Wer wird das Aushängeschild von SVP, SP und Grüne? Die drei Parteien wählen Ende März bzw. Anfang April ihr Präsidium neu. Die Einladungen wurden verschickt, das berühmte «Kandidatenkarussell» dreht bereits.
In den Parteisekretariaten herrscht aber wegen des Coronavirus' grosse Anspannung. Im und ums Bundeshaus kursiert die Frage, ob die Parteiwahlen tatsächlich stattfinden werden. Zumindest bei den beiden grossen Parteien scheint die Frage berechtigt, wie watson erfahren hat.
Die Behörden im Kanton Basel-Stadt haben bis Donnerstagmittag von keiner Partei eine Anfrage um Bewilligung einer Parteiversammlung erhalten. Dies teilt das zuständige Gesundheitsdepartement auf Anfrage von watson mit. Die SVP will am 28. März in Basel die Nachfolge von Albert Rösti wählen, am Wochenende darauf wählt der SP-Parteitag – ebenfalls in Basel – die Nachfolge von Parteichef Christian Levrat.
Offenbar kursiert die Angst, der Bundesrat könne sein Veranstaltungsverbot für Versammlungen ab 1000 Personen verlängern. Dieses gilt zwar offiziell nur bis Mitte März. Angesichts der steigenden Infektionen, der neuen Verhaltensregeln und dem ersten Todesopfer liegt die Vermutung nahe, dass sich die Lage nicht bald normalisiert und das Verbot verlängert wird.
Eine solche Verlängerung würde auch die SP betreffen. Sie erwartet weit über 1000 Personen an ihrem Parteitag. SP-Sprecher Nicolas Haesler sagt zu watson: «Wir halten Stand heute am geplanten Datum fest, werden uns aber selbstverständlich an die behördlichen Anordnungen halten.»
Er bestätigt, dass die Partei ihr Gesuch noch nicht abgeschickt hat. «Wir haben kein Gesuch eingereicht, da wir auf die nächste Lagebeurteilung des Bundesrats warten», schreibt Haesler in einer Stellungnahme. Das Präsidium seiner Partei werde nächste Woche über das weitere Vorgehen beraten.
Unklarer ist die Lage bei der SVP. Die grösste Partei der Schweiz will am 28. März die Nachfolge von Parteichef Albert Rösti wählen. Die zuständige Behörde in Basel-Stadt wiederholt auf Nachfrage von watson, dass von der SVP für die Delegiertenversammlung kein Gesuch eingegangen sei.
SVP-Generalsekretär Emanuel Waeber dementiert dies: «Das wäre mir neu.» Er kündigte vergangenes Wochenende an, am Montag ein Gesuch einreichen zu wollen. Anne Tschudin, Sprecherin des Gesundheitsdepartements in Basel, sagt dazu: «Es ist möglich, dass das Gesuch bei einer anderen Stelle eingereicht wurde. Stand heute Mittag lag uns jedoch kein solches Gesuch vor.»
Klar ist: Fällt die Delegiertenversammlung der SVP ins Wasser, dürfte das laut Politbeobachtern der Partei entgegen kommen. Das Kandidaten-Karussell für die Nachfolge von Parteichef Albert Rösti läuft zurzeit zumindest aus der Sicht der Öffentlichkeit alles andere als geschmiert.
Dies könnte erklären, wieso einzelne SVP-Politikerinnen und -Politiker im Bundeshaus bereits auf Ausnahmezustand umgestellt haben. Zwei SVP-Nationalräte wollten heute von den Bundesbehörden etwa wissen, wie viele Lobbyisten und Journalistinnen sich kurz vor dem Sessionsbeginn in einer Coronavirus-Risikoregion aufhielten oder mit einem bestätigten Erkrankten Kontakt hatten.
Der Ausnahmezustand ärgert CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Er will zwar keinen Zusammenhang mit der Parteipräsidiumswahl sehen, auf Anfrage von watson wirft er der SVP jedoch vor, die Session abblasen zu wollen.
Er vermutet, die SVP wolle damit verhindern, dass die Überbrückungsrente für ältere Arbeitnehmende beschlossen wird. Diese mache das Argument der SVP für die Begrenzungsinitiative zunichte, wonach die «Zuwanderung die älteren inländischen Arbeitnehmenden aus dem Arbeitsmarkt dränge», sagt der CVP-Politiker.
Der CVP-Politiker kritisiert, dass die SVP schon immer gegen jegliche Prävention und insbesondere gegen das Epidemiegesetz war. «Aber vielleicht ist die Gesundheit der SVP-Parlamentarier halt mehr wert als jene der Bevölkerung ausserhalb des Bundeshauses», sagt Müller-Altermatt weiter. Den Versuch, die Session abzublasen, hält er für eine «erbärmliche Strategie auf dem Buckel unserer höchsten Institutionen».
Ein Sessionsabbruch wäre zumindest rechtlich zulässig. Möglich wären zwei Szenarien, wie die Parlamentsdienste auf Anfrage von watson erklären.
Passiert ist sowas in der jüngeren Parlamentsgeschichte nicht, heisst es von den Parlamentsdiensten.