Parlamentsdebatten sind eine ernste Angelegenheit. Das gilt auch für die Klimapolitik, mit der sich der Nationalrat gestern befasste. Solch eine Emotionalität, solch ein Unterhaltungswert sieht man aber nicht alle Tage – es gab Zwischenapplaus, Gelächter und eine ganze Reihe von Anschuldigungen.
Die Nationalräte hatten über die Genehmigung des Klimaübereinkommens von Paris zu befinden. Dieses hat zum Ziel, den durchschnittlichen weltweiten Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, wobei die teilnehmenden Staaten alle fünf Jahre ein ambitionierteres Emissionsreduktionsziel festlegen müssen.
Gestern ging es im Nationalrat aber zuerst einmal darum, ob dieser überhaupt auf das Geschäft eintreten soll. Die SVP stellte sich dagegen – was ihr von den anderen Parteien den Vorwurf einbrachte, angesichts der Herausforderungen des Klimawandels die Hände in den Schoss zu legen. Bastien Girod (Grüne, ZH) nahm zur Illustration das Tierreich zu Hilfe: Das Verhalten der SVP-Fraktion erinnere ihn an Frösche. Wenn man diese in heisses Wasser stellt, springen sie wieder heraus. Erwärmt man das Wasser hingegen langsam, bemerken sie die Gefahr nicht und sterben. «Genau das machen Sie bei der Klimaerwärmung. Sie merken nicht, was hier passiert», folgerte Girod.
In der Tat zweifelten gleich mehrere SVP-Parlamentarier die menschliche Ursache für den Klimawandel an. «Wie erklären Sie mir, dass während des Römischen Reiches die Temperaturen in Europa viel höher waren als heute?», fragte Roger Köppel (ZH) und fügte süffig an, dass der Autoverkehr damals ja «noch nicht ganz so hoch» wie heute gewesen sei.
Andreas Glarner (AG) erinnerte an das viel zitierte Waldsterben, dessen Auswirkungen in den 1980er-Jahren überschätzt wurde, und Erich Hess (BE) errechnete, dass die Schweiz nur für «0,0000001 Prozent» der CO2-Ausstosse verantwortlich sei – worauf er von mehreren Rednern, unter anderem von Bundespräsidentin Doris Leuthard, der Verbreitung von «alternativen Fakten» bezichtigt wurde.
.@DFoppa Meine Antwort zu Glarners Alternativen-Fakten: pic.twitter.com/W9K6YGzfLs
— Bastien Girod (@bastiengirod) 2. März 2017
Andreas Glarner (AG) erinnerte an das viel zitierte Waldsterben, dessen Auswirkungen in den 1980er-Jahren überschätzt wurde, und Erich Hess (BE) errechnete, dass die Schweiz nur für «0,0000001 Prozent» der CO2-Ausstosse verantwortlich sei – worauf er von mehreren Rednern, unter anderem von Bundespräsidentin Doris Leuthard, der Verbreitung von «alternativen Fakten» bezichtigt wurde.
Eine deutliche Parlamentsmehrheit vertraut aber offensichtlich der Mehrheit der Wissenschaft, die einen klaren Zusammenhang zwischen menschlichen Aktivitäten und dem feststellbaren Temperaturanstieg erkennt. Das Eintreten auf die Vorlage war letztlich unbestritten. Umstrittener war, ob die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 um 50 oder nur um 40 Prozent sinken sollen (gegenüber 1990). Eine Mehrheit des Nationalrats sprach sich letztlich für die höhere Variante aus. Die Grünen ihrerseits zogen einen noch ambitionierteren Antrag zurück.
Die 50 Prozent sind jedoch nur das übergeordnete Ziel. Die Massnahmen, die dafür nötig sind, sind nicht Gegenstand des Pariser Abkommens – die Schweiz wird diese Diskussion im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes führen.
In welche Richtung die Vorlage gehen könnte, hat der Bundesrat schon aufgezeigt. So soll die Treibhausgas-Reduktion zu 60 Prozent im Inland und zu 40 Prozent im Ausland erfolgen. Auch die Vorschriften für kleinere Fahrzeuge dürften verschärft werden. Eine CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel hat die Regierung bislang stets abgelehnt, dafür soll die Maximalabgabe auf Brennstoffen von 120 auf 240 Franken pro Tonne erhöht werden.
Genau wird man allerdings erst im letzten Quartal dieses Jahres wissen, wie der Bundesrat die Zielsetzung – und damit die konkrete Umsetzung des Pariser Abkommens – zu erreichen gedenkt. Dann legt er die Revision des CO2-Gesetzes dem Parlament vor. Klar ist bis jetzt einzig: Gegenüber gestern wird die Debatte nochmals hitziger werden.