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«Prima i nostri» – Ständerat sagt Ja zu Inländervorrang in Tessiner Verfassung

«Prima i nostri» – Ständerat sagt Ja zu Inländervorrang in Tessiner Verfassung

Der Ständerat gibt seinen Segen zur Tessiner Kantonsverfassung, die nach der Annahme der Initiative «Prima i nostri» mit einem Inländervorrang ergänzt werden soll. Der Bundesrat hatte dem Parlament beantragt, die Änderung gut zu heissen.
27.11.2017, 18:51
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2016 haben die Tessiner Stimmberechtigten die SVP-Initiative «Zuerst die Unseren» («Prima i nostri») angenommen, die unter anderem einen Vorrang für im Tessin wohnhafte Personen in die Kantonsverfassung schreibt. Diese sollen auf dem Arbeitsmarkt gegenüber Personen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, bevorzugt werden – unter der Voraussetzung, dass die Bewerber gleiche Qualifikationen mitbringen.

Der Ständerat entschied am Montag, die geänderte Verfassung zu gewährleisten. Er folgte damit der Empfehlung seiner Staatspolitischen Kommission (SPK) und des Bundesrats.

Die Bestimmungen zum Schutz inländischer Arbeitskräfte und zum Inländervorrang könnten bundesrechtskonform ausgelegt werden, befand der Bundesrat gestützt auf ein Rechtsgutachten.

Der Spielraum für eine Umsetzung, die nicht im Widerspruch zu Bundesrecht stehe, sei allerdings sehr beschränkt. Auch auf dem Gebiet des Ausländerrechts verbleibe dem Tessin nur wenig Spielraum, besonders seit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative.

Bundesraetin Simonetta Sommaruga spricht waehrend einer Medienkonferenz ueber die Anpassung des Urheberrechts ans Internet-Zeitalter, am Mittwoch, 22. November 2017 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Das Parlament müsse die Verfassungsänderung zwingend gewährleisten, wenn die Kantonsverfassung mit dem Bundesrecht vereinbar sei, sagte Simonetta Sommaruga.Bild: KEYSTONE

Formsache

Der Kanton müsse sich beispielsweise an Vorschriften im Arbeitsvertragsrecht halten sowie an den Arbeitnehmerschutz, befand der Bundesrat. Weitere Vorgaben machten das Personenfreizügigkeitsabkommen und das EFTA-Übereinkommen.

Für die bundesrechtskonforme Umsetzung spreche jedoch, dass es sich bei der neuen Verfassungsbestimmung um Zielnormen handle, die für Einzelne keine Rechte und Pflichten festlegten. Auch konkrete Aufträge für die Gesetzgebung enthalte die neue Verfassungsbestimmung nicht.

Ist die Vereinbarkeit einer Kantonsverfassung mit dem Bundesrecht gegeben, muss das Parlament die Verfassungsänderung zwingend gewährleisten, wie Justizministerin Simonetta Sommaruga am Montag in Erinnerung rief. «Sie haben da eigentlich auch keine Wahl.»

Zementierung der Praxis

Im Juli hatte sich die Tessiner Kantonsregierung erstmals zu den Vorschlägen für die Umsetzung von «Prima i nostri» geäussert, die zuvor von einer parlamentarischen Spezialkommission ausgearbeitet worden waren.

Roberto Maroni, Praesident der Region Lombardei, links, und Paolo Beltraminelli, Vorsitzender des Tessiner Staatsrates, rechts, geben sich die Hand nach einem Treffen zwischen ihren zwei Delegationen, ...
Das Ja des Tessiner Stimmvolkes zur «Prima i nostri»-Initiative hatte in Italien zu harschen Reaktionen geführt. Hier treffen sich Roberto Maroni, Präsident der Region Lombardei, links, und Paolo Beltraminelli, Vorsitzender des Tessiner Staatsrates im Oktober 2016 zu einem Gespräch in Bellinzona.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Positiv äusserte sich der Staatsrat unter anderem zu einem Inländervorrang in öffentlichen und halböffentlichen Einrichtungen. Ein Anwendungsgesetz in dieser Richtung würde ohnehin nur eine bereits gängige Praxis der öffentlichen Hand «formalisieren», hielt sie fest.

Drei weitere Verfassungen

Zusammen mit den Änderungen in der Tessiner Verfassung genehmigte der Ständerat am Montag auch Verfassungsänderungen in drei weiteren Kantonen.

Im Kanton Thurgau sind Grundsätze zur Raumplanung betroffen. Im Kanton Wallis geht es um die Wahl von Staatsanwälten mit Führungsfunktionen durch den Grossen Rat und um den Justizrat, eine neue unabhängige Aufsichtsbehörde über die Justiz. In Genf schliesslich sollen Gemeinderegierungen still gewählt werden können, wenn nicht mehr Kandidaturen vorliegen als Sitze zu vergeben sind.

Nun muss noch der Nationalrat über die Verfassungsänderungen befinden. (dwi/sda)

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