Die SVP fordert Grenzkontrollen – doch der Funke mag nicht springen
Basel-Stadt ist eine rotgrüne Hochburg. Und stolz auf seine Weltoffenheit im Dreiländereck. Die Grenze zu Deutschland und Frankreich ist länger als jene zum Nachbarkanton Baselland. Täglich wird sie von Zehntausenden Grenzgängern überquert. Der Halbkanton ist auch eines der wichtigsten «Einfallstore» für den Güterverkehr und den Tourismus.
Ausgerechnet in Basel-Stadt gab die SVP am Samstag den Startschuss zu ihrer Grenzschutz-Initiative. Es ist der neuste Streich, um ihr Kernthema zu bewirtschaften, den angeblichen Asylmissbrauch. Der existiert nach SVP-Lesart eigentlich permanent, aber nun will die Partei ein Zeichen setzen. Um die Dramatik zu unterstreichen, wurde eigens ein Sonderparteitag anberaumt.
Das erklärt die Wahl des Tagungsorts, denn Justizminister Beat Jans ist ein Basler. Er wohne «nur ein paar Minuten» von der Messe im Kleinbasel entfernt, wo die Versammlung stattfand, wie SVP-Kantonalpräsident Pascal Messerli süffisant erklärte. Er verspottete Jans wie andere Referenten als «Ankündigungsminister».
Grosses Polizeiaufgebot
Die vom SP-Bundesrat landesweit eingeführten 24-Stunden-Verfahren für aussichtslose Asylgesuche von Maghrebinern bezeichnete der Thurgauer Nationalrat und neue Asylchef Pascal Schmid als «Marketing-Gag» und blendete geflissentlich aus, dass die besagten Gesuche um 40 Prozent zurückgegangen sind.
Dennoch war dieser Sonderparteitag ein seltsamer Anlass. Es begann mit dem Polizeiaufgebot vor dem Messezentrum. Offenbar hatte man einen Grossaufmarsch linker Gegendemonstranten erwartet. Erschienen ist ein Grüppchen von weniger als zwei Dutzend Leuten, die Parolen wie «Kein Mensch ist illegal» und «Basel bleibt nazifrei» riefen.
Gedämpfte Stimmung
Alles in allem ging es gesittet zu und her, dennoch beklagte Parteipräsident Marcel Dettling, dass die SVP im «linken» Basel offenbar nur unter Polizeischutz tagen könne. Wie alle Rechtspopulisten liebt es die mit Abstand wählerstärkste Partei der Schweiz, sich als Opfer zu präsentieren. Doch so richtig zünden wollte der Funke an diesem Samstag nicht.
Trotz des emotionalen Themas waren Temperatur und Stimmung gedämpft, nur selten wurden die Referate durch Zwischenapplaus unterbrochen. Der von Dettling beschworene «Grossaufmarsch» wurde durch viele Lücken an den Tischen kontrastiert. Man hat schon SVP-Anlässe mit grösserer Beteiligung erlebt. Lag es an der eher kurzfristigen Ansetzung?
Keine zugkräftigen Themen
Gleich zwei im Programm aufgeführte Referenten mussten aus terminlichen Gründen absagen. Man wolle die Initiative unbedingt noch im Mai lancieren, hiess es. Man fragte sich, ob die SVP dringend ein zugkräftiges Thema braucht (Asylpolitik zieht immer). Denn in einigen anderen Bereichen drohen ihr Niederlagen, auch mit eigenen Volksinitiativen:
- Mit der Nein-Parole zum Stromgesetz auf Betreiben von Magdalena Martullo-Blocher hat sich die SVP verrannt. Sie kämpft gegen ihren Bundesrat Albert Rösti und die breite Bevölkerung. Die Umfragen deuten auf ein klares Ja hin, und eine am Montag veröffentlichte GFS-Erhebung belegt eine enorme Akzeptanz der erneuerbaren Energien.
- Die im Februar eingereichte Initiative gegen eine 10-Millionen-Schweiz bearbeitet ein auf den ersten Blick populäres Thema, die Zuwanderung. Sie dürfte jedoch zu einem Zeitpunkt zur Abstimmung kommen, an dem der Arbeitskräftemangel nicht mehr zu übersehen sein wird, auch weil die Babyboomer in den Ruhestand gehen.
- Die Neutralitäts-Initiative ist kein direktes Parteiprojekt, doch SVP-Vordenker Christoph Blocher ist ihr «geistiger Vater». Angesichts des zunehmenden internationalen Drucks auf die Schweiz (etwa bei den Russland-Sanktionen) steht sie ziemlich quer in der politischen Landschaft. Offenbar gibt es selbst unter den Initianten Zweifel an der Erfolgschance.
- Die Volksinitiative zur Halbierung der SRG-Gebühren kommt vermutlich 2026 vors Stimmvolk. Sie wird es schwer haben, erst recht nachdem mit Susanne Wille eine Sympathieträgerin zur SRG-Generaldirektorin gewählt wurde. Und vor allem, weil Albert Rösti als zuständiger Bundesrat eine Senkung der Gebühr auf 300 Franken anstrebt.
Folglich wird wieder einmal die Asylschiene bespielt. Allerdings gibt es auch bei der von Fraktionschef Thomas Aeschi konzipierten Grenzschutz-Initiative einige Fragezeichen. Das betrifft weniger die völkerrechtlich heikle Forderung nach einem «Asyldeckel» von 5000 Personen pro Jahr. Sie wird im Initiativtext durch eine «kann»-Formulierung abgemildert.
Schwieriger ist die Massnahme, die der Initiative den Namen gab: Einreisende Personen sollen «systematisch kontrolliert» werden. Sie verstösst gegen das Schengener Abkommen und könnte in der Umsetzung zu erheblichen Problemen führen. Denn die Schweizer Grenze wird von 2,2 Millionen Menschen und 1,1 Millionen Fahrzeugen überquert – pro Tag.
«Keine perfekten Lösungen»
Hinzu kommt, dass es entlang der 1935 Kilometer langen Landesgrenze mehr als 2000 Übergänge gibt, also rund einen pro Kilometer. Darauf verwies Christian Bock, der ehemalige Direktor des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG). Seine Amtszeit war von Turbulenzen geprägt. Nach dem Amtsantritt der zuständigen Finanzministerin Karin Keller-Sutter wurde er abgesetzt.
Der Auftritt des gebürtigen Deutschen vor den SVP-Delegierten aber war im Vergleich zur verbalen Grobmotorik der übrigen Beiträge wohltuend differenziert. Zwar warb der frühere Zollchef klar für Grenzkontrollen. Er betonte aber auch, dass es «keine perfekten Lösungen und kein Allheilmittel gibt». Es sei unmöglich, jede Ein- und Ausreise zu kontrollieren.
Ab Dienstag sollen Unterschriften für die Grenzschutz-Initiative gesammelt werden. Sie wurde von den Delegierten wie erwartet einstimmig abgesegnet. Der watson-Berichterstatter war bereits weg, aus terminlichen Gründen. Beim Anblick der unverdrossen ausharrenden Gegendemonstranten fragte er sich, an welch kuriosem Anlass er gewesen war.