Wolf M75 hat in der Schweiz zu viele Nutztiere gerissen und soll geschossen werden. Das finden nicht nur die Jagdbehörden, sondern auch der WWF. Die Natur- und Umweltschutzorganisation verzichtet auf eine Beschwerde gegen den Abschuss des Raubtieres.
Der WWF liess die Beschwerdefrist von dreissig Tagen gegen die behördliche Abschussbewilligung des Wolfes M75 ungenutzt verstreichen, wie der Grossraubtier-Verantwortliche Gabor Bethlenfalvy am Dienstag auf Anfrage erklärte. Über vierzig Schafrisse waren dem unbekannten männlichen Rüden italienischer Abstammung allein zwischen dem 21. Januar und dem 8. Februar im südlichen Graubünden und in der Tessiner Leventina zugeordnet worden.
Der WWF ist nun zum Schluss gekommen, dass es keine andere Wahl gibt, als den Wolf zu entfernen. Allein die Zahl der Nutztierrisse in Graubünden reiche aus, um einen Abschuss zu verfügen, sagte Bethlenfalvy. Der WWF allerdings kritisiert die Herdenschutzmassnahmen im Kanton Tessin, die noch verbessert werden könnten.
Christoph Rytz, Mediensprecher von WWF Schweiz, betonte nachträglich, seine Organisation sei nicht für einen Abschuss von M75. Der WWF habe beschlossen, auf eine Beschwerde gegen die behördliche Abschussverfügung zu verzichten.
Gemäss eidgenössischer Verordnung können die Raubtiere geschossen werden, wenn sie trotz Herdenschutz erheblichen Schaden an Nutztieren angerichtet haben. Ein solcher Schadenfall liegt vor, wenn mindestens 25 Nutztiere innerhalb eines Monats getötet wurden.
M75 ist nicht nur der vielen Risse wegen auffällig geworden. Auch seine Vorgehensweise erstaunt bisweilen. In Trun im Bündner Oberland übersprang der Wolf einen 113 Zentimeter hohen unteren Teil einer Türe und drang in einen Stall ein, wie Hannes Jenny, Wildbiologe beim Bündner Amt für Jagd und Fischerei, auf Anfrage sagte.
Glück für den Bauern war, dass das Raubtier lediglich ein Schaf tötete, bevor es das Weite suchte. Möglicherweise wurde es gestört.
Der Wolf M75 scheint ein unruhiger Wandergeselle zu sein, der mühelos grössere Strecken zurücklegt. Er durchstreifte nicht nur die südliche und südöstliche Schweiz, sondern hinterliess genetische Spuren im Zürcher Weinland, in Laufen-Uhwiesen. Danach zog er im Kanton Thurgau umher. Stets wurden Schafe seine Beute.
Mittlerweile ist M75 offenbar wieder nach Graubünden zurückgekehrt. Die letzten Spuren stammen aus Langwies, im Schanfigg bei Arosa. Die auf sechzig Tage befristete Abschussverfügung der Behörden ist noch circa einen Monat gültig. (sda)