann wieder das Gegenteil erzählen».
Kaum mehr Erkenntnisgewinn stifteten seine beiden Sitznachbarn, Grünen-Chefin Regula Rytz und BDP-Vize Lorenz Hess. Es sei halt «viel mehr sexy», links und rechts Radau zu machen, erklärte letzterer das Dilemma der Mitte.
Es war Moderator Projer, der die Gruppe am Ende wieder zu einen vermochte. Der vierfache Vater griff auf einen Kniff zurück, der schlechte Laune fast immer zu beseitigen mag: Er versprach seinen Gästen ein Glace.
Nach ihren Wünschen am Badi-Kiosk gefragt, bildeten sich in der (traditionell apolitischen) Schlussrunde neue Allianzen zwischen den Parteichefs: Die Mövenpick-Fraktion, bestehend aus Rösti und Pfister, favorisiert das Glace im «Chübeli» – der eine Caramel («mit Stückli» und «Nidle»), der andere Schoggi (auch mit Stückli). Allein der Gedanke daran zauberte beiden ein seliges Lächeln aufs Gesicht.
Gössi und Hess wählten die «gute alte Rakete», während Bäumle und Levrat aus figurtechnischen Gründen verzichteten (Zitat Levrat: «Keine Glace. Ich nehme schon zu, wenn ich den Kühlschrank anschaue»). Die Bernerin Rytz schliesslich nutzte die Zeit für einen kleinen Werbespot für die Gelateria di Berna, die nun auch in Zürich angekommen sei.
Um noch einmal zum darbenden Levrat zurückzukommen – mit neun Jahren Amtszeit das Urgestein unter den Parteipräsidenten: Irgendwie wurde man den Eindruck nicht los, dass er etwas wehmütig an die Zeit zurückdachte, in der er sich in der «Arena» noch mit dem Trio Müller-Brunner-Darbellay fetzte. Auffällig oft erwähnte er seine früheren Kumpanen.
Als er noch mit ihnen durch die Schweiz tingelte, nahm er es auch mit dem Kalorienzählen nicht so genau: Als legendär gilt im Bundeshaus die Episode, als die damaligen Parteichefs einst in einem dunkeln Speisewagen eine von Darbellay mitgebrachte Flasche Wein tranken und dazu Levrats Chips-Proviant und Müllers Guetzli-Vorrat vertilgten.